Freitag, Juli 06, 2007

würg, würg


Nun hatte ich wieder mal ein Date mit meinem Zahnarzt.
Mein Zahnarzt ist ein wirklich attraktiver Zahnarzt.
Er hat einen klingenden italienischen Namen, aber er sieht nicht wie ein Italiener aus. Er hat schon etwas Italienisches, aber nicht auf den ersten Blick.
Ich finde ja italienische Männer in keinster Weise attraktiv. Die meisten sind zu klein, zu behaart und zu aufbrausend. Und sie reden zu viel. Und da ich auch viel red, ginge das gar nicht, ein viel redender Italiener.
Mein Zahnarzt redet auch viel. Das macht aber nichts, weil ich, wenn ich auf seinem Stuhl sitze, eh nichts rede. Weil ich da eh die ganze Zeit den Mund offen habe. Offen, ohne zu reden.
Unlängst sagte er zu mir: Frau Amadea, Sie haben ein Zahnfleisch wie eine Zwanzigjährige.
Hätte ich nicht den Sauger im Mund gehabt, ich hätte ihn geküsst.
Naja, vermutlich hätte ich ihn doch nicht geküsst. Einen Zahnarzt zu küssen, ist sicher schwierig. Ich würde immer daran denken, ob ich ja richtig geputzt hätte und die Zahnseide alle versteckten Winkel und Ritzen erreicht hat. Und ich würde mir auch immer denken. Der spürt nun sicher mit seiner Zunge, dass ich heute Mittag Curry gegessen habe. Ich wäre da nicht entspannt, glaube ich.
Aber darüber mache ich mir nun wirklich keine Gedanken, weil ich bin mir sicher, dass ich nie einen Zahnarzt küssen werde.
Als er das mit dem Zahnfleisch zu mir sagte, grinste ich so breit, dass mir beinahe der Sauger heraus gefallen wäre.
Ich antwortete mit offenem Mund: Ganke, Herr Gokgor.
Und gleich danach sagte er – Frau Amadea, ich habe den Eindruck, Sie sind heute psychisch gut drauf, da könnten wir den Weisheitszahn ziehen.
Ich schüttelte den Kopf. Ungefähr zwanzig Mal. Aber er sah das nicht, weil er gerade seine Instrumente ordnete.
Also sagte ich: Nein, gach geht gar nicht heuk, Herr Gokgor! Ur Munghygiene euge! Und schon kurbelte er am Sessel. An meinem.
Der Sauger rutschte in meinen Rachen. Da lag ich nun. Kopfüber, die Beine hoch in der Luft. Das mit der Mundhygiene ging ganz gut. Die Assistentin kannte mich schon. Eigens wegen mir hatten sie dieses spezielle Mittel besorgt. Das, welche die Leute bekommen, deren Magen verspiegelt wird.
Bevor sie begonnen hatte, die Assistentin, hatte sie ihren Chef gerufen: Spritzen Sie das rein, bitte. Ich kann das nicht, glaub ich.
Sie meinte eigentlich, dass sie das bei mir nicht könne.
Schon stand er da. Mund auf, Frau Amadea.
Ein Spritzer und mein Rachen quoll auf wie ein Germknödel. Ich hustete und prustete, nahm den Sauger aus dem Mund und röchelte.
Spülen, bitte, spüüüüüüüülen.
Der Sessel sauste nach vor. Die Assistentin hatte Angst, ich spürte es. Ich spülte und spülte, aber der Germknödel blieb. Er ging sogar noch ein wenig mehr auf.
Nun haben wir ja noch gar nichts gemacht, Frau Amadea.
Sehr witzig. Und ich kann mich nicht mal richtig verteidigen. Mit dem Germknödel im Hals. Ich atmete tief durch.
Ech geht wieger, sagte ich. Eine Tortur. Ich schnaufte und schwitzte. Meine Hände zitterten, meine Füße waren kalt.
Die Assistentin machte weiter. Es ging ganz gut. Ich hatte nur fünfmal einen Würgereiz. Das ist nicht viel. Es gab Zeiten, da hörte ich bei neunundachtzig zu zählen auf.
Wir müssen noch eine Röntgenaufnahme machen, Frau Amadea.
Oje, sagte ich. Ich gachge, ich bin chergig. Ich glaug, chür eine Rönggenauchnahnge gin ich chu chwach. Es hörte mir keiner zu.
Schon war die Assistentin das mit der Klammer und dem Plättchen drauf. Mund auf, weit auf. Ich machte den Mund auf, ich machte ihn weit auf. Die Asstistentin schob ein Plättchen in meinen Mund.
Würg, würg, wüüüüüüürg. Ich hatte Tränen in den Augen und hustete.
Spüüülen, rief ich. Spüüüüülen!
Herr Doktor, probieren Sie bitte, sagte die Assistentin verzweifelt.
Frau Amadea, nun reißen Sie sich zusammen.
Du Aff, du italienischer. Ich reiß mich ja zusammen, glaubst, ich mach das zum Spaß? Zusammenreißen geht nie. Es geht nur entspannen. Und wie kann sich einer da entspannen?
Haben sie den Würgereiz auch beim Küssen? Er grinste.
Nein, den habe ich weder beim Küssen noch sonst irgendwann, du Aff’, den habe ich nur bei beim Zahnarzt.
Ich will da raus, so schnell wie möglich.
Achn’S, lallte ich.
Er machte. Das heißt, er versuchte, zu machen. es ging nicht.
Wüüüüüüüüüüürg, wüüüüüüüüürg.
Spüüüüüüüüülen, spüüüüüüülen, schrie ich und riss den Sauger raus.
Der Sessel surrte und war wieder in der aufrechten Position.
Ich spülte und spülte.
Schauma mal, vielleicht hamma eh schon ein Foto, sagte die Assistentin.
Sie schauten.
Ich wusste, dass da kein Foto war. Weil das Plättchen war nur ein kleines Stückerl in meinem Mund gewesen. Und der Weisheitszahn war ganz hinten.
Diese Tortur. Debei bin ich eigentlich gar nicht empfindlich. Es macht mir nichts aus, eine Spritze zu bekommen, es macht mir nichts aus, wenn der Zahnarzt stundenlang bohrt. Aber vorne. Vorne bohren. Nicht zu weit hinten. Weil da geht gar nichts mehr.
Und ich spürte: Heute geht gar nichts mehr.
Der Zahnarzt saß erschöpft auf dem Sessel und sagte nichts mehr.
Die Assistentin hantierte an der Maschine. Herr Doktor, das Gerät ist ausgefallen. Ich jubilierte.
Ich habe das Gerät mental beeinflusst, sagte ich. Es ist ausgefallen, weil ich es so wollte.
Wir lassen das für heute, Frau Amadea. Aber ich sag’ Ihnen, wir müssen diese Röntgenaufnahme machen und den Weisheitszahl rausreißen.
Aber er ist ganz in Ordnung, der Weisheitszahn. Ich spüre ihn gar nicht. Ich will ihn behalten.
Sind Sie der Arzt oder ich? Wenn ich sage, er gehört raus, dann gehört er raus, schimpfte er. Sie haben nun eh bald Ferien und dann machen wir das.
Das geht auf keinen Fall, Herr Doktor, wie soll ich die Ferien genießen, wenn ich weiß, ich muss zum Zahnarzt? Wir machen das im Herbst. Am besten im November an einem trüben Tag.
Sie stures Weibsbild. Typisch Lehrerin.
Lassen'S diese Verallgemeinerungen, ich sag ja auch nicht "Typisch Zahnarzt", obwohl sie ein typischer sind.
Wie meinen Sie das nun?
Denken Sie nach. Und wenn sie ein Ergebnis haben, so sagen Sie es mir. Im Herbst. Dann wenn der Weisheitszahn drankommt.
Dann müssen’S aber ordentlich putzen. Bis dahinten hinein putzen. Ganz zurück mit der Zahnbürste.
Gott sei dank, er hat nachgegeben.
Ja, das mach ich. Ganz bestimmt, Herr Doktor. Ehrenwort.
Dass es mich auch würgt, wenn ich mit der Zahnbürste da hinten putze, sage ich ihm nicht. Ein bisschen putzen geht schon. Und nach dem Putzen gleich küssen. Das reinigt auch.

3 Kommentare:

hannamaja hat gesagt…

deine zahnarztgeschichten sind so gut geschrieben, wie sie grausig zu lesen sind, so grausig dass sie bei körperliche beschwerden verursachen - nahe am würgreiz. ich musste mich zusammenreißen beim lesen.
(h)annanym
p.s.: ich geh jetzt meditieren

Zechbauer hat gesagt…

Gagk kenn' igk. G'ausam!

hannamaja hat gesagt…

mir gehört zwischen bei und körperliche...