Sonntag, Oktober 21, 2007

immer ist was


Die beste Zeit, ein Problem anzupacken, ist die Zeit vor seiner Entstehung.
R. Freimann.

Diesen Satz lese ich heute in dem weisen Buch, das auf dem Kasterl am Klo liegt und für jeden Tag einen guten Spruch parat hat.
Ist das nicht ein wunderbarer Satz?

Es war heute nach dem Frühstück. Ich sitze gemütlich auf der Couch und schaue aus dem Fenster. Plötzlich sehe ich ganz weit drüben, am Horizont, ein Problem entstehen. Nun könnte das ja irgendjemandes Problem sein. Ich will das nun genau wissen. Also hole ich das Fernglas und schaue mir das gerade entstehende Problem an. Ich erkenne sofort, dass es mein Problem ist.
Ich weiß, wie meine Probleme aussehen.
Meine Probleme haben diese eigenartige, undefinierbare Farbe. Eine Mischung aus regentaggrau, bundesheergrün und dreckigbraun.
Die Form der Probleme ist auch eigenartig und undefinierbar. Eine Mischung aus Misthaufen und Knödel.
Das Problem ist noch ganz klein. Ich nehme mein Fernglas weg vom Aug’ und denk nach. Es fällt mir nichts ein. Nun sehe ich das Problem schon mit freiem Auge. Es kommt näher und wird immer größer. Ich nehme das Fernglas und schaue es nochmals genau an. Und da sehe ich, dass es mir zublinzelt, mein Problem. Mein Problem hat keine Augen. Es kann aber trotzdem blinzeln. Das ist nichts Ungewöhnliches.
Mit dem Herzen kann man auch schauen.
Gut sogar.
Kennst du nicht den Spruch vom Saint-Exupery? Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Mein Problem blinzelt - in der Art - Hey, bald bin ich bei dir. Dann bin ich dein. Und ich blinzele zurück - in der Art - Nein, du passt mir heute nicht in meinen Tagesablauf. Kannst du nicht nächste Woche kommen? Dann ist es ruhiger.
Aber mein Problem sieht das Blinzeln nicht weil es nach wie vor beschäftigt ist mit Entstehen. Mein Problem wird nämlich nicht nur durch Näherkommen größer sondern auch durch Entstehen.
Aber heute hatte ich Glück. Großes Glück.
Ich stand schon eine Zeitlang am Fenster und schaute meinem Problem beim Entstehen zu. Ich hatte mir vorgenommen, es zu packen so lange es noch klein war, als ich merkte, dass es gar nicht mein Problem war.
Es war das Problem der Nachbarin. War ich erleichtert!
Als sie an meiner Tür läutete und ich aufmachte und sie zu mir sagte: Amadea, wir haben ein Problem, da nahm ich sie mit zum Fenster, reichte ihr das Fernrohr und sagte: Frau Nachbarin, schauen’S genau. Das ist nicht unser Problem. Das ist Ihr Problem. Damit hab’ ich nichts zu tun.
Und sie sah, dass es ihr Problem war.
Und nun muss sie den Parkschaden an meinem Auto bezahlen. Schließlich ist sie angefahren und nicht ich. Mein Problem ist das nicht. Sie wird mein Auto morgen in die Werkstatt bringen.
Vor zehn Minuten schau’ ich wieder so aus dem Fenster, nichts ahnend und zufällig hin zum Horizont und was seh’ ich da?
Ich sehe schon wieder ein Problem entstehen!
Ein regentaggraubundesheergründreckigbraunes Problem, das aussiehst wie ein Misthaufenknödel.
Ganz klein noch, aber eindeutig mein Problem.
Ich muss es anpacken. Bevor es zu groß wird. Sofort.
Das Problem heißt: Morgen kein Auto um in die Schule zu fahren.
Ich muss also zu Fuß gehen. Es hat einen halben Meter Schnee. Ich muss dreißig Hefte schleppen und zwei Mappen. Dann noch die Englischbücher. Da brauche ich eine Dreiviertelstunde, bis ich in der Schule bin. Ich muss noch was kopieren. Um dreiviertel acht habe ich Gangaufsicht.
Das heißt, ich muss um halb sechs aufstehen.
Um halb sechs aufzustehen, wird schwierig. Ich treffe mich heute mit ein paar Leuten. Eine Freundin und ich hatten letzte Woche Geburtstag und wir wollen ein wenig nachfeiern.
Das darf man, habe ich gestern gelernt. Man darf Geburtstage nachfeiern, solange man kein Sauerkraut isst. Ich habe gestern sehr viel gegessen. Aber Sauerkraut war keines dabei.
Gestern war ich nämlich auf einer Megageburtstagsfeier in Salzburg. Die hat bis zwei Uhr gedauert. Und dann noch heimfahren. Ich kam erst um drei ins Bett.
Und vorgestern erst um eins. Weil da habe ich meinen Geburtstag gefeiert.
Und vorvorgestern wurde es auch spät.
Immer ist was.
Jeden Tag war was. Und sogar am Wochenende. Die ganze Woche war was.
Morgen verschlafe ich bestimmt. Auch wenn ich den Wecker stelle. Auch wenn ich zwei Wecker stelle.
Wenn ich mich verschlafe, dann wird das den ganzen Tag nichts mehr.
Weil dann kann ich nicht in Ruhe frühstücken. Und wenn ich nicht in Ruhe frühstücken kann, dann bin ich ein Problem. Für die anderen. Probleme packt man an.
Und bevor mich jemand anderer anpackt, pack’ ich mich selbst an.
Das heißt konkret: Ich bleibe morgen zu Hause.
Ein kluger Mann, dieser R. Freimann.

7 Kommentare:

saxana hat gesagt…

Sehr kluger Entschluss. Geht aber nicht. Die Kinder werden dich so sehr vermissen, dass du wieder ein Problem haben wirst.

Anonym hat gesagt…

Ähm, also, das heißt für mich: allerhöchste Eisenbahn, Dir nachträglich zum Geburtstag zu gratulieren?! Herzlichste Glückwünsche, liebe Amadea, gefeiert hast/wurdest Du schon, egal, mach es Dir weiterschön, solang Du eben auf Sauerkraut verzichten kannst. Umarmung vom Fusserl

Anonym hat gesagt…

(ich war eine woche bei der 'verbotenen liebe' und dann habe ich die leute von der puzzle produktion kennen gelernt und dann war ich in den herbstferien zwei wochen da... ich sag dir: privatfernsehen ist sowas von bescheuert. zum glück machen die auch mal was für 3sat und kika...)

saxana hat gesagt…

Von mir auch noch herzlichen Glückwunsch zum Waagegeburtstag.

amadea's world hat gesagt…

Alles nur erfunden, saxana. Klar geh ich in die Schule. Ob die mich vermissen? A bissl vielleicht :-).


Danke euch beiden, saxana und fusserl - für die Wünsche. Mag ja Geburtsta nicht sooo gern. War aber doch nett. Alle waren so lieb.

Du hast darüber eh schon mal geschrieben, gell roman? In welchem Sender läuft das? Kann ich das hier in Österreich auch sehen?

hannamaja hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
hannamaja hat gesagt…

nächstes mal wenn dein problem am horizont auftaucht, dann nimm dein fernglas verkehrt. da schrumpft das problem auf ganz einfache weise und wird niedlich klein und weit weit weg. selbst, wenn es schon angekommen ist bei dir, kannst du es auf diese weise behandeln: mit verkehrtem fernglas schrumpfen und verniedlichen. in dieser verminderten größe lässt es sich beim verdrängen viel leichter verstauen.
ich hab mich übrigens jetzt zu einem VHS kurs angemeldet:
"verdrängen leicht gemacht- schizzophrenie für anfänger"
anna