Sonntag, September 27, 2009

itaka, depperte


Weg. Sie ist weg! Die Geldbörse ist weg, Lo. Und die Bankomatkarte auch. Die war drinnen.
Ja, ja. Wieder einmal. Heute ist sie schon das fünfte Mal weg.
Dieses Mal ist sie weg, schau doch.
Ich leere den Inhalt meiner alten, braunen Handtasche auf den Boden des Geschäftes.
Sie ist nicht da.
Lo bezahlt die Briefmarken, die ich gekauft habe. Ich bin genervt.
Ich hab sooo aufgepasst Lo. Alle drei Reißverschlüsse sind offen! Wann ist das passiert?
Okay, alles der Reihe nach. Ich ging nach vor, während du in das kleine Geschäft gingst. Das neben dem Musikladen. Wo war das?
Da um die Ecke.
Wir gehen hin und fragen. Die Verkäuferin weiß nichts.
Mich hat ein Mann angerempelt, Lo. Als ich über die Piazza ging. Du warst drüben im Eck vor dem Schaufenster, erinnerst dich? Ein Mann hat mit zwei Kindern Fangen gespielt und die rempelten mich an. Ich war überrascht, verärgert und stellte mich so hin.
Und ich zeige Lo, wie ich dastand. Arme zur Seite, Körper geöffnet.
Und dann muss ein Vierter da gewesen sein, der die Geldbörse nahm. Und alle drei Reißverschlüsse der Tasche öffnete! Der Mann sah ganz normal aus. Wie ein Vater. Gar nicht wie ein Dieb.
Mich haben die auch schon angerempelt, genau! Ich dachte mir noch, komisch.
Ja, das dachte ich mir auch.
Und ich hab ganz instinktiv meine Tasche festgehalten. Mit beiden Händen. Die machen das sicher mehrmals am Tag.
Die Kellner des Restaurants müssen das doch sehen.
Die stecken alle unter einer Decke. Mafia. Eh klar. Die entkommen uns nicht, Amadea. Morgen setzen wir uns hier her und bestellen was zu trinken. Und dann warten wir, bis die wieder kommen.
Wer weiß, ob die da nochmals kommen. Die sind ja nicht dumm.
Die kommen auf jeden Fall. Wir setzen uns hier her, warten und wenn sie kommen, rufen wir die Polizei.
Alle drei Reißverschlüsse offen, unglaublich. Und dann nur die Geldbörse genommen. Das sind Profis. Dabei hab ich extra die ganz kleine genommen. Sonst ist alles noch da.
Das sind ganz ausgefuchste. Die machen das mit Hypnose. So schnell kannst gar nicht schauen. Keine Chance hast du da. Du kennst doch eh die Zauberer, die man manchmal im Fernsehen sieht. Die, die den Leuten die Armbanduhr runternehmen, ohne dass die es merken.
Sehr ausgefuchst. Scheiße, keine Bankomatkarte mehr. Und was wenn nun mein Konto leer geräumt ist?
Nein, mit Bankomatkarte geht das nicht. Nie und nimmer.
Wer weiß, wie ausgefuchst die sind. Lo, ich rufe heute noch den Tom an von der Raika an. Der soll mein Konto sperren lassen. Und warum haben die genau mich ausgeraubt? Alle drei Reißverschlüsse offen ! Alle drei!
Naja, du schaust schaust ziemlich wohlhabend aus. Kamera in der Hand, toller Schal und die Pailletten da.
Das T-Shirt hat 5 Euro gekostet, Lo. Factory-Outlet und Ausverkauf.
Trotzdem schaust reich aus, die Sandalen schauen auch teuer aus.
15 Pfund, Lo. Die sind aus Camden. Alles billiges Zeug.
Die Handtasche?
Okay, die war a bissl teurer, aber auch nicht wirklich. Aus dem EZA Laden. Da ist nichts exklusiv, gar nichts, Lo.
Ich brauch nun einen Drink. Gehen wir einen Aperol trinken.
Ich hab keine Ruhe, Lo. Ich ruf nun den Tom an. Der muss mir sagen, ob mein Geld noch am Konto ist.
Mein Gott, Amadea, du bist hysterisch. Den kannst nun nicht mehr anrufen. Schon halb zwölf. Egal. Ich ruf an.
Tom klingt verschlafen.
Deppate Itaker, sagt er. Was fahrt ihr auch nach Italien? Mach dir keine Sorgen, Amadea. Ich überprüf das morgen. Und nun gute Nacht.
Ich glaub, er war schon im Bett, so grantig wie der war.
Klar. Andere Leut arbeiten ja.
Nerv mich nicht schon wieder, Lo.
Wann hab ich dich je genervt?
Während der Anreise. Du weißt schon.
Sie wusste.

Lo als Beifahrerin. Was Anstrengenderes als sie gibt es nicht. Die ganze Zeit Bemerkungen wie: Nicht so schnell. Brems doch. Pass auf, da vorne. Hast den Laster nicht gesehen?
Dabei sehe ich immer alles.
Lo, sei endlich ruhig, schrie ich genervt.
Nur weil du schreist, hast du nicht mehr recht, schimpfte sie zurück.
Fahr du wenn es dir nicht passt.
Lo fuhr nicht, weil sie Angst hat beim Fahren. Besonders in Italien. Stattdessen fuchtelte sie mit dem GPS herum, das eh nicht funktionierte. Die ganze Zeit über schimpfte sie abwechselnd mit mir und dem GPS.
So ein Graffl.
Ja, sag ich doch. Straßenkarte ist immer besser.
Du hast ja keine mit, Amadea.
Na, ich dachte, du bist die, die mir ansagt, wie ich fahren muss. Und ich besitze keine Straßenkarte, ich fahr nach Gefühl. Immer. Außerdem ist alles angeschrieben.
Du und dein Gefühl, jaja. Drum fahrst auch so wild.
Lo! Ich steig nun gleich aus. Halt nun endlich den Mund.
Lo hielt den Mund. Zwei Sekunden lang.
Gar keine Straße mehr da auf dem Kastl.
Eben, neumodisches Zeugs. Wo ich eh überall hinfind. Dauert halt ein Zeitl. Und sich ein bisserl zu verfahren gehört zum Abenteuer des Reisens.
Endlich waren wir vor dem Hotel angekommen. Das GPS hat es auch bemerkt. Es redete! Das erste Mal! Und zwar auf Italienisch!

Ich nippte an meinem Aperol.
Schön, gell, Lo. Das Flair und alles. Schön wär’s, wenn ich halt meine Bankomatkarte noch hätte.
Hör mit dem Gejammer aus, genieß lieber.
Ich kann nicht genießen, wenn ich kein Geld mehr hab. Wenigstens hab ich die Kreditkarte daheim gelassen. Na, das wär was, wenn ich die verloren hätte.
Mittlerweile war es Mitternacht geworden. Wir machten uns auf den Weg in unser Hotel.
Schön, die neue Handtasche, gell? Schön, dieses Violett, sagte ich zu Lo, als wir im Hotelzimmer waren.
Und da ist noch ein Extrafach, schau mal. Mit Reißverschluss.
Und Lo schaut.
Amadea.
Was?
Amaaaaaaaaaaaaadeaaaa.
Waaaaaaaaaaas?
Da ist dein Geldbörsel, du Wahnsinnige. In der neuen Handtasche. Und alles drin. Alles! Auch die Bankomatkarte.
Na sowas. Ich muss nochmals den Tom anrufen. Der wird sich freuen.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Scheeen, dass d. wida do bischt. teach

-K- hat gesagt…

That's a wonderful photo!