Montag, August 06, 2007

das souvenir


Mein Koffer liegt am Boden mit offenem Maul, unausgepackt, und starrt mich an.
Räum mich aus, sagt er.
Ich liege auf der Couch mit offenem Mund, gähnend, und starre ihn an.
Später, sage ich.
Plötzlich sehe ich, dass zwischen den Kleidern und Schuhen, die aus seinem Mund quellen, sich etwas bewegt. Es ist ziemlich groß. Es gehört nicht hier her. Nicht in meine Wohnung.
Ein riesiger Käfer mit riesigen Fühlern, dunkelbraun, groß.
Mein Koffer hat noch immer sein Maul offen, er schaut gelangweilt.
Ich auch, aber ich schaue entsetzt.
Eine Küchenschabe!
Da kriecht eine riesige, grausliche Küchenschabe über meinen Boden. In Windeseile. Ich liege noch immer auf der Couch. Reglos. Nicht fähig, mich zu bewegen. Panik. Was mach ich nun? Ich kann da nicht runter mit den Beinen. Nicht auf den Boden. Nicht dahin, wo diese Schabe krabbelt, dieses Untier.
Diese Küchenschabe habe ich eingeschleppt. Unwissentlich. Die hat sich bei mir im Auto eingenistet undversteckt. In der Stille der Nacht hineingekrabbelt in mein Auto und in den Koffer.
Das war eine Verschwörung. Klar, nun weiß ich auch, warum diese Fensterputzer ständig um mein Auto herumgeschlichen sind. Die wollten gar nicht mein Fenster putzen. Nein, sie waren alle Mitglieder der Mafia.
Der Küchenschabenfensterputzermafia.
Ja, genau so war das.
Fenster putzen, mich ablenken, mich zum Geldwechseln schicken und währenddessen einen blinden Passagier in mein Auto schmuggeln.
Und den Koffer haben sie auch rumgekriegt. Der war auch beteiligt.
Ich schaue ihn an. Er schaut gelangweilt.
Wenn ich mir das vorstelle! Ich saß vermutlich stundenlang neben diesem Untier. Und diese Schabe hat mich die ganze Zeit beobachtet, während ich heimfuhr. Die saß da irgendwo am Rücksitz und beobachtete mich heimlich. Oder am Boden und schaute mir unter den Rock. Oder an der Decke und schielte in meinen Ausschnitt. Vermutlich ist sie mir ganz nahe gekommen, hat mich berührt mit ihren Fühlern, mit ihren Beinen, ohne dass ich etwas bemerkt habe.
Klar bemerkst du nichts wenn du konzentriert fährst und die Musik laut dröhnt.
Und irgendwann, kurz vorm Ziel muss sie in meinen Koffer geschlüpft sein.
Ja, genau, an der Tankstelle. Da war ich schon in Österreich. Da holte ich mir die anderen Schuhe aus dem Koffer.
Und da ist sie hinein. Blitzschnell. Und der Koffer hat bereitwillig sein Maul geöffnet. Na toll. Ich schaue ihn an. Er schaut weg. Und nun krabbelt diese Schabe da herum. Auf meinem Boden.
Was mach ich nur? Ich muss sie töten. Aber wie? Ich habe Angst.
Ich schaue zum Koffer. Das hast du mir eingebrockt. Nun hilf mir.
Er hilft mir nicht. Sein Maul ist noch immer offen. Er grinst.
Grins nicht so blöd. Ich weiß schon Bescheid über dich.
Klapp. Sein Maul schnappt zu.
Nun tut der auch noch beleidigt. Eine Frechheit ist das. Der braucht nun gar nicht so beleidigt tun. Der hätte auch was unternehmen können. Der hätte dieses Untier einklemmen können und zerquetschen. Der ist ja gut im Einklemmen. Jedenfalls bei mir. Hat ja mich auch schon einige Male gezwickt.
Jedenfalls kommt er nicht mit das nächste Mal. Auf keinen Fall. Ich nehme seine schwarze Cousine, die Reisetasche mit.
Die Küchenschabe krabbelt nicht mehr. Sie sitzt. Nur ihre Fühler bewegen sich. Mit erhobenem Kopf sitzt sie da. Was macht sie? Überlegt sie? Hat sie Pläne? Oder ist sie verwirrt?
Ich muss diesen Moment nützen. Carpe momentum.
Ich greife ganz langsam nach den Illustrierten.
Der Koffer starrt mich an. Halt ja dein Maul, flüstere ich ihm zu.
Ich merke, dass er beleidigt ist. Der sagt nun nichts mehr, das spüre ich.
Ich hole aus mit meiner ganzen Kraft aus und schleudere die Illustrierten auf das gepanzerte Untier. Wie ein Donnerschlag.
Der Koffer zuckt zusammen. Sein Maul klappt wieder auf.
Ich stehe schnell auf und springe auf die Zeitschriften. Hüpfe auf und ab. Mehrmals. Nun ist sie tot. Nun ist sie bestimmt tot, die Schabe.
Der Koffer schaut mich noch immer an. Schon wieder scheint er zu grinsen.
Hör sofort auf, rufe ich ihm zu, sonst bist du der nächste.
Er schließt die Augen und ächzt ein wenig.
Es ist ruhig. Die Illustrierten liegen am Boden. Darunter, irgendwo die Küchenschabe. Ich wage nicht, nachzusehen.
Der Koffer liegt auch da wie leblos. Ich gehe ins Bett.
Am nächsten Morgen räume ich den Koffer aus. Die Illustrierten liegen noch immer da.
Schau schon nach, raunt er mir zu.
Halt dein Maul, du kommst gleich in den Keller.
Ich hebe vorsichtig die Zeitschriften hoch.
Da liegt sie. Zerquetscht, platt, die Fühler daneben. Zwei ihrer Beine auch.
Mitleid hab ich keines. Ich hole den Staubsauger und sauge sie weg.
Als ich den Koffer in den Keller trage, flüstert er mir zu:
Du hysterisches Weib, du hysterisches. Weißt du eigentlich, dass ich jedes Jahr ein kleines Souvenir mitnehme? Vorigen Sommer war es die Eintagsfliege. Zu Ostern die Spinne. Vielleicht im nächsten Jahr eine kleine Schlange, wer weiß? Lass dich überraschen.

3 Kommentare:

saxana hat gesagt…

Vor einigen Nächten kitzelte mich etwas unter der Bettdecke. Ich schlug sie zurück und was war es? Ein grüner Grashüpfer.

Anonym hat gesagt…

bei dir lesen ist immer a bissl wie urlaub. danke!

amadea's world hat gesagt…

Grashüpfer werden nachts manchmal zu Betthüpfern, saxana.


Fusserl, du Schatzi.