Freitag, März 12, 2010

im hotel


Natürlich weißt du, dass in einem Hotelzimmer viele Menschen übernachten. Hintereinander, versteht sich.

Außer du bist in einem Fleabag-Hotel in Leinster Gardens, das ich vor einigen Jahren immer bewohnte wenn ich in London weilte.
Dieses Hotel hieß nur Hotel. Es war keines.
Es hatte den Charme einer Flüchtlingsherberge mit Etagenbetten und Zehnpersonenzimmern.
Es war ein Überbleibsel aus der viktorianischen Zeit und seither war nichts verändert worden.
Ich bekam immer das Einzelzimmer ganz oben unterm Dach, drei Quadratmeter groß mit Dusche, eingebaut in einem weißgestrichenen Holzrahmen.

Hast du dir je bewusst gemacht, wer aller in dem Zimmer, in dem du eine Nacht oder mehrere Nächte verbringst, gewohnt hast? Tausende von Menschen.
Vermutlich willst du gar nicht so genau wissen, wer da aller übernachtet hat und was diese Leute in dem Zimmer gemacht haben.
Aber so ist das eben. Ein Hotel verdient damit sein Geld.
Und du glaubst, dass alles wunderbar sauber und geputzt ist. Im Großen und Ganzen ist das auch so.
Aber bedenke: Auch wenn es ein piekfeines Hotel ist, das sorgfältig geputzt und gereinigt ist, schläfst du trotzdem inmitten von Tausenden Mikroben von tausenden fremden Menschen.
Okay, das Bett wird frisch bezogen, Badezimmer und Toilette werden geputzt, die Kacheln gewischt, die Tische poliert.
Aber – und das merke dir, diese Zierkissen werden nicht gewaschen und genau so wenig die dekorative Tagesdecke.
Und ich bin mir sicher, du bist da auch so pingelig wie ich. Du achtest peinlich darauf, diese Tagesdecke weder mit Fuß noch Arm, noch anderen Körperteilen zu berühren.
Du weißt auch, dass die Böden in Hotels IMMER Teppichböden sind.
Und auch wenn da noch so genau Staub gesaugt wird, es bleiben IMMER Hautschuppen, Haare – glatte, lange und weniger lange, krause – liegen. IMMER! So genau kann gar niemand putzen und Staub saugen. Und irgendwo bleiben eingetrocknete Körpersäfte, woher die auch immer stammen mögen, kleben.

Du kannst deinen Aufenthalt in einem Hotelzimmer nur wirklich genießen, wenn du eine nicht zu ausgeprägte Phantasie hast. Zu den Menschen gehöre ich leider nicht.
Aber ich will dem Hotelreinigungspersonal nichts unterstellen. Sie bemühen sich redlich.
Alles wird ordentlich zurechtgerückt, die Vase genau in die Mitte des kleinen Tischchens, Kuli und Schreibblock rechts von der Lampe auf die Abstellfläche vor dem Spiegel, Fernbedienung neben den Fernseher und Getränke in die Minibar. Vorhänge werden ordentlich drapiert.

Manchmal, auch wenn es ein gutes Hotel ist, findest du einige Beweismittel für die Anwesenheit von anderen Menschen unter dem Bett oder in der Ecke hinter dem Vorhang. Eine Münze, einen Kassabon.
Oder du siehst einen kleinen fettigen Abdruck einer Nase am Fenster wenn du die Gardine zur Seite ziehst. Manchmal hast du auch Pech und du findest ein Stück gebrauchtes Pflaster oder ein Taschentuch.

Ich war vor einigen Wochen in einem netten Hotel nicht weit weg von Salzburg. Ich brauchte einige Tage Entspannung.
Es war ein schönes Hotel mit vier Sternen und wunderbarem Wellnessbereich. Das Zimmer war sehr sauber und liebevoll mit Details eingerichtet. Das Bad war blitzblank, die Bettwäsche duftete und war makellos gebügelt. Und zur Begrüßung stand ein frisch gebackener Guglhupf auf dem Tischchen, auf dem sonst Blumen stehen. Es deutete nichts darauf hin, dass in dem Zimmer vor mir jemand anderer gewesen war. So wie es sein sollte. Es war mein Zimmer, meines ganz alleine. Für einige Tage. Doch am Abend, nachdem ich mich geduscht hatte, sah ich es.
Hier war jemand vor mir gewesen. Eigentlich zwei Jemande. In meinem Zimmer. In meinem Bett.
Da, auf dem Spiegel, in großen Lettern, las ich: ICH LIEBE DICH. Man konnte es nur sehen, wenn der Spiegel beschlagen war.
Wie lange waren die beiden da gewesen? Eine Nacht, ein Wochenende, drei Wochen?
Wer waren sie gewesen? Ein junges Pärchen? Ein Hochzeitspaar?
War es ein geheimes Stelldichein gewesen?
Wurde diese Liebe erwidert? War sie einseitig? Verschmäht?
War dieser Satz ein verzweifelter Versuch, den anderen wieder zu gewinnen?
Wurde dieser Satz auch gelesen von dem, der ihn lesen sollte? Oder war er nur so dahin geschrieben worden?

Eigenartig, wenn du plötzlich bemerkst, dass du im Hotelzimmer, das du als das deinige angesehen hast, nicht alleine bist.

3 Kommentare:

solo hat gesagt…

naja so pingelig bin ich nicht, aber ich glaube mehrbettzimmer will ich nie wieder. weil die leute da nie zur ruhe kommen. immer geht da einer ins bett, aufs klo oder steht auf. die ganze nacht.

hehe in einem hotelzimmer in nancy ville, das hatte ich allein, waren fette dunkelrote flecken auf dem teppich. ich habe gehofft, das es rotwein ist.

lg solo

kopffüßelnde hat gesagt…

Hotelzimmer werden ja generell überbewertet. Aber Hotellobbys mag ich sehr.

amadea's world hat gesagt…

mehrbettzimmer geht gar nicht. und wenn ich auf fortbildung fahr, dann besteh ich auf einzelzimmer. sonst reis ich ab. die meinen, als lehrerIn ist es nicht tragisch, mit jemandem fremden gemeinsam im zimmer zu sein. I hate that.

fusserl - aber wenn ich da so sitz, in der lobby, bin ich immer irgendwie verloren und überfordert. aber ich bin vermutlich selten in hotels mit interessanter lobby.