Montag, Juni 25, 2012

Gerade erfunden



Kind sein und Dinge, auch alltägliche, so tun, als ob  wir sie das erste Mal im Leben tun würden. 

Ja, das ist es.  Das sollte man jeden Tag tun. 

Alles so tun, als ob man es gerade erfunden hätte. 
So lachen, als ob wir das Lachen erfunden hätten und auch so lieben. 
So küssen, als ob wir noch nie geküsst hätten. 

Und jedes Mal einander so ansehen, als ob wir uns gerade entdeckt hätten.

Freitag, Jänner 13, 2012

ein-Klang



Ich glaube, je sanfter und leiser die Musik ist, umso stärker ist sie bringt sie dich zum Klingen. Entweder sie packt dich ganz und gar oder sie geht unhörbar an deinem Ohr vorbei.
So wie der Blues, dessen Gitarrenklänge sich sanft über dich spannen wie ein Regenbogen, und dann wieder, unvermittelt, wie ein Sprühregen sich über dich ergießen. Manchmal sind die Klangfarben warm und kräftig, manchmal scheinen sie dir milchiggrau oder blau dann dunkel und tief.
Die Töne machen sich selbständig, sie fließen, wie von selbst, ohne irgendwelches zutun. Manchmal klingen sie wie ein Lachen, manchmal weinen sie, manchmal hört man den Schmerz in ihnen, manchmal die Freude, manchmal die Lust.
Plötzlich ist unvermittelt ein neuer Ton da, der dich fast erschreckt. Wie neugeboren, wie nie gehört, wie abgehoben, fast spröde und schroff.
Und dann lernst du ihn kennen, den ton. Ganz langsam.
Er verliert das Spitze, das Ungewohnte, er nistet sich ein in deinem Herzen und Ohr, ganz langsam. Du wehrst dich gegen ihn, am Anfang.
Und du hörst genau hin. Und hörst auf einem mal das Warme, Persönliche, das Sanfte, Weiche, Anschmiegsame.
Du hörst die Einsamkeit des Tones, das Schluchzen, seine Traurigkeit und seinen Zorn.
Der Ton bewegt sich, lebt, umschmeichelt dich, nistet sich ein, wie ein Suchender, umklammert dich, ohne dass du es bemerkst, ergreift dich wie eine Hand, taucht ein, taucht unter, der farbige Strom durchfließt dich, und nimmt Besitz von dir. Bis er eins ist mit dir und du mit ihm.

Dienstag, August 02, 2011

pünktlichkeit ist (k)eine tugend




Zu Terminen komme ich überpünktlich.

Und auch wenn ich meine, zu spät zu sein, bin ich dann doch oft die erste oder eine der ersten.
Das ärgert mich.
Ich bin zwar pünktlich, und man könnte daraus schließen, dass ich prinzipiell ein sehr organisierter, durchgeplanter Mensch bin. Nein, das bin ich nicht. Und das verursacht den Ärger.
Damit ich pünktlich sein kann, muss ich mich die Stunden zuvor beeilen. Ich muss mich sehr beeilen, weil es herrscht das reine Chaos.
Es ist immer was! Da find ich dann den weißen BH nicht, sondern nur den schwarzen und zu dem passt die helle Bluse nicht. Dann sind die Schuhe nicht geputzt.
Während ich mir die Haare trockne, verkohlt die Fertigpizza, die ich in den Ofen geschoben habe, weil ich zu spät bemerkte, dass ich nichts gegessen hatte. Augenbrauen müssen gezupft, Fingernägel sauber gebürstet werden – Nagellack kann ich ohnehin vergessen, zwei Nägel sind abgekaut – und Haare müssen auf die Lockenwickler, damit sie schön füllig sind. Anschließend müssen sie geglättet werden, damit schön und nicht füllig sind.
Es ist eine Katastrophe.
Die Wohnung ist ein Saustall, ich steige über den Kleiderberg, entsorge die Pizza und verlasse Hals über Kopf die Wohnung.
Hauptsache pünktlich.

Und da sitz ich da und warte auf die anderen. Die Frisur ist im Eimer, weil ich verschwitzt bin vor lauter Hektik, das 48-Stunden-Deo hat zehn Minuten lang gewirkt und ich schaue grantig, weil ich grantig bin.
Wenn ich Glück habe, kommt dann der eine oder andere Kollege nach zwanzig Minuten, locker und entspannt und begrüßt mich nonchalant: Na, Amadea, heute mal pünktlich?
Ich sage dann nichts, weil ich nicht kann vor lauter Wut, sondern strecke den Mittelfinger aus. Natürlich heimlich, unter‘m Tisch.

Bei einem Date ist die Sache anders. Nein, versteh mich nicht falsch. Das Chaos in der Wohnung ist dasselbe. Fast. Nur ohne verkohlte Fertigpizza. Weil wenn du als Frau ein erstes Date hast, isst du keine Fertigpizza. Du isst nichts, was Kohlenhydrate hat. Und zwar von dem Zeitpunkt an, da du vom Date weißt.
Du willst ja nicht den ganzen Abend den Bauch einziehen ohne dass es irgendwas nützt und vielleicht zuvor noch einen Pickel ausgedrückt haben, der sich dann entzündet hat.

Ich bin bei Dates ebenfalls überpünktlich, aber das weiß der Mann nicht. Wenn ein Mann ein erstes Date mit einer Frau hat, muss er warten können. Und Frau muss ihn warten lassen. Und darum lassen wir ihn auch warten. Auch wenn wir zuvor bei plus dreißig oder minus dreißig Grad im Auto sitzen müssen. Gott sei Dank gibt’s Heizung und Klimaanlage.
Ganz wichtig - den Spiegel griffbereit in der Tasche haben, um alle dreißig Sekunden zu checken, ob das Make-up noch passt und die Frisur sitzt. Und man ist nie zufrieden. Weder mit Make-up noch Frisur.
Und man bereut, dass man die Wochen zuvor die Freizeit auf der Couch gemeinsam mit Chips und Eis verbracht hat, und nicht im Fitnesscenter mit Wasserflasche und Handtuch.
Aber nun ist es zu spät.
Man trägt den BH, der den Busen pusht und die Panties, die den Bauch reindrücken (sind ja nur Millimeter, aber es geht um’s Gefühl, das man hat, das mehr oder weniger gute.)
So kommt man dann zum Date, zwanzig Minuten zu spät, und erklärt, dass eine Bekannte aus LA grad angerufen hat und dass der Designerschrank gerade heute geliefert wurde. (Falls aus dem ersten Date mehr wird, musst du das mit dem Designerschrank überdenken und vielleicht noch einen Bekannten aus Ibiza erfinden).
Eine Frau muss zu einem Date zu spät kommen, weil wenn sie pünktlich bist, dann glaubt der Mann, er hat sie schon erobert und legt sie in Gedanken bereits flach.

Das geht gar nicht! Männer müssen erobern. Auch heute noch.
Also, ihr Girlies: Haut euch nicht so ran an euren Auserwählten. Auch wenn der, den ihr begehrt, ein JustinBieberjüngling ist. Auch die wollen erobern.
Außerdem wirkt es unwiderstehlich, wenn du einen tollen Auftritt hast, und du wie eine Königin einherschreitest, während er schon in Zweifel versunken ist, ob du wohl kommst.

Der Mann muss natürlich immer pünktlich sein, er darf auch früher kommen. Außer später. Später sollte er später. Kommen.

Montag, Juli 25, 2011

die schlange

Wenn du einkaufst, kannst du in der Warteschlange vor der Kassa verschiedene Typen von Leuten beobachten.

1
Da gibt es den einen, der in der Schlange steht und alles was sich links und rechts von ihm befindet, mitnimmt. Völlig geistesabwesend. Der Inhalt seines Einkaufswagens verdoppelt sich in der Warteschlange. Ganz obenauf zum halben Preis der Bund Tulpen, der unten vor der Kassa im Kübel verwelkt, dann die seit gestern abgelaufenen Gelee-Ostereier und der Stoffhase für’s Enkerl, 70 Prozent billiger.

2
Dann gibt es den wirklich unsympathischen Zeitgenossen, der, wenn du in der Warteschlange stehst, sich still und leise von der Seite her anschleicht. Er sucht sich einen bestimmten Platz aus, wo er gern sein würde. Zum Beispiel auf Platz drei oder fünf. Und genau da versucht er sich einzureihen, nach der Art des Reißverschluss-Systems. Ganz ruhig steht er da, vermeidet bewusst den Blickkontakt mit den brav hintereinander Wartenden. Er arbeitet sehr subtil und nützt jede kleine Unaufmerksamkeit des neben ihm Stehenden. Auf einem Mal ist er in der Schlange. Und noch ehe du was sagen kannst, legt er schon sein Zeugs auf das Rollband. Niemand hat bemerkt, dass er sich seinen Platz erschlichen hat. Dieser Typ gehört eliminiert. Auf der Stelle.

3
Er reiht sich ein, ohne seinen Einkauf abgeschlossen zu haben. In seinem Einkaufswagen liegen nur wenige Artikel.
Plötzlich beginnt er sein hinterlistiges Spiel. Er sagt zu dem hinter ihm Wartenden: „Tschuidign'S, i brauch no schnö....“ und schon ist er weg.
Dieser Typ arbeitet sehr ökonomisch. Er verbindet Wartezeit mit Einkaufszeit und nützt jede Minute aus. Er betrachtet das Warten als vergeudete Zeit, in der er etwas Sinnvolles tun will, also einkaufen. Gleichzeitig ist er ständig in Bewegung, was seinen Kreislauf anregt und in Zeiten bevorstehender übermäßiger Kalorienaufnahme, wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten, die Kalorien schon im Voraus verbrennt.

4
Dann gibt es den Typen, der hinter dir steht, und plötzlich, aus heiterem Himmel, in Mitleid erregenden Singsang verfällt: „Meiner Seel, hob i no vü z’toa heit“. Und starrt auf deinen übervollen Einkaufswagen. Du antwortest: „Ja und? Glaubst ich nicht? Dummer Aff.“ Natürlich nur in Gedanken.

5
Dieser Typ arbeitet im Team.
Person eins steht in der Schlange. Person zwei, meist der Fittere oder Jüngere, läuft immer wieder hin und her zwischen Kassa und Regalen, bringt sämtliche Artikel, die gebraucht werden, legt sie in den Einkaufswagen und ist wieder weg. Inzwischen rückt Person zwei langsam vor. Kurz vor dem Bezahlen das Finale, eingeleitet mit folgenden Worten: „Fix noamoi. So wos Bled’s. Hiaz ho i a’s Brot vagess’n“. Und schon holt Person zwei das Brot, während Person eins lächelt und sagt: „Ko passier’n.“

6
Dann gibt es den Typen, der dich nicht direkt nervt. Er steht nicht vor dir in der Warteschlange, er hat das alles schon hinter sich. Er ist der, der schon drei Tage vor Weihnachten, Ostern oder Pfingsten alles einkauft, und alle anderen, weniger organisierten müssen dann das nehmen, was übrig bleibt. Und ganz zufällig lungert er zu Spitzeneinkaufszeiten in der Nähe der großen Supermärkte herum, lächelt dich freundlich an und bemerkt süffisant: „Scho a Stress, de Feiatog, gö?“

7
Dieser Typ hat vergessen, seine Äpfel abzuwiegen, und die arme Frau an der Kassa kennt den Preis nicht und hat auch keine Waage. Sie läuft dann meist nach hinten an den Obststand, während die Warteschlange sich verdoppelt, und kehrt außer Atem wieder zurück.
Schlimm wird das erst, wenn er dann noch ein Produkt, auf dem kein Preis aufgedruckt ist, im Wagerl hat. Die Kassiererin ruft dann den Abteilungsleiter aus, der nach zehn Minuten erscheint. Im glücklichen Fall kennt er den Preis, wenn nicht, verdoppelt sich die Warteschlange wiederum während er sich von dannen macht, um den Preis herauszufinden.

8
Dann gibt es noch den Typen, dessen Bankomat-Karte aus unerfindlichen Gründen und das allererste Mal – „So was ist mir im Leben noch nicht passiert!“ – nicht funktioniert. Er hat auch kein Bargeld bei sich. Er steckt die Bankomat-Karte bis zu zehn Mal auf jede erdenkliche Weise in den Schlitz und glaubt, durch mehrmaliges Schütteln des Kopfes und Seufzen erbarmt sich der Automat und nimmt die Karte. Es ist aber nicht so. Das dauert ungefähr zehn Minuten bis er einsieht, dass entweder das Konto überzogen oder die Bankomat-Karte kaputt ist.

Ich bin Typ

9
Dieser Typ geht grundsätzlich ungern einkaufen.
Er weigert sich, stundenlang in der Warteschlange zu stehen. Er kauft lieber beim Greißler, Bäcker, Metzger oder am Grünmarkt ein. Er lässt sich gern bedienen.
Er ist auch überfordert mit all dem Warenangebot im Supermarkt.
Nimmt dann meistens Dinge mit, die er nicht braucht oder ihm nicht gut tun. Natürlich kauft er auch im Supermarkt ein, aber niemals in Stoßzeiten. Er hat stets einen Einkaufszettel mit, nach dem er sich meist hält.
Und wenn es ihm mal passiert, dass er in einer Warteschlange in einem Supermarkt steht, und er begegnet einem dieser oben genannten Typen, dann, ja dann – wird er zur Bestie.

Samstag, Mai 28, 2011

Sonntag, Jänner 02, 2011

never do anything in haste


Als ich heute auf dem Sessellift saß, sah ich zufällig an meinem Handschuh diesen kleinen Bedienungsanleitungsanhänger, der an der Innenseite desselben angebracht ist.
Wenn man auf einem Sessellift sitzt, hat man nichts zu tun, als dem deutschen Urlaubsgast aus Düsseldorf, der neben dir sitzt und hier im Dorf eine Zweitwohnung besitzt, brav auf seine Fragen zu antworten und sich so geschickt hinzusetzen, dass sich beide Füße entspannen und du vergisst, wie sehr dich dein Schischuh drückt.
Es war nicht einfach, den Text zu lesen, da er sehr klein geschrieben war und ich den Handschuh nicht ausziehen wollte. Ich erinnere mich mit Schrecken daran, als mir, vor vielen Jahren am zweiten Weihnachtstag ein Schihandschuh, den ich vom Christkind bekommen hatte, am Sessellift hinunterfiel - mitten im Wald lag er da - und ich den Rest des Winters mit verfilzten und viel zu kleinen Schafwollhandschuhen auskommen musste, da mein Vater nicht gewillt war, Geld für neue „Plastikhandschuhe“ – so nannte er sie immer – auszugeben, einmal hätte genügt. Und die schafwollenen seien sowieso besser; er hatte das immer schon gewusst – Geld zum Fenster hinausgeworfen – und wenn man einen verliert, dann kann Oma einen nachstricken.
Also las ich mit zusammengekniffenen Augen was da geschrieben stand - in meinem EQ Waterguard MD Handschuh – auf dem Zettelchen, rot umrahmt, sodass man es nicht überliest in Großbuchstaben "caution"
When removing gloves, pull each finger off individually….
Das hab ich bis jetzt nur mit dem Gummihandschuh gemacht; anders bekomme ich den nicht von der Hand.
Ich versuchte mich zu erinnern, wie ich diesen Schihandschuh immer auszog, aber es fiel mir nicht ein. Ich glaube, ich verwende meine Zähne dazu bzw. einen Zahn dazu.
Sicher bin ich mir aber nicht.
…holding both outer glove and lining.
Ja, ich bin mir nun sicher, dass ich einen Zahn zu Hilfe nehme, mit dem ich outer glove and lining fest zwicke.
Your weather proof insert cannot be sewn to the other glove.
Ich liebe dieses Wort weather proof insert, vor allem in Verbindung mit dem Wort your.
YES, it is MY weather proof insert and YES, and it cannot be sewn to the outer glove.
Of course not – man braucht meine Zustimmung.
Und ich würde sie niemals geben…
I do not UNDER ANY CIRCUMSTANCES want my water proof insert to be sewn to the outer glove.
Wie sähe das erstens aus und der Waterproof-Effekt wäre beim ersten Kontakt mit Schnee beim Teufel.
Als Besitzer des Waterproof-Inserts bestehe ich darauf, dass nirgendwo irgendetwas angenäht wird ohne meine Zustimmung.
If removed in haste the lining may be inverted….
GENAU!
Never do anything in haste.
Das ist mein alljährlicher Silvestervorsatz, den ich nicht einhalten kann. Ich schaffe es nicht sehr lange. Ich versuche mich zu erinnern, ob ich die Schihandschuhe mit oder ohne haste ausziehe. Ich komme nicht drauf.
Aber ich glaube, die Ausziehgeschwindigkeit ist die richtige, weil sonst wäre das lining schon inverterd.
…and it will be very difficult to remove…
Nicht auszudenken wenn meine schönen EQ Waterguard MD Schihandschuhe so aussehen würden wie meine Gummihandschuhe..
Das komplette Waterproof insert würde hässlich über dem Handschuh drüberhängen and it would take me ages to remove it.
Vermutlich würde es mir gar nicht mehr gelingen und ich müsste sie wegwerfen und mir neue kaufen.
Und mein Vater, der mir sowieso sagt, dass ich ständig zu viel Geld ausgebe für unnütze Dinge, würde mir die verfilzten, kleinen Schafwollhandschuhe, die Oma gestrickt hat, vererben.
Ich will auf keinen Fall, dass mein EQ waterproof MD Schihandschuh so aussieht wie mein Gummihandschuh, der mit verdrehten und zerknüllten Gummifingern zischen Staubtuch und Fensterleder im Putzkübel liegt.
Ich werde in Zukunft meinen EQ Waterproof MD Schihandschuh so ausziehen, wie Audrey Hepburn in „Frühstück bei Tiffany“ - jeden Finger einzeln mit einem Schneidezahn festhaltend, sodass auf keinen Fall das inner lining über den outer glove gezogen wird.
Außerdem sieht das ungemein sexy aus, vor allem wenn ich das ganz lässig mit leicht schräg nach hinten geneigtem Kopf mache.
Ich muss nur darauf achten, dass in diesem Moment mein Schischuh nicht drückt, da sonst mein Gesichtsausdruck alles andere als lässig ist.

Freitag, Dezember 31, 2010

5 vor


Was machst du in den letzten fünf Minuten?
Ich meine, fünf Minuten bevor etwas Neues beginnt.
Fünf Minuten vor einer Reise, die du machst. Fünf Minuten, bevor der Zug abfährt. Du küsst denjenigen, derdich zum Bahnhof gebracht hat.
Fünf Minuten, bevor das Flugzeug abhebt, richtest du dir das Speibsackerl her oder schaust, wo die Notausgänge sind, falls du abstürzt.
Und was machst du in den letzten fünf Minuten des alten Jahres?
Schauen, ob dein Glas voll ist?
Dein Haar richten?
Eine Zigarette rauchen?
Bereite dich vor, sei gewappnet.
Geh noch schnell lulu, hätte Oma gesagt. Wer will ein Neues Jahr mit gekreuzten Beinen und einer vollen Blase beginnen?
Du könntest auch etwas tun, das du im Neuen Jahr tun willst.
Du könntest mit der Diät beginnen, die du im ganzen Neuen Jahr durchziehen willst oder du könntest aufhören zu rauchen.
Du könntest singen, wenn du im Neuen Jahr Gesangsunterricht nehmen willst.
Ich habe mich jedenfalls im alten Jahr an Omas Spruch gehalten und mich entschieden, die letzten fünf Minuten auf der Toilette zu verbringen.
Naja, sagen wir, drei von fünf Minuten.
Ein wahrlich symbolischer Akt. Das Alte loslassen und wegspülen um Platz für Neues zu machen.
FÜNF MINUTEN, ruft jemand.
Auf geht’s, Amadea.
Ich gehe gemütlich aus dem Lokal, die Treppe hinunter. Erhobenen Hauptes gehe ich, wie eine Königin schreite ich. Ich habe ja noch fünf Minuten. Eine Ewigkeit.
Niemand da. Wunderbar. Ich ganz allein. Wie schön. Und noch fast fünf Minuten. Oder vier.
Oh, eine Laufmasche. Das macht nichts. Ich habe eine Reserverstrumpfhose mit und noch vier Minuten. Oder dreieinhalb.
Laufmaschenstrumpfhose aus, neue raus. Und rein. Warum geht das nicht? Ich hänge fest. Mit der Hand. Dieses Armband, ich hätte es nicht nehmen sollen. Da hat sich was verhakt. Aber wie. Da geht nun gar nichts mehr.
Ein Bein in der Laufmaschenstrumpfhose. Das andere in der Luft.
Mein Armband mit Arm verhakt im Nylon.
Du hast noch genug Zeit, Amadea. Stress dich nun nicht. Du bist schon mit anderen schwierigen Situationen fertig geworden.
Wieso höre ich die Band nicht mehr?
Und plötzlich höre ich es.
ZEHN!
Was?
NEUN!
Nein!
ACHT!
Das kann nicht sein!
SIEBEN!
Verdammt!
SECHS!
Armband runter!
FÜNF!
Strumpfhose hoch!
VIER!
Spülknopf gedrückt und raus.
DREI!
Die Treppe hoch!
ZWEI!
Hinein ins Lokal.
EINS!
Ich schnappe ein Glas.
Die Donau so blau, so blau, so blau.
Raketendonner.
Ein gutes Neues Jahr! Da küsst mich schon einer auf die Wange. Einer, den ich nicht kenne. Ein Deutscher.
Alle anderen am Tisch küssen mich auch.
Ein gutes Neues Jahr! Wildfremde Menschen umarmen mich.
Ich gehe zurück zum Tisch. Wie in Trance, das fremde Glas in der Hand.
Ein gutes neues Jahr, Amadea. Bleib g’sund.
Du auch, Anna. Gutes Neues Jahr. Ich muss mir die Hände waschen.
Beim Hinausgehen ruft sie mir nach: Da hängt was an deinem Bein, Amadea. Und eine Laufmasche hast du auch.