Mittwoch, Jänner 10, 2007

a peachy meal


Wir wollen zu Mittag essen.
Romana, Christin und ich.
Im Gasthof "Edelweiß". Da kann man gut bürgerlich essen.
Gute bürgerliche Küche ! So steht es draußen am Eingang.
Ich frage mich, was schlechte, bürgerliche Küche ist.
Romana, Christin und ich wollen zu Mittag essen. Und ich weiß, wann immer Romana dabei ist, dauert es ein wenig. Weil Romana ist kompliziert – wenn es ums Essen geht. Vor allem wenn es ums Essen in einem Restaurant geht.
Die Frau Chef bedient heute.
Die Frau Chef weiß, wie man die Kundschaft überredet, mehr zu essen oder zu trinken als die Kundschaft will. Die Kundschaft, die hier nicht ein- und ausgeht.
Die, die ein und ausgeht, und die Frau Chef kennt, die lässt sich nicht überreden.
Die Gäste, die sie nicht kennen, die essen und trinken immer mehr als sie wollen.
Sie ist überhaupt eine gute Geschäftsfrau, die Frau Chef.
Obwohl sie weiß, dass ich meinen Kaffee mit viel Milch trinke, füllt sie das kleine Milchkännchen immer nur zur Hälfte an.
Und ich sage dann jedes Mal: „Frau Wirtin, etwas mehr Milch, bitte.“
Obwohl sie weiß, dass ich jedes Mal mehr Milch verlange, probiert sie es immer wieder.
Mit einem „Entschuldigung, ich vergesse das immer“, bringt mir danach noch ein Milchkännchen halb voll.
Ich bekomme also jedes Mal, wenn ich Kaffee trinke, zwei Milchkännchen halbvoll.
Wenn Gäste Kaffee bestellen – deutsche Gäste bestellen manchmal nur Kaffee - bringt die Frau Chef immer ein Kännchen.
Und wenn die Gäste dann sagen: „Oh, eigentlich wollte ich nur eine Tasse Kaffee - viele Deutsche sagen 'eine Tass Kaffe' - dann entschuldigt sie sich mehrmals, die Frau Chef und sagt: „Das tut mir aber nun leid, ich tausche das sofort aus, ich wusste es nicht.“
Aber die Gäste sind ja großzügig und freundlich, winken dann ab und sagen: „Aber nein, das passt schon, trinken wir halt heut mal ein Kännchen, wir sind eh im Urlaub.“
Die Frau Chef lächelt dann, bedankt sich und bringt dann noch jedem einen Topfenstrudel und sagt: „Den müsst Ihr essen, der ist ganz frisch und wunderbar saftig.“
Natürlich verrechnet sie ihn. Aber freundlich lächelnd.
Bei den Einheimischen traut sich die Frau Chef das natürlich nicht.
Wir sitzen also da und studieren die Speisekarte. Ich bestelle Fisch mit Kartoffelsalat.
Nun ist Romana an der Reihe. „Frau Wirtin, was ist denn heute das Menü?“
„Heute haben wir Rostbraten mit Knödel und gemischtem Salat“.
„Knödel mag ich nicht. Könnte ich stattdessen gekochte Kartoffel haben? Sind beim gemischten Salat Tomaten dabei?“
„Ja“.
„Dann hätte ich statt der Tomaten gerne Gurken, bitte.“
„Gurken sind beim gemischten Salat dabei.“
„Okay, dann statt Gurken Bohnen. Oder doch lieber Fisolen?“
„Fisolen sind auch dabei.“
Ich mische mich ein. „Romana, überleg noch ein wenig und lass erst die anderen bestellen.“ Eigenartigerweise widerspricht Romana nicht.
Christin will Gemüselaibchen mit Champignonsauce und Salat.
Wir bestellen die Getränke, während Romana noch immer die Speisekarte studiert.
„Frau Romana, wissen’S nun, was Sie wollen“, fragt die Frau Wirtin.
Ja“, sagt Romana. „Was hast du bestellt, Christin?“ „Gemüselaibchen.“
„Frau Wirtin, könnte ich die Gemüselaibchen mit der Rostbratensauce haben?“
„Das geht auch. Aber glauben Sie nicht, dass die Champignonsauce besser passen würde?“
„Nein, ich mag Champignons nicht. Also, ich nehme Gemüselaibchen mit der Rostbratensauce und einen gemischten Salat ohne Tomaten, dafür mit weißen Bohnen.“
Ich bin überrascht, dass das heute so schnell ging.
Während wir auf das Essen warten, erzählt Romana, dass sie letzte Woche im Supermarkt um die Ecke Pfirsichkompott in Dosen gekauft hat. „Die waren gerade in Aktion. Und nun bring ich die Pfirsiche nicht unter.“Wieso bringst du die Pfirsiche nicht unter? Die musst du doch nicht in den Kühlschrank stellen“, sagt Christin.
„Wer redet denn vom Kühlschrank. Ich bring sie nicht unter. Verstau du mal hundert Dosen Pfirsichkompott.“
„Hundert, du hast hundert Dosen gekauft? Warum denn das?“ frage ich.
Na ja, Aktion halt. Außerdem halten die ewig. Die verderben ja nicht. Ich esse nun schon seit voriger Woche fast nur Pfirsichkompott. Aber sie werden nicht weniger", sagt Romana.
Sie seufzt.
„Du könntest sie verschenken", sage ich. "Statt einer Weinflasche eine Dose Pfirsichkompott. Das ist originell.“
„Ja“, sagt Romana, „aber es hat sich noch nicht ergeben, das Verschenken. Weihnachten ist vobei und Geburtstag hatte auch niemand in den letzten zwei Wochen. Jedenfalls niemand, den ich kenne.“
Die Frau Chef serviert den Salat.
Wir beginnen zu essen. Romana nicht. „Warum isst du nicht?“ frage ich.
„Ich habe kein Joghurtdressing bestellt“, sagt sie.
„Der Salat kommt immer mit Joghurtdressing, sage ich, „außer du bestellst ein anderes. Du solltest das wissen, du bist ja nicht das erste Mal da“.
„Solch triviale Dinge merke ich mir nicht“, sagt Romana. Schon winkt sie der Frau Chef.
„Tut mir leid, Frau Wirtin, ich mag kein Joghurtdressing. Davon bekomme ich Sodbrennen.“
„Ich bringe Ihnen einen neuen Salat“, sagt die Frau Chef etwas genervt.
"Nicht mehr nötig. Ich habe es mir anders überlegt. Ich hätte gern Topfenknödel statt des Salates. Als Nachspeise. Geht das?“
„Für den Preis gibt’s aber nur einen Knödel“,
sagt die Frau Chef.
„Ein Knödel reicht mir eh. Aber bitte ohne Zwetschenröster, bitte, dafür mit Kompott.“
Die Frau Wirtin sagt nichts mehr und verschwindet in der Küche.
„Romana“, sage ich, „heute bist du wieder mal anstrengend.“
Romana sieht das anders.
„Der Gast ist König, und die Frau Chef sollte eigentlich wissen, dass ich kein Joghurtdressing mag.“
Ich sage nichts mehr.
Frau Chef serviert die Hauptspeise.
Ich bekomm meinen Fisch, Christin ihre Gemüselaibchen mit Chamginonsauce und Romana ihre Gemüselaibchen mit Rostbratensauce.
Wir essen.
Romana isst nicht.
„Warum isst du nicht?“ frage ich sie.
„Ich will zuerst den Topfenknödel“, sagt Romana. "Ich habe plötzlich so einen Gusto auf etwas Süßes.“
Ich beschließe, mich nicht mehr einzumischen und sage nichts.
„Deine Rostbratensaucegemüselaibchen werden kalt“, sagt Christin.
„Egal“, sagt Romana, „sind eh zu heiß. und die Frau Wirtin kann sie dann ja kurz in die Mikro stellen wenn sie kalt sind.“
Sie winkt.
„Frau Wirtin, ich hätte zuerst gern den Topfenknödel und das Kompott“.
Frau Wirtin pariert und serviert. Topfenknödel mit Pfirsichkompott.
Wir essen noch immer.
Romana isst noch immer nicht.
Sie winkt der Frau Wirtin, die gerade am anderen Tisch bedient.
„Wieso bekomm ich ein Pfirsichkompott? Da ist doch sonst immer Apfelkompott dabei."
„Die waren vorige Woche in Aktion im Supermarkt“, sagt die Frau Chef und widmet sich wieder den anderen Gästen.
Wir sind fertig mit dem Essen.
Romana fängt an.
Mit dem Topfenknödel.
Dann isst sie die kalten Gemüselaibchen mit Rostbratensauce.
Das Pfirsichkompott lässt sie stehen.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Topfenstrudel bitte, die grosse, nein, eine doppelte Portion!

(geht ganz schnell als Bestellung)

Anonym hat gesagt…

You have wonderful tolerance. I would have force-fed her. And I am a peaceful one.

Anonym hat gesagt…

ich hasse mich selbst für meine unentschlossenheit - bei jeder entscheidung ein stückerl mehr.

Anonym hat gesagt…

(ich konnte es, dann wurden mir die gröbsten genommen, und jetzt muss ich es wieder lernen. das entscheiden.)

uschi hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
uschi hat gesagt…

oh gott, mit der frau würd ich genau zweimal essen gehen: das erste und das letzte mal. unpackbar. sowas kann ich gar nicht leiden.
und die frau chef kann ich auch nicht leiden ...

die schreiberin kann ich sehr gut leiden - wunderbare geschichte ! ich komme wieder vorbei zum lesen, ganz sicher !

amadea's world hat gesagt…

Das ist nicht ganz ernst zu nehmen. Aber so ähnlich war das schon mit der Romana. Freut mich, dass dir die Geschichten gefallen. Leider kann ich in deinem Blog nicht lesen, uschi. Some restrictions.