Mittwoch, Jänner 03, 2007

von anklöcklern und sternsingern

Posted by Picasa
Vorige Woche läutete es an meiner Tür.
„Die Anklöckler san do!“
Und schon fangen sie an zu singen.
Jetzt fangen wir zum Singen an, halleluja, vernehmet all, was sich getan, hallelujah. A Stern so hell ois wia die Sunn, steht über’m Buachnroa, und neamb geht aussa von da Stub’n, halleluja.“
Schneewittchen und Anna. Erstere mit grauem Bart und Gitarre. Anna als Maria mit Puppe und schwarzem Umhang. Wir hatten ausgemacht auszugehen, und ich stehe da, fertig angezogen und zurechtgemacht.
Gleich darauf öffnen sich die Türen der übrigen Hausbewohner und alle sind versammelt, ehrfürchtig zuhörend, die Geldbeutel bereit zum Spenden.
Ich setze ein andächtiges Gesicht auf und versuche, nicht zu lachen.
Und danach, als wir in der Bar sitzen, erzähle ich ihnen von meinen Erfahrungen beim Anklöckeln.
Mein erstes Dienstjahr. Kurz vor Weihnachten.
Hans, der Kollege, vor dem ich ziemlich viel Respekt hatte, sagte eines Morgens zu mir: „Übermorgen gemma anklöckeln. Du gehst mit, du kannst gut singen und bist die perfekte Maria.“
Von dem Tag an war ich dabei. Jeden Donnerstag im Dezember ging es nach Anbruch der Dunkelheit los. Wir versammelten uns im Pfarrhof, verkleideten uns als Maria, Josef, Wirt und Hirten.
„Ein Schnapserl noch, des wärmt auf“, sagte Hans.
Dann machten wir uns auf den Weg. Zu den umliegenden Bauern.
„In die Privathäuser gemma nit, da gibt’s koan guatn Schnops und koa g’scheite Jaus’n.“
Die Leute waren vorbereitet und warteten andächtig auf die Anklöckler.
Am Anfang ging das ja noch gut. Ich war hungrig, freute mich auf selbst gemachten Speck, Käse und Brot. Der Schnaps, auch selber gebrannt, war weniger nach meinem Geschmack. Aber nein zu sagen traute ich mich niemals.
„Der schmiert die Stimmbänder“, sagte Hans, der seinen Bauch mit einem Polster ausgestopft hatte und darüber eine weiße Schürze trug. Er war der Wirt und hatte eine kräftige Bassstimme. Johann, mit Filzhut und grünem Hubertusmantel war mein Josef.
Er sang den Tenor und war ein richtiger Schauspieler. Je mehr Schnaps er trank, desto inbrünstiger war sein Gesang.
Leider wurde er auch mit jedem Schnaps liebesbedürftiger und drückte mich immer näher zu sich heran. Ich wehrte mich, so gut ich konnte.
Gunther, der Hirt, hatte es immer eilig. „Auf, auf, mia miass’n weida, die Leit woarten jo auf ins.“
Zeit für a Keks muss immer sein“, sagte Helmut, auch ein Hirte, nach dem Singen, und setzte sich auf die Ofenbank, ein Linzerkeks in den Mund stopfend.
Ja“, meinte Hans, „An guat’n Schnops host a, gell, Stollabäurin?“
Und schon wurden wir eingeladen, Platz zu nehmen, zuzugreifen, den Schnaps auszutrinken.
Mit jedem Schnaps wurden wir lauter und ungestümer. Sogar die Männer kicherten hysterisch, nur weil eine Katze bei unserem Anblick, der ihr ungewohnt war, aus dem Zimmer sauste oder das Baby zu weinen begann während wir sangen.
Ich leerte manchmal heimlich meinen Schnaps auf den Boden oder in den nächsten Blumentopf. Die Männer tranken jedes Glas leer und lehnten auch niemals ab wenn ihnen die Bäuerin noch ein Stamperl anbot.
„Eigentlich“, sagte der Stollabauer, „is a guada Schnops eh nix fia die Weiwaleit. Weil dia kennan jo an echten Voglbeer nit ausandand’ von an Obstler.“
Man muss wissen, dass ein Obstler nicht viel gilt bei uns. Ein Obstler ist ja kein reiner Schnaps sondern eine Mischung. Und einen Obstler bekommst du in jedem Supermarkt. Ein Vogelbeerschnaps ist der König der Schnäpse. Weil den kannst du nicht einfach irgendwo kaufen, den musst du schon bei einem Bauern, der die Lizenz zum Schnapsbrennen hat, besorgen. Und man braucht eine riesige Menge an Vogelbeeren, die Früchte der Eberesche, die von den Bauersleuten im Herbst selbst gepflückt werden was sehr viel Arbeit und Mühe ist.
In kleinen Dosen genossen, ist der Vogelbeerschnaps eine Medizin.
Nach dem dritten Jahr Anklöckeln kannte ich jeden Schnaps. Ich konnte den Hollerschnaps vom Marillenschnaps und den Birnenschnaps vom Schwarzbeerschnaps unterscheiden.
Nach dem Singen bekamen wir immer Geld.
Die Leute spendeten großzügig. Weil wir sammelten für einen guten Zweck. Pater Elmar, Sohn einer Bauernfamilie aus dem Ort, war in jungen Jahren nach Südamerika ausgewandert und hatte dort ein Hilfsprojekt gestartet, das von vielen Familien des Ortes unterstützt wurde.
Bis Mitternacht dauerte unsere Mission. Und je später es wurde, desto schwieriger wurde das Singen. Oftmals fiel uns der Text nicht ein, manchmal lachten wir nur und kamen gar nicht zum Singen. Hans, der am trinkfreudigsten war, ließ sich manchmal von uns tragen. Er stellte sich so betrunken, dass wir ihn den steilen Hügel durch den tiefen Schnee zum nächsten Bauern hinaufschleppten. Und oben angekommen, lachte er und bedankte sich.
Der Abschluss des Anklöckelns fand immer in einem Gasthaus statt. Dort entledigten wir uns unserer Verkleidungen und sangen und tranken bis zum Morgengrauen.
Anstrengend war es erst am nächsten Tag. Einmal war es so schlimm, dass ich mich am Morgen in der Schule an der Tafel festhalten musste, um nicht umzufallen und ständig auf’s Klo lief weil mir schlecht war.
Die Tage des Anklöckelns sind lang vorbei.
Ich lebe nicht mehr in dem winzigen Bauerndorf. Und in dem Dorf, in dem ich mit meiner Familie lebte, gibt es nicht die singenden Anklöckler, so wie wir es waren.
Mitglieder der Musikkapelle gehen dort von Haus zu Haus, spielen Weihnachtslieder und sammeln für den Nachwuchs. Und trotzdem ist es ein besonderes Ereignis. Witzig ist es halt weil die Musiker gehen nicht in ihrer Tracht von Haus zu Haus, sondern sind auch verkleidet. Und wie sie verkleidet sind! Maria, der Trompeter, mit Vollbart, trägt am Kopf ein hellblaues Seidentuch, zusammengehalten von einem Gummiband. Und da stehen sie alljährlich und blasen ihre Weisen, die halt so angebracht sind zur Weihnachtszeit.
Hier kann man es ansehen und anhören.
Nun muss ich aufhören zu schreiben. Es läutet an der Tür. Und ich weiß schon, wer draußen steht.
Die Sternsinger.
Kinder meiner Schule, die von Haus zu Haus gehen und für einen guten Zweck Geld sammeln. Meistens für Projekte in Afrika, Südamerika oder Indien.
Und sie werden mir ein gutes neues Jahr wünschen, und an meine Tür 20 K+M+b 07 schreiben. Und ich werde ihnen Schokolade und Geld geben und mich freuen, dass sie da sind.
Ich liebe unsere Bräuche.
Sie geben mir ein Gefühl des Aufgehobenseins, sie bringen Kindheitserinnerungen zurück und machen mich ein wenig melancholisch.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

1. Schöne Erinnerungen an früher - ich habe auch einmal gesungen.

2. Vogelbeerschnaps ist wirklich was Exquisites.

3. Es hat gerade geläutet. Die Sternsinger - aber ich hatte den Installateur im Haus. Ich muss mir die Falschsingerei nicht anhören und gebe trotzdem meinen Obolus.

amadea's world hat gesagt…

Ja, teacher. Was wir nicht alles gemacht haben - früher.

Aber Herr Konradowitsch!