Freitag, April 27, 2007

hugh grant


Ich schreibe gern Listen.
Gern ist vielleicht der falsche Ausdruck.
Ich schreibe Listen, damit ich Dinge nicht vergesse.
Auf diesen Listen steht alles Mögliche. Lebensmittel, die ich kaufen muss, Dinge, die zu erledigen sind.
Es gibt auch Listen mit Titeln von Liedern und Büchern, von denen ich gehört habe, die mir beim Zeitung lesen oder sonst wo unterkamen.
Das Problem ist, dass ich diese Listen verliere. Ich verliere sie nicht für immer. Ich verlege sie. Irgendwo und irgendwann finde ich diese Listen. Aber dann habe ich mir schon neue Listen gemacht und die, die ich gefunden habe, sind überholt. Oder die Dinge, die ich erledigen hätte sollen, haben sich von selbst erledigt oder sind vergessen worden.
Ich habe auch die Angewohnheit, alles Mögliche abzukürzen. Und wenn ich das dann nach Wochen lese, habe ich keine Ahnung, was das alles bedeutet. Gerade heute fand ich eine Liste, auf der steht folgendes:
Volkl Unterschr Dav Socken Gr.Marn. 20 Mon kop. Solid. Trainer E-Hefte grantig Staudens. Silber. Handy
Also, einiges ist ja klar – das mit dem David ist klar, die Unterschrift wollte ich kontrollieren. Aber das ist nun zu spät, das ist nicht mehr aktuell. Das mit den Socken weiß ich überhaupt nicht mehr. Und was mit dem Silberhandy sein soll – ich habe keine Ahnung. Und wenn ich mir die Abkürzungen da anschaue, dann bezweifle ich, dass die überhaupt von mir sind.
Aber ich weiß, warum ich das Wort grantig aufgeschrieben habe.
Das Wort notierte ich, weil ich darüber schreiben wollte. Ich notierte es, als ich von der Schule heimkam. Es ist zwar heute nicht das richtige Wetter, um über grantig zu schreiben. Es scheint die Sonne, und ich bin alles andere als grantig. Eigentlich bin ich niemals grantig. Wütend, ja. Aber nicht grantig.
Grantig ist das österreichische Wort für ang’fressen. Und ang’fressen ist das österreichische Wort für missmutig.
Außerdem legen vier freie Tage vor mir. Und wer ist da schon grantig?
Das Wort grantig bezieht sich auf meine männlichen Kollegen. Auf die Lehrer. Auf die älteren Herrschaften, die männlichen, die um mehr als zwanzig Jahre Schuldienst hinter sich haben. Mehr oder weniger.
Ich glaube, das sind die grantigsten Männer, die ich kenne.
Die Midlife-crisis kann das nicht sein. Die Midlife- crisis würde ja bei einigen zehn Jahre dauern.
Es muss was anderes sein. Aber was?
An Montagen ist das besonders auffallend.
Letzten Montag, zum Beispiel. Als ich ins Konferenzzimmer kam, war eine Streiterei im Gange. Lautstark. Der eine Kollege, der adrette, war außer sich.
Nun soll ich auch noch auf der Toilette Gangaufsicht halten. Was soll das eigentlich? Glaubt ihr, ich hab nichts Besseres zu tun? Vor zwanzig Jahren hatten wir dreißig Schüler in einer Klasse und es gab gar keine Gangaufsicht. Nicht mal im Gang. Und nun auch noch Toilettenaufsicht. Glaubt ihr, ich geh mit meiner Jause ins Klo hinein? Vor zwanzig Jahren haben wir im Konferenzzimmer Schach gespielt in der Pause. Und auch in der Stunde.
Und alle stimmten ein, alle Männer. Die älteren.
Junge haben wir ja nicht viele. Und die paar, die wir haben, sagen nichts. Geschimpft wird immer. Dass die Schüler so laut sind, dass der Kaffee nicht gut ist, dass es in den Klassen zu heiß ist, dass es im Konferenzzimmer zu kalt ist. Komischerweise schimpfen und jammern die Frauen nicht.
Ich weiß schon, der Österreicher ist ja im Allgemeinen ein Grantscherm. Vor allem der Wiener.
Aber so grantig wie meine Kollegen kann kein Wiener sein, niemals nicht.
Der adrette Kollege macht nun doch Gangaufsicht.
Auch am Klo.
Mit der Wurstsemmel.
Ich nenne ihn von nun an Grant.
Nicht Hugh Grant, nur Grant.

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