Freitag, Jänner 05, 2007

what a healing !

Posted by Picasa
„Du bist heute irgendwie schief", sagt Lo.
„Sieht man das?" frage ich. „Habe mich verlegen. Und da hinten sticht es. Da hinten in meinem Nacken."
„Oh", sagt Lo. „Da schick ich dir jemanden. Eine Schamanin. Eine deutsche Schamanin. Aus Düsseldorf. Sie macht gerade Urlaub bei meiner Schwester. Sie kommt schon jahrelang. Sie sagt, das Haus meiner Schwester steht auf einem besonderen Ort. Da spürt man die Kraft und die Energie."
Das Haus von Los Schwester liegt an der Bundesstraße. Und neben einem Misthaufen. Vom benachbarten Bauernhof.
Aber ich frage nur: „Du glaubst, das hilft?"
„Das hilft sicher, dein Chakra muss gereinigt werden."
Ich wusste bis nun nicht dass ich überhaupt ein Chakra habe und noch dazu ein dreckiges.
Am Abend stehen sie vor der Tür. Lo und die Schamanin. Sie sieht aus wie eine Mischung aus Hippie und Gugelhupf. Und sie hat dieses eigenartige Grinsen, irgendwie entrückt, so als ob sie etwas high wäre. Und ihre Augen habe diese eigenartige Farbe, durchscheinend blau, eisblau, fast weiß. Ihr Haar aufgesteckt zu einem Vogelnest, an ihren Ohren baumeln Ohrringe mit Federn und kleinen Kugeln. Sie sehen aus wie Traumfänger. Der Busen wogt unter der indisch angehauchten, violetten Leinenbluse, der Rock orange gemustert, gypsy-like, ihre Stiefel aus Velourleder mit Fransen. Sie erinnern mich an die Zeit, als Oma mit mir ins Kino ging, um den neuesten Indianerfilm anzusehen.
Innerhalb von Sekunden rieche ich nur mehr Pachouli, ein Geruch, der mich an meine
Teeniezeit erinnert.
„Soll ich ein Räucherstäbchen anzünden?" will ich schon fast fragen. Aber dann fällt mir ein, dass die Mischung Pachouli und Weihrauchstäbchen mir vermutlich zu viel wird.
„Ich habe magische Kräfte", haucht sie mir zu.
Lo nickt.
„So wie die Shaolin-Mönche? Können Sie eine Granitplatte mit der Hand auseinander
schlagen?"
Das hätte ich nicht fragen sollen. Sie meint andere magische Kräfte. Sie lächelt zwar noch immer, aber ein wenig gequält.
Lo schüttelt den Kopf und sagt vorwurfsvoll: „Amadea.“
Lo erzählt: „Mein Mann hatte gestern Abend einen Hexenschuss und Isis hat ihm die Hand aufgelegt und heute ist er schon Schi fahren gegangen."
„Isis heißen Sie?" frage ich.
„Eigentlich heiße ich Hedwig, aber Isis ist mein Schamaninnenname."
„Oh", sage ich. „Ich dachte, Isis heißt Sisi, von hinten gelesen."
Lo schüttelt schon wieder vorwurfsvoll den Kopf, sagt aber nun nichts.
„Ich kann die Zukunft der Menschen sehen, ich habe mich mit Reiki beschäftigt. Ich habe heilende Hände, ich pendle Krankheiten aus und ich bin ein Medium."
„Aha", sage ich.
Lo nickt lächelnd. „Isis ist eine Schamanin.“
„Lo, das weiß ich schon. Können Sie auch zaubern?“ frage ich Isis. „Dinge wegzaubern?“
„Wenn Sie es so sagen wollen, ja“, antwortet Isis und lächelt geheimnisvoll.
Ich frage sie nun nicht, ob sie mir den alten Kasten in den Keller hinunterzaubern könnte. Ich will ihn schon wochenlang loshaben und er ist mir zu schwer zum Tragen.
„Sie haben also einen verspannten Nacken“, sagt Isis und schaut mich durchdringend an.
„Ja, ein wenig”, sage ich. „Hab mich wohl verlegen heute nacht.“
„Ich werde ihnen den Schmerz nehmen. Ihnen die Hand auflegen.”
Das macht mir ein wenig Angst. Was nun, wenn sie mir den Hals umdreht?
„Ich weiß nicht“, sage ich unsicher.
„Schluss nun, Amadea, unterbricht Lo. „Du musst daran glauben. Und nun entspann dich mal und vertraue den Kräften von Isis.“
Isis steht vor mir und schaut auf meinen Hals. Ich schaue schief zurück. Gleich wird sie ein Messer zücken und meine Kehle aufschlitzen, geht es mir durch den Kopf.
„So Amadea. Setzen Sie sich bequem hin und schließen Sie die Augen. Und hören Sie einfach zu. Ich erkläre Ihnen nun, was ich machen werde. Ich werde nun meine Hände auf Ihren Nacken legen und die Energie fließen lassen. Ich werde die Energie bündeln und sie zu Ihrem schmerzenden Nacken lenken.“
„Okay“ sage ich und nehme mich zusammen. Was habe ich schon zu verlieren? Ich setze mich auf den Sessel. Isis ist nun hinter mir und ich spüre ihre Hände auf meinen Nacken. Ich öffne kurz die Augen und sehe, wie Lo sich an meiner Pralinenschachtel vergreift. „Nicht die mit Marzipan", rufe ich und – „Nur zwei, Lo!“
„So geht das nicht, Amadea“, sagt Isis. Sie müssen sich entspannen."
„Ich nehm schon nicht zu viele“, sagt Lo. „Außerdem sagtest du gestern, du willst ab jetzt keine Süßigkeiten mehr essen.“
„Marzipanpralinen zähle ich nicht zu Süßigkeiten, Marzipanpralinen sind etwas Besonderes. Lo, du isst nun schon das vierte!“
„Augen schließen“, sagt Isis. Ich schließe sie und konzentriere mich auf meinen Nacken. Ich höre, dass Lo noch immer in der Pralinenschachtel herumraschelt.
„Wird es schon warm?“, höre ich Isis flüstern.
„Ja“, antworte ich. „Klar wird es warm. Ein Nacken mit Hand ist auf jeden Fall wärmer als ein Nacken ohne Hand. Außer es ist eine eiskalte Hand. Und auf meinem Nacken sind sogar zwei Hände, das macht doppelt warm.“
„Ich merke“, sagt Isis in eigenartigem Singsang, so als ob sie in Trance wäre, „dass Ihre Energie blockiert ist. Genau da!“ und sie drückt und massiert.
„Was?“
Sie haben sehr viel Energie, Amadea, aber hier ist sie blockiert. Wir brauchen vermutlich nochmals eine Sitzung."
„Für heute ist es genug“, sage ich. Ich will, dass sie aufhört. Und Lo isst alle meine Pralinen auf. Außerdem ist mir schlecht von dem Pachouligestank.
„Wie geht es dem Nacken? Besser?“ fragt Isis.
„Gleich wie vorher“, sage ich wahrheitsgemäß.
„Daf ift vermutlich mit einem Mal nift vorbei“, sagt Lo mit vollem Mund und schiebt sich die nächste wasweißichwievielte Praline in den Mund.
Frau Isis kratzt sich am Vogelnestkopf.
„Es noch ein wenig dauern, bevor der Schmerz weg ist. Bei Ihnen vielleicht sogar einige Stunden, Amadea“, sagt sie.
Als sie weg ist, nehme ich eine Schmerztablette. Schlecht ist mir nicht mehr. Lo isst noch immer von meinen Pralinen als das Telefon läutet. Es ist Isis.
„Noch Schmerzen, Amadea?“ fragt sie? „Nein, nicht mehr. Fühle mich ganz leicht und wunderbar."
Ich verschweige ihr das von der Tablette. „Na sehen Sie. Reiki. Ich komme morgen nochmals. Ich bringe dann meinen Bergkristall und meine Tarotkarten mit, vielleicht auch mein Engelbuch und das Pendel und dann werde ich Ihnen die Zukunft voraussagen.
Danke, sehr nett“, sage ich und lege auf.
Lo stopft sich gerade die letzte Praline in den Mund. Marzipan.
„Das süße Zeug tut dir nicht gut, Amadea. Es blockiert deinen Energiefluss.“

1 Kommentar:

DORI K hat gesagt…

Lach - ein herrliches Post - sehr witzig geschrieben. Meine erste Begegnung mit Reiki war auch nicht viel anders.
Viele Grüße
Dori K