Samstag, Jänner 05, 2008

burgverlies


Bald ist wieder Fasching.
Fasching ist an unserer Schule ein Jahrhundertereignis.
Wieder einmal in diesem Jahr. Weil alle drei Jahre muss unsere Schule organisieren. Wir feiern Fasching immer mit der Volksschule und der Polytechnischen Schule.
Im Turnsaal feiern wir. Also haben wir alle drei Jahre ein Jahrhundertereignis.
Die Themenfindung allein war schon schwierig. Ich wollte ja den Opernball. Aber Opernball wollte sonst niemand.
Nun haben wir Ritterburg. Ritterburg gefällt mir nicht so. Ich will weder Ritterfräulein sein noch Ritter.
Heuer ist ja schon am ersten Februar Fasching und darum haben wir es eilig. Es gibt kein Besteck, sagt Evelyn. Es gibt nur Fleisch und Brot. Und Wein. Und jeder muss sich seinen Becher selber mitnehmen. Das war bei den Rittern auch so.
Gibt’s nicht mal einen Salat? frage ich. Krautsalat wäre gut.
Ja, und Gurkerl wären auch gut, sagt Sigi. Und hintennach ein Tiramisu, sagt Lo.
Wir sitzen im Beratungszimmer, das früher das Raucherkammerl war, als noch geraucht wurde in der Schule. Heute rauchen die Lehrer nicht mehr in der Schule. Nur mehr die Schüler. Aber die rauchen eh am Klo. Darum brauchen wir kein Raucherkammerl mehr.
Das Beratungszimmer ist eigentlich kein Beratungszimmer. Es ist ein Wohlfühl-Rückziehzimmer für Lehrer.
Da kann der Lehrer wenn er aufgeregt ist und nervös und genervt, sich zurückziehen. Ich habe zwar meine Zweifel, ob das was nützt. Wenn ich den Teppich anschaue, dann werd ich ganz wuschelig. So bunt wie der ist. Der beruhigt meine Nerven gar nicht, der regt sie nur auf.
Und wenn ich die Couch anschau, dann werd ich depressiv. Eine schwarze Couch ist das. Und wenn ich mir vorstell, dass ich grad genervt bin und ich komm da herein ins Wohlfühl-Rückziehzimmer, und da liegt der Kollege auf der Couch, der mich schon nervt wenn ich an ihn denke, dann bin ich nicht mehr weit weg vom Nervenzusammenbruch. Nein, das brauch ich nicht. Da setz ich mich lieber ins Kaffeehaus.
Die Couch ist nicht nur schwarz sondern auch ungemütlich. Sie ist eckig. Eckig passt so wenig zu Couch wie schwarz.
Derzeit gibt es ja nur eckige Couchen.
Eine FengShui Couch ist das, hat die Frau Direktor gesagt.
Ich glaub, das ist eher eine HauptShui Couch als eine FengShui Couch.
Ungemütlich.
Die Lehne ist kürzer als die Sitzfläche. Wenn du dich ganz zurück setzt und dich anlehnst, dann hängt dein Kopf hinten hinunter und das Blut rauscht dir ins Hirnkastl. Und die Beine kannst nicht abwinkeln. Und da sitzt du da wie die Gliederpuppe auf dem Ehebett der Oma, die in der Mitte vor dem Zierpolster mit dem röhrenden Hirsch unter dem Bild mit dem Jesus und dem brennenden Herzen gesessen ist. Wenn du dich lässig zurück lehnst, halb schräg, die Arme locker zur Seite, dann rutschst du durch und landest am Boden. Eigentlich auf dem Teppich, dem bunt gestreiften.
Nein, sagt Evelyn, es gibt kein Tiramisu, Lo. Wir haben Ritter und nicht Römer.
Wir sitzen also da und dichten. In der Rittersprache.
Wir dichten solche Dinge wie Krug an der Lende und Gebein im edlen Tuche.
Und wir dichten Wörter wie edle Maid und wack’rer Recke.
Ich dichte nicht weil mir fällt nichts ein. Ich muss immer auf den Vorhang schauen mit den Löchern.
Sind das richtige Löcher? frage ich.
Frag nicht, Amadea. Dichte. Lenk nicht ab, wir müssen dichten, sagt Evelyn.
Ich kann nicht mit mehreren Leuten dichten, sage ich.
Gibt’s hier einen Nussknacker? frage ich und nehme eine Walnuss aus der Schale, die da am Glastisch steht.
Nein, Nussknacker gibt es nicht. Lass die Nüsse, die sind nur zur Zierde da, sagt Evelyn.
So wie die Couch? will ich fragen. Ich frage nicht.
Was ist nun, Amadea? Schreibst eine Geschichte nach der anderen und heut stellst dich so an.
Mir fällt nichts ein, sage ich.
Es geht darum, dass die schöne und keusche Gunhilde erobert werden muss. Wir machen Ritterspiele. Auch im Freien. Habt ihr eine Idee, welche Spiele wir machen könnten? fragt Evelyn.
Wir haben keine Idee.
Ritterspiele im Freien? frage ich. Bei der Kälte? Und als Preis gibt’s wohl Ritterschokolade.
Super Idee, sagt Sigi. Und er notiert schon.
Ich schaue auf den Teppich, den bunt gestreiften, dann auf die Vorhänge mit den Löchern.
Und ich rutsche von der Couch. Wieder einmal.
Mir ist schlecht, sage ich. Ich geh nun.
Burgverlies, sage ich beim Rausgehen.
Was, Burgverlies? fragt Evelyn.
Ich gehe als Burgverlies. Die, die die Burgverlies.
Und weg bin ich.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das Beste gegen ritterliches Mittelalter (manchmal muß man heute direkt gegen das Mittelalter kämpfen) ist immer ein Verweis auf mittelalterliches Essen. Oft ohne Gewürze, ohne Kartoffeln, ohne Südfrüchte, ohne gesüßte Getränke, dafür aber mit ungekühlt aufbewahrtem Fleisch und anderer proteinreicher Nahrung.

Ich behaupte auch, man macht sich heute oft eine falsche Vorstellung davon, wie so ein Ritter gerochen hat.

hannamaja hat gesagt…

.....Amadea, die die Burg verließ...
hoffentlich steckt da kein Minnesänger dahinter........

Anonym hat gesagt…

Wieder mal herrlich, dein Bericht. Fasching, eben. lg teacher

amadea's world hat gesagt…

t.m. - diese Vorstellung will ich mir gar nicht machen.

anna - ja, mit dem keyboard.

Ach ja, der Fasching, teach - Wenn es den nicht gäbe.

saxana hat gesagt…

Schreibst dann hinterher - bitte - wie es war?!!

Anonym hat gesagt…

Dû bist mîn, ich bin dîn.
des solt dû gewis sîn.
dû bist beslozzen
in mînem herzen;
verlorn ist das sluzzelîn:
dû muost ouch immer darinne sîn.

lofloh

amadea's world hat gesagt…

lo, du liab's sluzzelîn - morgen um die zeit walzen wir mit schoßrock und keuschheitsgürtel durch die hallen mit tanz- und engelbär.