Freitag, August 27, 2010
beauty is in the eye of the beholder
Ich sitze im Bahnhofrestaurant. Mein Zug fährt in dreißig Minuten.
Ich bestelle einen Kaffee und schaue mich um. Nur wenige Tische sind besetzt.
Neben mir sitzt eine dicke Frau.
Unglaublich.
Ich reibe mir die Augen.
Ein Riesenbusen hängt an ihr dran. Ein Monsterbusen.
Das ist der größte Busen, den ich je in meinem Leben gesehen habe.
Ich starre niemals auf weibliche Brüste, aber nun kann ich nicht anders. Weil sie eben auch dieses besondere T-Shirt trägt. Besonders ist in dem Fall ein überaus höflicher Audruck.
Auf dem T-shirt steht Je suis le King of Pop.
Okay, sage ich mir, sie ist ein Michael-Jackson-Fan und ich verzeihe ihr das. Sie kann wahrscheinlich nicht Französisch.
Der neue King of Pop sitzt neben einer anderen sehr übergewichtigen Frau deren Haar ganz kurz geschnitten ist. Die beiden reden nichts, sondern schaufeln Schokoladekuchen mit Schlagobers in sich hinein.
An einem anderen Tisch sitzt ein kleiner Bub mit dicken, roten Wangen, feistern Oberarmen und einem blonden Schopf.
Sein Vater, ganz das Ebenbild seines Sohnes, stopft ihm Gugelhupf in den Mund.
Als ich aufschaue, kommt eine weitere übergewichtige Frau ins Restaurant. Sie ist verschwitzt und völlig außer Atem.
Was um Himmels willen ist heute hier los? Wieso sind alle so dick?
Muss die Globalisierung sein.
Die Frau ist offensichtlich Amerikanerin. Ich erkenne sie an ihren speziellen Turnschuhen, die unsereins nur im Hochgebirge zum Klettern tragen würden. Sie trägt ein kariertes Hemd, an den Ärmeln aufgekrempelt und eine kurze, beige Hose mit riesigen Taschen. Aus einer Tasche ragt eine halbvolle Colaflasche.
Und –sie hat Hosenträger! Die erste Hosenträgerträgerin, die ich sehe!
Hosenträger kenne ich nur von netten alten Opas mit Schnürlsamthosen, die ständig Holz hacken und aufschlichten. Mein Vater hat auch Hosenträger – für seine Lederne.
Unfassbar, dieser Anblick. Rote Hosenträger, die links und rechts von ihren Brüsten verdeckt sind.
Während sie an mir vorbeigeht, sieht sie mich missbilligend an.
Was ist? Darf ich dich nicht anschauen? Darf ich nicht hier sitzen und meinen Kaffee trinken? Nein, wegen dir schaue ich nicht so entsetzt. Ich schau immer so.
Eine Zwanzigjährige kommt aus der Toilette.
Auf ihrem rosa T-Shirt steht: I am pretty. Das ganze T-Shirt voll mit pretty, pretty, pretty. In allen Farben und Schriften.
Das Problem – sie ist nicht hübsch. Sie hat zwanzig Kilos zu viel. Das T-Shirt ist viel zu eng und zu kurz, der Bauch quillt aus der Hose. Hüften zu ausgeladen, Haar zu blond-schwarz, Gesicht zu grob und Haut zu specking.
Kurz bin ich abgelenkt und denke nach.
Welche Message würde auf meinem T-Shirt stehen? Mir fällt nichts ein.
Ich schaue auf meine Uhr. Zeit zu gehen. Ich bezahle und verlasse das Restaurant.
Beim Hinausgehen hab ich ihn.
Den passenden Spruch.
Für’s T-Shirt. I apologize for staring at you.
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