Sonntag, August 15, 2010
das italienische frühstück
Nein, das ist eine Ausnahme. Ehrlich. San’S doch a bissl locker. Einmal nur.
Ich lächle sie an.
Sie kneift den Mund zusammen.
Okay, eine Frustrierte, ewig lang verheiratet oder geschieden und genervt von allem und jedem. Vor allem vom Leben. Was kann ich da schon ausrichten? Mit Frauen im Klimawandel ist es schwierig.
Wir sind gerade in Salzburg in den Zug gestiegen und wollen nach Linz. Wir – meine langjährigen Freundinnen Tina, Gerda, Marie und ich – feiern Geburtstag von Tina. Drei Tage Linz. Gerda hat gebucht.
Ich hab das Programm gemacht. Ausgeklügelt. Wohl überlegt. Viel Kultur, viel frische Luft.
Es wurde dann doch ein wenig anders. Viel Shopping und viel Luft. So frisch ist die nicht in der Landstraße vor den Kaffeehäustern. Aber wir waren auch abends in der Luft, der frischeren, in den Gastgärten und an den Stehtischen der Bars.
Geplant war eigentlich ein italienisches Frühstück im Zugabteil, nun war es ein italienisches Mittagessen geworden, weil ich den Zug versäumt hatte.
Amadea, du weißt eh, der Zug kommt in Bhofen um zehn nach zehn an, wir werden dir winken, und du steigst in unser Abteil. Merkst du dir die Zeit oder soll ich dich den Tag vorher noch einmal anrufen? fragte mich Gerda am Telefon, nachdem sie gebucht hatte.
Ich bin nicht deppert, sagte ich, klar merk ich mir das.
Und so war ich eine halbe Stunde früher in Bhofen gewesen, war dann noch Kaffee trinken und schlenderte eine Vierteslstunde vor Abfahrt des Zugs gemütlich zum Bahnhof.
Aber meine Uhr war stehen geblieben. Genau um fünf vor zehn. Und auf der Bahnhofsuhr war es zwölf nach zehn.
Warum passieren mir immer in den unmöglichsten Momenten die unmöglichsten Dinge? Warum bleiben meine Uhren immer im unpassendsten Moment stehen?
Also nahm ich den Zug eine Stunde später während die anderen in Salzburg auf mich warteten.
Wir sitzen im Speisewagen. Wir wollten da nicht sitzen, wir wollten ganz normal in einem Abteil sitzen. Aber es war nichts mehr frei.
Ich hab ein italienisches Picknick mit. Alles hab ich mit, alles, was du dir vorstellen kannst. Prosecco, Ciabatta, Oliven, Parmaschinken, Parmesan, Tomaten, Cantuccini.
Pappteller und –becher sowie Besteck und Servietten hab ich schon ordentlich aufgelegt und gerade, als ich dabei bin, den Schinken auszupacken, hör ich ein lautes Das geht nicht! Wenn das jeder tun würde!
Die Restaurantchefin ist außer sich. Die Augen hinter ihre Brille funkel böse, sie wischt sich die Schweißperlen vom Gesicht, fährt sich durch’s dunkelrot gefärbte Haar, das einem Vogelnest ähnelt.
Ich frage mich immer wieder, warum so viele Frauen im Klimawandel sich die Haare dunkelrot färben?
Ich konzentriere mich wieder.
Wir sind nicht jeder, liebe Frau, das ist heute ein besonderer Tag, wir haben das auch noch nie gemacht, das ist einmalig.
Die vier Männer aus Vorarlberg, die hinter uns sitzen und schon gut drauf sind, prosten uns zu.
Dürfen wir auch mit naschen?
Klar, sage ich. Prost.
Wenn ich kontrolliert werde, bin ich fällig. Ich kann das nicht erlauben, schreit sie.
Beruhigen Sie sich, bitte. Wir bestellen auch was, gell? Vier Verlängerte, bitte.
Nein, das geht nicht, räumen Sie das sofort weg.
Ich beiße vom Ciabatta und stecke mir ein Stück Parmesan in den Mund.
Besorgen Sie uns einen Platz in einem Waggon und wir sind weg, sage ich mit vollem Mund.
Das kann ich nicht, ich bin kein Schaffner.
Ich gebe Ihnen zehn Euro für die Unannehmlichkeiten. Bitte! Ich lächle sie an.
Ich bin nicht bestechlich. Weg mit dem Zeug.
Alle Gäste im Speisewagen sind auf meiner Seite, ich spüre es. Alle lachen und sind gut gelaunt. Gleich werde ich sei überredet haben.
Da stuppst mich Gerda an: Amadea, räum das weg, bitte.
Marie und Tina nicken. Verräterinnen denke ich, Spielverderberinnen sage ich und packe alles ein.
Ich bin es nicht gewohnt, dass ich nachgeben muss. Nicht, wenn ich eine Idee habe und vor allem nicht, wenn die Idee so schön ist.
Es zählt der Wille, Amadea, sagt Tina. Und alle nicken.
Ich gebe mich geschlagen.
Also picknicken wir nach dem Aussteigen auf einem Grünstreifen in Linz. Und der Obdachlose, der neben uns sitzt, bekommt einen Becher Prosecco.
Happy birthday, Tina!
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3 Kommentare:
"Wenn das alle machen würden!" bringt mich jedes Mal auf die Palme, und zwar ganz nach oben bis in die Palmkrone. Wenn das alle machen würden, wäre wenigstens was los. Aber das macht ja nicht mal jeder.
http://wuschel2010.wordpress.com/
Schreiben.Lesen.Beobachten.
Grüße Wuschel
Genau so sehe ich das auch, lieber glumm!! machen müssen wir, machen!
ja, wuschel - genau so :-)
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