Sonntag, März 23, 2008

die ederoma


Der Spruch, den ich als Kind in der Karwoche immer hörte – Nun fliegen die Glocken nach Rom - war mir ein Mysterium.
Ich hatte keine Ahnung, wo Rom war.
Wenn die Ederoma dann sagte - Rom ist die Hauptstadt von Italien - konnte ich mir auch nichts darunter vorstellen. Das einzige, was ich von Italien wusste, war, dass dort die Zitronen wachsen.
Die Ederoma war die Mutter meines Vaters. Sie war schwerhörig. Ich hatte Angst vor ihr. Die Ederoma lebte in der Südtirolersiedlung. Die hat der Hitler bauen lassen, erzählte sie immer. Ihre Wohnung hatte Kuchl, Schlafzimmer, Kabinett und Speis und Bad mit Klo. Das war was Besonderes.
Wir hatten damals nur Küche und Schlafzimmer.
In der Wohnung roch es eigenartig. Die Ederoma hatte ganz ungewöhnliche Lebensmittel. Pumpernickel hatte sie und Ingwer. Und Joghurt mit Marmelade in Plastikbechern.
Und einen Saustall hatte sie.
Wenn ich ihr helfen wollte, aufzuräumen, wurde sie fuchsteufelswild. Du brauchst mir gar nicht zu helfen, ich mach das schon allein.
Einmal, als sie mich zum Bäcker schickte, und ich beim Nachhauselaufen fast vom Postbus überfahren wurde lief sie zornig auf das Feld hinter ihrem Garten, holte eine Handvoll Brennnesseln und versohlte mir den Hintern. Den nackten natürlich.
Zu Ostern kam immer ihre Tochter aus München zu Besuch. Die Tante Resi.
Die Tante Resi war eine Schönheit in jungen Jahren. Sie sah aus wie Gina Lollobrigida und hatte eine Wespentaille. Das fiel mir damals schon auf. Und wie sie gekleidet war. Die höchsten und spitzesten Stöckelschuhe, die ich jemals gesehen hatte.
Sie nahm mich dann immer an der Hand und wir gingen durch’s Dorf. Wo wir hingingen, weiß ich nicht mehr. Aber das spielte keine Rolle. Wichtig war, dass wir durch’s Dorf gingen. Ich mit meiner wunderschönen Tante.
Die Ederoma erzählte oft, dass die Tante Resi in der Stadt Salzburg auf der Straße angeredet wurde. Von Regisseuren und Werbeleuten. Wegen ihrer Schönheit. Ob sie nicht im Film arbeiten wolle oder in der Reklame.
Oma sagte immer Reklame.
Aber Tante Resi wollte weder zum Film noch in die Reklame. Sie wollte nach München. Und da ging sie auch hin. Mit zwanzig. Und da hat sie dann reich geheiratet. Meinen Onkel. Der mit fünfzig gestorben ist. Herzinfarkt. Weil er so viel gearbeitet hat. Darum war er auch so reich geworden.
Einmal hat mich die Tante Resi überredet, bei der Ederoma zu übernachten. Das war an einem Karsamstag.
Amadea, wenn du morgen aufstehst, gemma in den Garten hinaus Osternesterl suchen und da finden wir bestimmt einen großen Schokoladeosterhasen und viele kleine Gelee-Osterhasen. Und du darfst bei mir im Kabinett schlafen.
Ich glaube, ich habe mich wegen der Gelee-Osterhasen überreden lassen. Am nächsten Tag lag Schnee und es gab kein Osternesterlsuchen im Garten. Und es gab nur einen kleinen Gelee-Osterhasen.
Das war das erste und letzte Mal, dass ich bei der Ederoma übernachtete.
Jeden Sonntag nach der Messe mussten wir zur Ederoma. Meine Eltern und ich. Sie hatte dann immer Malzkaffee gekocht, weil sie war ja schon bei der Frühmesse gewesen.
Immer wenn wir da waren und vor unserem Malzkaffee saßen, suchte sie ihre Strümpfe.
Wo san meine Stimpf? Sie sagte Stimpf zu den Strümpfen.
Jahre später kam ich drauf, dass das Mundart war. Ich hatte immer gemeint, sie kenne den Unterschied zwischen Strümpfen und Stümpfen nicht.
Und während sie dasaß und ihre Strümpfe anzog, dampfte der Malzkaffee vor mir, der die gleiche Farbe wie ihre Strümpfe hatte. Ich trank nur einen Schluck, der Höflichkeit wegen. Dann war es aus.
Und die Ederoma wurde böse und sagte zu meiner Mutter: Was ist das Kind heikel. Keine Erziehung! Zu meinem Vater sagte sie nichts. Mama schaute dann immer schuldbewusst. Das nervte mich. Ich kam mir ziemlich erzogen vor.
Geredet wurde nicht viel weil die Ederoma eh immer falsch verstand und meistens so tat, als hätte sie alles kapiert und nur nickte und ja sagte. Und das ja passte oft nicht. Sie redete immer irgendwas und wir nickten nur.

Als die Ederoma sehr alt war und gehbehindert, wohnte sie im Altersheim, das gleich neben meinem Elternhaus war. Ich besuchte sie manchmal mit meinen Kindern. Und sie redete dann fast nie. Sie lächelte, wenn sie meine Buben anschaute und nickte immer wieder mit dem Kopf.
Einmal sagte sie: Weißt du noch, Amadea, als du bei mir übernachtet hast? Da hatte sie Tränen in den Augen.
Eines Morgens lag die Ederoma tot im Bett.
Die Tante Resi lebt noch in München. Ich sehe sie alle paar Jahre zu Allerheiligen am Grab der Ederoma. Sie hat noch immer eine Wespentaille. Die Stöckelschuhe sind nicht mehr so hoch wie früher. Aber schön ist sie immer noch.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

hach, amadea, deine geschichten die täten auch meiner oma gefallen.

saxana hat gesagt…

Das mit den Brennesseln auf Deinem nackerten Po tut mir sehr leid. War eine strenge Frau, "geworden".

solo hat gesagt…

Das ist eine Geschichte
fast wie aus Tom Sawyer.