Mittwoch, Mai 26, 2010

rosa


Vor einigen Tagen ging ich ins Dorfgasthaus zum Mittagessen.

Zwei Kollegen saßen da.
An meinem Tisch, also da, wo ich immer sitze, saß Rosa.
Nebenan Ferdinand, der Mathematiker. Er war in die Zeitung vertieft.

Rosa, auch Englischlehrerin, unterrichtet im Nachbarort. Sie geht nächstes Jahr in Pension. Ich weiß nie wirklich, was ich mit Rosa reden soll.
Aber es blieb mir nichts anderes übrig, als mich zu ihr zu setzen. Vor allem, weil sie mich erwartungsvoll anschaute und sich offensichtlich freute, mich zu sehen.
Sie hatte noch nicht bestellt und als der Kellner kam, entschieden wir uns beide für das Menü. Faschierte Laiberl mit Sauce, Reis und Fisolen.
Es gibt nur ein Thema, über das ich mit Rosa reden kann – Schule.
Der Kellner brachte das Essen. Sah alles wunderbar aus.
„Sag mal, Amadea, welche Klassenlektüre hast du denn in diesem Jahr in der Zweiten? Du hast doch auch die Zweite, nicht wahr?“ fragte sie, gleich nachdem wir zu essen begonnen hatten.
„Ja, wir lesen grad die Gespenstergeschichten.“
„Perfekt!“ rief sie.

Was sie danach sagte, hörte ich nicht mehr.
Weil, wenn du Reis im Mund hast und Perfekt sagst - Rosa hatte gerade Reis im Mund – dann ist es schwierig. Schwierig, den Reis im Mund zu behalten.
Und Rosa behielt ihn nicht im Mund, jedenfalls nicht alle Reiskörner.
Wie in Zeitlupe sah ich es, das Reiskörnchen, das eine. Das aus ihrem Mund flog und nach einem hohen Looping auf meinem Teller landete. Genauer gesagt, auf meinen Fisolen.
Rosa wusste auch, dass das Reiskorn irgendwo auf meinem Teller lag. Ich sah es an ihrem Blick. Aber wie so oft, wenn einem etwas Peinliches passiert, ignoriert man es.

Ich schaute Rosa an.
Ihr Blick sagte: Mach das Beste draus.
Und mein Blick sagte vermutlich: Du weißt, ich bin empfindlich in diesen Dingen. Red nicht mit vollem Mund.
Aber weil Blicke nicht reden sondern nur sagen, geschah gar nichts.
Rosa redete weiter. Aber ich hörte nicht mehr, was sie sagte.
Ich war geschockt. Ich starrte nur noch auf meine Fisolen. Rosas Reiskorn war da irgendwo.

Ich schaute die Fisolen genauer an. Da lagen Reiskörner. Vier oder fünf. Und welches war nun das aus ihrem Mund?
Ich kann die Fisolen nicht essen. Niemals! Wo ich eh so empfindlich bin. Ich kann kein Reiskorn aus Rosas Mund essen. Das geht nicht.

Als ich Rosa anschaute, sah ich, dass ihr Gesicht knallrot war. Ich glaube, ich habe gegrinst. Aus Verlegenheit. Ich mache das manchmal, so ganz unbewusst.
„Mein Gott, nun glaubt sie, ich lache sie aus“.
Rosa aß weiter und ich stocherte langsam in meinem Essen herum. Die Fisolen rührte ich nicht an.

Als ich aufschaute, sah ich, dass sie ganz ernst geworden war. Sie redete auch nicht mehr. Sie saß ganz zusammen gesunken auf ihrem Sessel.
Was, wenn sie nun wirklich beleidigt war? Sie war eh so empfindlich und gleich angerührt. Wortlos saßen wir da, sie essend, ich stochernd.
Ich aß weiter. Reis und Fleischlaibchen. Nachdem ich fertig war, legte ich das Besteck auf meinen Teller und wischte mir mit der Serviette den Mund ab.
Die Fisolen gemeinsam mit den vier oder fünf Reiskörnern hatte ich übrig gelassen.

Rosa war auch fertig mit dem Essen. Sie wirkte entsetzlich unglücklich und wich meinem Blick aus. Das konnte ich ihr nicht antun. Nein. Nicht ein Jahr vor ihrer Pensionierung.
Wer weiß, ob ich das wiedergutmachen konnte.
Sie würde das nie vergessen und vor allem nicht das Drama, das sich abgespielt hatte. Vor allem nicht meine Reaktion darauf!

Ich muss die Fisolen essen. Ich muss! Was macht das schon? Das bisschen Speichel aus dem Mund einer Kollegin. Das schadet doch nicht! Ich muss da durch.

Ich nahm mein Besteck und begann.
Als ich die Fisolen auf der Zunge spürte, passierte es. Ein Würgen, ein Husten. Uääägh...
Die Fisolen lagen wiederum da, wo sie vorher gewesen waren.
Nur dieses Mal mit etwas von meinem Speichel zusätzlich zum Reiskorn mit Rosas Speichel.

Ich legte das Besteck weg, wischte mir den Mund ab und die Tränen von den Wangen.

Just in dem Augenblick sah Ferdinand von seiner Zeitung auf. Er hatte sie wohl ausgelesen.
Hey, Amadea. Magst du keine Fisolen?
Nein, ..

Bevor ich noch was sagen konnte, stand er schon da und sagte: Darf ich? Ich liebe Fisolen.
Schon war er da mit einer Gabel, schnappte sich den Teller und aß in Windeseile alles auf.

Mahlzeit, stammelte ich. Rosa sagte nichts. Ihr Gesicht war nun grün. Fisolengrün.

2 Kommentare:

Phil hat gesagt…

*Igitt* - Genau so wäre es mir auch ergangen, bin beim Essen total pingelig :-|

Sag mal, hättest Du Lust, mal auf ner Bloglesung aufzutreten? Die Salzburger Fraktion aus meiner Blogroll bekommt da ja nix zustande gebracht und ich hätte für den 19.6. noch einen Platz frei ;-)

Wenn ja, maile mir einfach - würde mich freuen :)

amadea's world hat gesagt…

ja gern, phil. ich hab am 18. 6. eine lesung - am 19. bin ich frei. aber ich kenn deine emailadresse nicht, oder sollte ich?