Sonntag, November 04, 2007

keine beine


Man sagt ja, dass Lügen kurze Beine haben.
Wir regen uns wahnsinnig auf wenn uns jemand belügt.
Wir sind beleidigt, verletzt und würden mit demjenigen am liebsten nichts mehr zu tun haben. Ein Leben lang.
Das wird dann schwierig, wenn dieser jemand dein Ehemann ist, der dich betrogen hat oder deine Kollegin, die blau gemacht hat und für die du ihre Arbeit mit erledigen musst.
Ist ja legitim, dass wir uns aufregen.
Aber was ist mit den Schwindelein, die wir uns täglich anhören müssen?
Die haben nämlich überhaupt keine Beine.
Trotzdem akzeptieren wir die. Ohne Widerrede, ohne Aufbegehren.
Solche kleinen Schwindeleien schaden niemandem, hört man, die sind notwendig für unser Überleben, für unsere psychische Gesundheit, sagt man.
Okay, wenn dich jemand fragt, wie es dir geht, und du sagst, danke gut, aber in Wirklichkeit geht es dir beschissen, dann ist das in Ordnung. Davon rede ich nicht. Es ist zu mühsam, dem lieben, alten Herrn von nebenan zu erzählen, dass du heute Nacht kein Auge zugemacht hast, dass dich dein Chef nervt und der Wasserhahn undicht ist. Ich meine jene Schwindeleien, die alles andere als Schwindeleien sind, sondern wirkliche Lügen.

Das Geld wurde schon überwiesen.
Was redest du da? Es wurde nicht überwiesen. Vor einer halben Stunde habe ich meine Bankauszüge geholt. Red nicht so einen Topfen. Bezahl einfach.

Es tut mir leid, aber...
Nein, es tut dir nicht leid. Es ist dir vollkommen egal. Es ist dir sogar eine Genugtuung, mir das am frühen Morgen zu sagen, du Sadist.

Ich will nicht unhöflich sein, aber...
Du willst sehr wohl unhöflich sein und mich beleidigen. Sei höflich und sag einfach nichts.

Es dauert nur fünf Minuten.
Unsinn. Das dauert so lange, bis du fertig bist. Du hast kein Zeitgefühl und bist unorganisiert. Ich bin froh, wenn das in einer halben Stunde erledigt ist.

Das tut nicht weh.
Die Überdrüberlüge des Zahnarztes. Wenn er das noch einmal sagt, dann reiß’ ich ihm die Spritze aus der Hand und ramm sie ihm in sein Hinterteil.

Ein Schüler von mir würde mittlerweile den Oscar bekommen für’s Schwindeln.
Seit zwei Wochen soll er mir die Hefte vorlegen. Nachgeschrieben.
Seit zwei Wochen sehe ich kein einziges Heft.
Seit zwei Wochen höre ich jeden Tag eine neue Geschichte. Mit tränennassem Gesicht erzählt.
Die neueste Geschichte:
Frau Lehra, ich konnte das gestern nicht schreiben. Meinem Opa wurde auf einmal so schlecht, dass er zusammenbrach und ich musste den ganzen Nachmittag und Abend an seinem Bett sitzen und ihn bewachen.
Heute vormittag sah ich den Opa.
Im Kaffeehaus beim Kartenspielen.
Es freut mich, dass sich der so schnell erholt hat. Eh klar, bei dem fürsorglichen Enkerl.

3 Kommentare:

saxana hat gesagt…

Da hast Du aber ein schlaues Kind in der Klasse.

Anonym hat gesagt…

den opa bewachen ist immer eine super sache.

amadea's world hat gesagt…

naja, saxana - er glaubt immer, er könnte sich durchschwindeln. klappt nicht. heute war er statt des deutschditktats beim arzt - wegen kreuzschmerzen.

und diese opas haben schnelle beine. die krücken sind nur attrappe.