Samstag, Oktober 25, 2008

leckermäulchen


Was hatten Essen, Sex und Briefumschläge jahrelang gemeinsam?
Richtig, das Lecken.
Irgendwann wurden selbstklebende Briefumschläge erfunden. Das war schon etwas Besonders, einen Brief zu schreiben, ihn in einen Umschlag zu stecken, diesen abzulecken und ihn dann zu verschließen.
Vor allem zu Weihnachten.
Nach dem Lecken von achtzig Umschlägen war ich komplett fertig. Mein Mund war ausgetrocknet, ich hatte Kopfschmerzen und brauchte danach zwei Liter Wasser weil ich total dehydriert war. Ich hatte ja keinen Hund, der das für mich erledigte und auch keinen französischen Liebhaber.
Außerdem lecken Liebhaber, nicht nur französische, lieber anderes als Briefumschläge.
Was, fragst du? Eis natürlich.
Eis lecken ist eines der schönsten Dinge überhaupt. Es gibt Menschen, die Eis beißen. Und kauen. Denen entgeht Grundlegendes.
Richtiges Lecken kann man übrigens trainieren. Am besten an einem Faschingskrapfen. Aber nur an einem, der mit dieser ganz fein passierten Marillenmarmelade gefüllt ist. Nein, du darfst nicht zuerst den Staubzucker ablecken, du Schweindl. Dann ist der Faschingskrapfen feucht wie ein Putzfetzen. Du beißt einmal ab, nur soviel, dass die Marmelade ein klein wenig zu sehen ist. Dann machst du deine Zunge ganz spitz und leckst die Marillenmarmelade heraus.
Du kannst das nicht, sagst du? Klar, kannst du das nicht. Das gehört geübt, jahrelang.
Es ist ja so eine Sache mit dem Lecken. Obwohl wir alle gern lecken und auch alles Mögliche, ist es unschicklich, es in der Öffentlichkeit zu tun. Nicht mal seinen eigenen Daumen darf man lecken geschweige denn den eines anderen.
Du darfst nicht einmal die Schokolade von einem Keks herunter lecken, außer du bist ein Hund. Dabei ist das doch ein solcher Genuss!
Lecken üben musst du ganz heimlich, zu Hause in deinen vier Wänden. Öffentlich an anderen Leuten zu lecken geht gar nicht.
Für das Lecken an anderen Personen gilt folgende Lecktion: Lecke niemals an einer Person, die du vorher nicht geküsst hast. Auch nicht im Büro und auch nicht wenn du die Person schon irgendeinmal heimlich geküsst hast.
Wenn du dann doch einmal an einer Person leckst, dann schließe deine Augen und konzentriere dich. Du wirst dich wundern, was du alles schmeckst – von süß bis salzig, alles wirst du schmecken. Du wirst schmecken, ob die Person am Abend zuvor einen Schweinsbraten gegessen hat oder Knoblauchbrot. Oder ob sie gerade zuvor mit dem Apfel- oder Orangen-Badesalz gebadet hat. In dem Fall ersetzt das Lecken eine Portion Obst.
Die Zunge ist in der heutigen Zeit eine Gefangene des Mundes. Sie muss drinnen bleiben. Immer. Außer du hast eine Halsentzündung und bist beim Arzt.
Das war nicht immer so. Früher haben die Leute ihre Teller abgeleckt. Das ersparte das Abwaschen.
Lecken ist nach wie vor ein wichtiger Bestandteil der Erotik. Aber übertreib es nicht, das kann gefährlich sein.
Leck nicht den ganzen Rücken deines Geliebten ab, vor allem nicht, wenn er einen breiten hat. Du streichst ja keine Wand und außerdem verlierst du zu viel Flüssigkeit und bekommst Kopfweh.
Übrigens – Wissenschaftler haben kürzlich die Ursache von Migräneanfällen bei Ehefrauen herausgefunden. Sie haben zu viel geleckt. An ihren Ehemännern.
Der krankhafte Drang, überall zu lecken ist gar nicht so selten verbreitet. Man nennt diese Krankheit Lecksikon. Menschen, die daran leiden, sind geistig etwas zurückgeblieben. Man nennt sie Lecktoren.
Vor einigen Jahren wurde die Lebensgeschichte eines solchen Menschen verfilmt, und zwar mit großem Erfolg: Hannibal Lecktor.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Teller ablecken? Aber ja! ...

P.S.: In CH ist es auch in der Öffentlichkeit üblich, den leeren Teller mit Brot abzuwischen, welches in Restaurants speziell zu diesem Zweck bereitgestellt wird. Dies ist allerdings kein Lecken mehr im eigentlichen Sinne, mehr eine abstrahierte und kultivierte Form.

Anonym hat gesagt…

E-lecktrisierend, deine Geschichte. Und sowas am Samstagmorgen. Jo mi leggst!

Briefmarken hab ich früher immer gern geleckt, vor allem die für Ansichtskarten aus dem Urlaub. Die österreichischen Marken haben übrigens immer besser geschmeckt, als die italienischen.

Anonym hat gesagt…

wie gern leck ich die briefmarken von liebesbriefen an, um sie dann in besonderem gestus mit einer fingerspitze anzuschmiegen. sehr intim ist das. und wenn man dann gerade noch ein gläschen rotwein getrunken hat, dann ists eine richtige sauerei, aber schön.

amadea's world hat gesagt…

t.m. - als kind hab ich das immer gemacht - teller ablecken. und meine eltern schimpften nie. schön, nicht?

ub - ich habe als kind im stiegenhaus die kalkwand abgeleckt. meine eltern waren wirklich besorgt. aber den geschmack hab ich immer noch im mund. irgendwie frisch wie ein kaugummi. ich würd das eigentlich gern wieder mal tun. aber kalkwände gibt's bei uns nur noch in kuhställen.

ja, schneck !!!
ich habe das auch gemacht mit den liebesbriefen. jetzt, da du es schreibst, fällt es mir wieder ein. ja, und sehr intim war das. was besonderes. mit genuss hab ich den umschlag und die briefmarke abgeleckt.
und ich hab auch immer parfüm von mir reingesprüht.
beim emailen gibt's nix mehr zu lecken. schade eigentlich.

Anonym hat gesagt…

Lecker Text (tschukdigung das drängte sich auf)!
Ach Liebesbriefe und Rotwein, in blumenverwandelte Tropfen und Parfum und Tränen und Parfum und dann das zärtliche Ablecken zum Versiegeln und die hingeleckte Briefmarke...in der Kanzlei meines Vaters durfte ich als Kind manchmal die Briefe frankieren - ich leckte die Marken lieber als die Markenbefeuchter zu benutzen. Danke, amadea für die Sinnes auffrischung.

JMH hat gesagt…

Incredible you could say so much about licking.

amadea's world hat gesagt…

Das freut mich, katiza - dass du durch mich aufgefrischt wurdest.

hihi,jmh. I am sure you could write a lot more ;-)

Zechbauer hat gesagt…

leckeres Mäulchen würde auch passen.