Montag, Juli 23, 2007

wie in alten zeiten


Ribisel brocken, Amadea. Du kannst gleich anfangen. Aber ordentlich. Keine Blätter und keine Stängel. Da hast den Kübel. Den bindest dir rum. Und den großen stellst du daneben. Da kannst dann immer wieder reinleeren.
Und schon bin ich mittendrin.
Im Brocken.
Zwischen Ribiselstauden, deren Blätter mich stechen und kitzeln, den kleinen Kübel festgebunden an der Taille.
Ich fang auf der anderen Seite an, sagt Mama.
Ich sage nichts. Ich bin angefressen.
Kommst mit schwimmen, Amadea? ruft mir meine Freundin über den Zaun zu.
Nein, siehst eh. Das dauert.
Sie muss nie Ribisel brocken. Sie muss überhaupt nichts tun. Weder Ribisel brocken noch Holz aufstapeln, noch Kohlen in den Keller tragen, Gar nichts. Sie wird ständig bedient von ihrer Mutter. Von hinten bis vorne. Ich beneide sie. Sie wird sogar gefragt, was sie zum Mittagessen will.
Ich werde nie gefragt.
Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt, sagt Papa.
Ich werde nur an meinem Geburtstag gefragt.
Die Freundin geht schwimmen, ich brocke die Ribisel.
Mein Gott, Amadea, du brockst ja gar nicht. Mach schneller.
Ich hasse es, ich bin den Tränen nahe, mir ist heiß, mir graust vor den Spinnen und den Spinnweben, die Gelsen stechen und die Bremsen beißen und ich komm nicht weiter. Meine Finger sind rot von den Ribiseln und der Kübel wird und wird nicht voll.
Ich kann nicht schneller. Ich brock eh, besser kann ich nicht, sage ich weinerlich.
Was weinst du denn? sagt Mama. Pass nur auf, dass das der Papa nicht sieht.
Ja, der Papa darf das nicht sehen, weil der schimpft sowieso ständig.
Du bist zu nichts zu gebrauchen, du hast nur Unsinn im Kopf, nur deine Bücher. Keinen Hausverstand hast und du stellst zu viele Fragen. Es gibt nichts zu fragen. Du und deine Leserei, schimpft er. Und diese ständige Lernerei. Sowieso für die Fisch’, das jahrelang zur Schule gehen. Und dann heiratest mit zwanzig.
Niemals, Papa. Ich heirate überhaupt nicht.
Ich heiratete doch.
Aber das ist eine andere Geschichte.
Mama kommt nachschauen.
Amadea, schau einmal, diese Sauerei. Die halben Ribisel sind am Boden und das da ist auch nix. Sie deutet auf den Kübel. Da hast ja die Hälfte Blätter drin.
Nun reicht es mir. Ich reiße mir den Kübel herunter und laufe weg.
Nie ist dir was recht. Ich lass das nun. Ich hasse Ribisel brocken.
Beim Weglaufen ruft mir Mama nach: Dann putz mir wenigstens die Fenster. Aber ordentlich. Und nimm das Fensterleder und tu Essig ins Wasser.
Wie ich die Ferien hasste als Kind.
Es war immer was zu tun.
Ich musste immer arbeiten.
Alle meine Freundinnen fuhren in den Urlaub. Ich nicht.
Mein Urlaub war eine Woche bei Onkel Hans in der Nähe von Salzburg. Und das war auch nichts. weil ich stritt ständig mit meiner Cousine und meine Tante, die Schweizerin, kochte Dinge, die ich nicht essen konnte weil mir grauste. Gurkengemüse und Kochsalat, saure Nieren und Lebernockerl.
Man hat es schon schwer als Kind. Und niemandem kannst du dich anvertrauen. Deinen Freundinnen erst recht nicht.
Da kommst du nach den Ferien wieder in die Schule und alle erzählen vom Urlaub an See und Meer und du erzählst vom Urlaub beim Onkel Hans und vom Ribisel brocken, Fensterputzen und Holz aufschlichten.
Ich log da meistens.
Ich erfand den Onkel in Kärnten am Ossiachersee, der ein Restaurant hatte und wo ich Vormittag servieren durfte und Nachmittag schwimmen. Ich war da sehr erfinderisch. Er hieß Onkel Reinfried. Es gab ihn nicht, den Onkel. Aber für mich war er so real wie mein Onkel Hans. Nur war er viel toller.
Gestern war ich bei meinen Eltern. Mama war gerade dabei, Ribisel zu brocken.
Kannst mir gleich helfen, Amadea. Mein Protest nützte nichts.
Und da stand ich – wie in alten Zeiten mit dem umgebundenen Kübel und es nervte mich und die Gelsen stachen und die Bremsen bissen und die Ribiselstauden kitzelten. Und die halben Ribisel lagen wieder am Boden und im Kübel waren wieder zu viele Blätter und Mama sagte wieder: Amadea, du brockst ja gar nicht.
Soll ich Fenster putzen, Mama? fragte ich. Und Mama sagte: Ja, aber ordentlich. Und nimm das Fensterleder und den Essig.
Als ich ins Haus ging, rief sie mir nach: Schön, gell, Amadea. Wie in alten Zeiten.

3 Kommentare:

saxana hat gesagt…

Na Amadea, das sind doch vollkommen schöne Ferien. Erhole dich gut! Nix wird sich auf diesem Gebiet ändern, und das ist auch gut so.

Anonym hat gesagt…

Ribisel sind also Johannisbären. Ahaaaaa!

amadea's world hat gesagt…

saxana, du hast recht :-)
Schrieb das eh mit einem Augenzwinkern und einer leisen Melancholie.
Und meine Eltern sind liebe. Ich übertreib immer a bissl !

t.n. jo!
Gehören zur Familien der Bärserker.