Sonntag, April 22, 2007

keep smiling

Ich muss Geld abheben.
Gleichzeitig mit mir geht ein alter Mann mit Stock zum Bankomat.
Es war ein Fehler, in anzulächeln, weil nun muss ich ihm den Vortritt lassen, höflich wie ich bin.
Das dauert nun eine Ewigkeit, denke ich mir.
Ich atme einmal tief ein und versuche mich zu beruhigen.
Nur mit der Ruhe, Amadea. Das nützt nun nichst, es ist zu spät. Du musst warten.
Es dauert schon eine Ewigkeit, bis es ihm gelingt, die Kreditkarte aus seiner Geldtasche zu nehmen. Den Gehstock hat er unter seinem Arm eingeklemmt.
Soll ich Ihnen den Stock halten? frage ich.
Er sagt nichts, schaut nicht mal auf. Er ist wohl schwerhörig. Ich frage ihn noch einmal und gehe einen Schritt auf ihn zu, mache eine Handbewegung. Er schaut kurz auf, runzelt die Stirn und klemmt den Stock fester unter seinen Arm.
Nun ist ihm die Kreditkarte auf den Boden gefallen. Ich will sie ihm aufheben. Er schupft mich weg mit dem Ellenbogen.
Amadea, reiß dich zusammen. Das dauert noch länger, wenn du ihn nun nicht in Ruhe lässt.
Ich kann da fast nicht hinschauen, wie er da herum fuchtelt mit seiner Karte und es dauert eine Ewigkeit, bis er sie wieder in der Hand hat. Er geht langsam Richtung Bankomat. Ich sehe, wie erschöpft er ist.
Bitte mach, denke ich. Mach einfach.
Ich würde ihm gerne sagen, dass man auch in der Bank beim Schalter Geld bekommt, aber ich weiß, das bringt nichts. Ich schaue in die andere Richtung. Als ich mich wieder ihm zuwende, ist er gerade dabei, die Karte in den Schlitz zu stecken. Er überlegt, kratzt sich am Kopf. Sein Stock fällt zu Boden.
Lass ihn liegen, denke ich. Lass ihn liegen und konzentrier dich. Er kratzt sich wieder am Kopf. Er hat nicht gemerkt, dass er seinen Stock verloren hat. Sonst würde er sich bestimmt bücken um ihn aufheben. Ich schaue ihm über die Schulter. Er merkt nicht, dass ich näher getreten bin.
Er schafft es, den richtigen Knopf zu drücken. Denjenigen, der fragt, ob man Bargeld abheben muss. Nun muss er seine Geheimnummer eintippen.
Er tippt. Nichts.
Er tippt noch einmal. Wieder nichts.
Ich bin kribbelig.
So, lieber Herr, tipp bitte noch einmal, dann geht eh nix mehr.
Aber er tippt nicht mehr.
Er nimmt die Karte heraus, dreht sie mehrmals um, holt umständlich seine Geldbörse aus dem Hosensack, öffnet sie, steckt die Karte hinein, nimmt eine andere heraus.
Mein Gott, nun mach endlich.
Ich kann mich nicht beherrrschen. Ich frage ihn nochmals. Soll ich Ihnen helfen?
Er dreht sich nicht einmal um. Die Prozedur beginnt von vorne. Ich kann das nicht mehr sehen. Ich gehe um die Ecke. Das dauert ohnehin noch. Ich bleibe einige Minuten stehen. Als ich wieder näher komme, bemerke ich, dass er es geschafft hat. Der Bankomat piepst Das ist ein gutes Zeichen. Nun ist er bald fertig, ich bin sicher. Ich habe ihn vermutlich nur nervös gemacht.
Ich gehe wieder um die Ecke und warte zwei Minuten.
Als ich zurückkomme, steht ein zweiter Mann neben ihm. Ohne Gehstock aber mit Hut. Die beiden diskutieren.
Der Mann mit Gehstock zeigt auf mich. Die war es, die da.
Was war ich?
Der Mann mit Hut schaut mich missbilligend an und fragt.
Hias, hat sie das Geld genommen?
Ja, die, sagt er.
Komisch, nun ist er auf einmal nicht mehr schwerhörig.
Ich habe nichts genommen! Ich stehe da nun schon eine halbe Stunde und warte, damit ich Geld abheben kann.
Eine Frechheit, einen alten, armen Mann auszunutzen,
Die hat mein Geld. Die da. Die beobachtet mich schon die ganze Zeit.
Es reicht mir. Ich gehe in die Bank hinein. Da warte ich wieder. Es warten drei Leute vor mir am Schalter.
Kurz darauf ist der Mann mit Stock auch da. Mit ihm der Mann mit Hut. Hinter mir stehen sie. Der Mann mit Stock sagt schon wieder: Die hat mein Geld, die da.
Endlich bin ich an der Reihe.
Ich komm gar nicht dazu, irgendetwas zu sagen, da drängt sich der Mann mit Stock vor, schubst mich beiseite und sagt zum Schalterbeamten: Die hat mein Geld.
Ich sage nun nichts mehr.
"Wir überprüfen das", sagt der Schalterbeamte.
Ich habe das Geld nicht, sage ich. Ich war gar nicht da, als das Geld herauskam. Vermutlich hat er zu lang gewartet und der Bankomat hat das Geld geschluckt.
Und so war es.
Der Mann hat sein Geld wieder.
Das nächste Mal, wenn ich ihn sehe, verpasse ich ihm einen Fußtritt, dem Alten.
Ich habe mir geschworen, niemals mehr jemanden anzulächeln vor dem Bankomat. Nicht, wenn er alt und männlich ist.
Ich verlasse die Bank.
Endlich kann ich mein Geld abheben.
Und dann passiert das.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

darum geh ich als alter mann auch so gerne an den schalter und rede.

(ich melde mich die tage..)

Anonym hat gesagt…

Wie ist das mit jung und männlich? (OK ... nicht mehr ganz jung, aber noch gutaussehend) Hmmm?

amadea's world hat gesagt…

500, ich glaub, ich bin a bissl älter als du. Und ich rede auch gerne.

t.m.
alt = mindestens 70 mit Stock oder Hut