Montag, Jänner 22, 2007

volles programm


Lo ruft an.
„Du hättest dabei sein sollen. Gestern."
„Lo“, sage ich.
Sie redet weiter.
„Es war das beste Kostüm, das ich je hatte. Ich sah aus wie Jack Sparrow in 'Fluch der Karibik'. Ich sah einfach toll aus.“
„Eh logisch, du hattest ja meine Hose und meinen tollen Schal.“
„Warum bist du nicht gekommen?“
„Ich wollte, Lo. Ich wollte wirklich.“
Gestern war Faschingsball im Nachbarort. Thema – Skandal im Märchenwald.
Ich hatte schon eine Idee. Ich hätte mich als Rothäppchen verkleidet. So ein wirklich rotes Häppchen wollte ich sein. Ein Signalrothäppchen.
Aber ich konnte nicht gehen. Ich wollte.
Aber Henning wollte nicht. Henning, der Schwede. Er war zu Besuch am Wochenende.
Henning war müde. Das war verständlich.
Henning kam gleichzeitig mit Kyrill. Fast. Henning war etwas langsamer als Kyrill. Weil die Maschine konnte nicht landen. Weil eben Kyrill doch ein wenig schneller gewesen war.
Henning hatte ich in London kennen gelernt. Vor vier Jahren. Ohne ihn hätte ich wohl die ersten Wochen nicht überstanden. Er ließ mich bei sich wohnen weil ich pleite war. Weil ich drei Monatsmieten im Voraus bezahlen musste. 3800 Euro waren das.
Und nun war Henning da. Und ich wollte ihm alles bieten an diesem Wochenende. Na ja, fast alles.
Deshalb kein Rothäppchen.
Kyrill war auch da an diesem Wochenende. Wir hatten Sturm an diesem Wochenende. Wie vorher gesagt. Wir hatten nicht so viel Sturm wie andere. Gott sei Dank. Aber wir hatten ein wenig Sturm. Gott sei Dank.
Ich war froh, dass wir ein wenig Sturm hatten.
Ich war froh, dass der Salzburger Flughafen ein wenig mehr Sturm hatte als wir hier im Gebirg.
Weil die Maschine, in der Henning saß, konnte nicht landen.
Weil Kyrill, der Sturm, sie nicht landen ließ.
Und das sah der Pilot ein. Kyrill war schon vor dem Flugzeug am Flughafen. Und Kyrill und Flugzeug gleichzeitg auf dem Flughafen - unmöglich. Das wäre sich nicht ausgegangen. Platzmäßig.
Salzburg ist ja nur ein kleiner Flughafen.
Also flog der Pilot nach Linz.
Linz ist auch ein kleiner Flughafen.
Aber Kyrill war zu der Zeit grad nicht in Linz. Also war Platz da.
Also kam Henning statt um vierzehn Uhr erst um siebzehn Uhr nach Salzburg. Weil so lange brauchte der Bus.
Das war gut.
Nicht für Henning.
Aber für mich. Weil ich konnte mich nach der Arbeit ein wenig ausspannen. Drei Stunden lang. Mich vorbereiten auf das Wochenende mit dem Schweden.
Henning war müde als er ankam. Er war ja die ganze Nacht geflogen.
Herunter von Schweden und dann noch von Salzburg nach Linz und dann mit dem Bus von Linz nach Salzburg.
Er hatte sich also nun wirklich ein schönes Wochenende verdient.
Ich hatte Kuchen gebacken. Und hatte ihm ein nettes Zimmer gesucht, mit Blick auf die Berge. Berge sieht man zwar fast überall bei uns. Aber es gibt auch Zimmer mit Ausblick auf Häuser wenn man keine Berge mag. Aber nicht viele. Ich hatte auch eingekauft. Fisch und Steinpilze und Kartoffeln und Tomaten und Zucchini und Ruccola und Oliven und Parmesan und Eis und Wein.
Und dann aßen und saßen und redeten wir bis Mitternacht und mir fielen die Augen zu und dem Henning auch.
Und ich schlief schwer wie ein Sack.
Und Hennig vermutlich auch.
„Du hättest dabei sein sollen“, redet Lo weiter. „Schneewittchen und Anna waren auch da.
Und Marina war da und ihr Mann. Marina verkleidet als Frosch und ihr Mann als Prinzesschen. Und was für ein Prinzesschen er war. Fast wären sie nicht gekommen. Ehekrise. Kurz vorher. Schwere Ehekrise. Es flog sogar der Ehering.“
„Aus dem Fenster?“
„Nein, sie warf ihn ihm zu Füßen.“
„War sie schon verkleidet als sie das tat?“
„Amadea, darum geht es doch nicht.“
„Darum geht es schon. Es ist ein großer Unterschied ob ein Frosch einem Prinzesschen den Ehering vor die Füße wirft oder eine Ehefrau dem Ehemann. Noch dazu wenn der Frosch die Frau und das Prinzesschen der Mann ist.“
„Amadea, das war ernst. Lass das Witzeln. Nun wären sie fast nicht zum Faschingsball gegangen. Dabei hab ich die Marina so schön geschminkt. Sie war ein perfekter Frosch. Anna sagte sogar zu ihr – Du siehst immer besonders blöd aus im Fasching. Das fehlte gerade noch. Marina, der Frosch war beleidigt.“
„War das Prinzesschen auch beleidigt?“
„Amadea, du stellst heute ständig unpassende Fragen.“
„Fragen sind niemals unpassend, nur Antworten, Lo.“
„Nun hör zu und unterbrich mich nicht immer. Anna hatte einen Spaß gemacht. Anna meinte eigentlich witzig.“
„Auch blöd, dass sie dann nicht witzig sagt sondern blöd.“
Jedenfalls fand Marina, der Frosch das 'blöd' gar nicht witzig und schmollte.“
„Nett, ein schmollender Frosch. Frösche können gut schmollen, glaub ich. Froschmäuler sind tolle Schmollmäuler.“
Lo überhörte das.
„Anna hat sich dann entschuldigt.“
„Mit einem Kuss?“ frage ich.
Mit einem Glas Sekt.“
Ich glaube, Anna hat das Frösche Küssen satt, will ich fast sagen.
„Nun erzähl“, redet Lo weiter. „Wie war es mit dem Schweden?“
Es war nett. Außerdem heißt er Henning. Und es war nichts mit dem Schweden. Er ist ein Freund.“
„Ich weiß. Erzähl.“
Und ich erzähle.
Im Stau nach Salzburg. Und dann durch die Stadt. Und dann hinein in den Dom. Und dann hinaus in den Dom. Und dann hinein in die Getreidegasse. Und dann hinauf zur Dreifaltigkeitskirche. Und dann vorbei am Grünmarkt. Und dann hinein in den Friedhof. Und dann hinauf auf die Festung. Und dann hinüber in die Galerie. Und dann hinunter in die Altstadt. Und dann hinein ins Sternbräu. Und dann hinaus aus dem Sternbräu. Und dann hinüber zum Alten Markt. Und dann hinein in die Steingasse. Und dann über die Staatsbrücke. Und dann hinein ins Tomaselli. Und dann hinüber zum Schloss Mirabell. Und dann hinein in den Marmorsaal. Und dann hinüber ins Nonntal.“
„Was habt ihr im Nonntal gemacht?“
„Geparkt. Da war es dann schon zehn Uhr abends.“
„Ihr seid die ganze Zeit gegangen?“
„Nur acht Stunden. Die restliche Zeit haben wir gesessen. Zum Mittagessen im Sternbräu. Zum Kaffeetrinken im Tomaselli. Zum Wein trinken in der Steingasse. Zum Konzert im Schloss Mirabell.“
„War das Konzert gut?“
„Ja, ich glaube. Ich habe fast geschlafen. Und ich spürte meine Zehen nicht mehr. Ich hatte die neuen Stiefel an. Die mit den hohen Absätzen. Aber ich war toll, Lo. Ich habe mich selbst übertroffen. Ich war die perfekte Stadtführerin. Aber heute bin ich geschafft. Und meine Zehen spüre ich noch nicht. Aber es war trotzdem schön. Warm war es. Wie im Mai! Und am Mönchsberg, dieses Licht, Lo. Die Bäume leuchteten. Es war wie im Zauberwald.“
„Mein Mann war auch verkleidet. Er war der Räuber Fotzenpletz“, sagte Lo.
Sie hatte genug gehört von Salzburg und meiner Rolle als Stadtführerin.
Fotzenpletz mag nun für Unkundige des Österreichischen etwas derb klingen. Ist es aber nicht. Ein Fotzpletzen ist eine Fieberblase im Salzburger Dialekt.
„Es war recht nett“, redete Lo weiter.
„Recht nett klingt langweilig“, sagte ich.
„Es war nicht langweilig, es war wirklich lustig!“ ereiferte sich Lo. „Wir sind erst um drei heim!“
„Red dich nun nicht raus.“
„Okay, es war lustig. Es war nicht wahnsinnig lustig. Ich würde sagen, wirklich lustig.“
„Wirklich lustig klingt auch nicht sehr lustig, Lo. Aber lassen wir das.“
„Das nächste Mal gehst du mit. Auch als Seeräuber. Ist der Schwede eigentlich noch da?“
„Nein“, sage ich. „Er hat morgen dieses Meeting.“
„Er wäre eine gute Partie“.
„Lo, ich will keine gute Partie. Außerdem steh ich nicht auf ihn. Er ist ein Freund. Er ist lieb und nett.“
„Und konservativ“, sagt Lo.
„Ja, das auch. Schluss nun. Ende der Debatte.“
„Okay. Aber du gehst mit. Beim nächsten Ball. Als Pirat.“
„Wir werden sehen ob ich da mitgehe. Aber auf keinen Fall als Pirat. Wenn, dann als Schwedenbombe.“
„Amadea, du bist heute blöd."
„Blöd wie witzig?"
"Nein, blöd wie blöd."

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

lo hat ausgeschaut wie johnny depp
l.g. anna
www.toplookalikes.co.uk/johnny-depp.htm

Anonym hat gesagt…

my old fruit!
ich bin wahrhaftig froh, dass die geschichte nicht darin gipfelt, dass das prinzesschen den frosch an die wand wirft...
floh

amadea's world hat gesagt…

anna, diese beaus verwexel ich immer.

lo, und du schon wieder in der hauptrolle...

Anonym hat gesagt…

(wer ist sharif?)

JMH hat gesagt…

Say, I should be in Salzburg in three to four years. Want to have coffee?

Anonym hat gesagt…

danke für die zickzack führung, im tomaselli hab ich meinen ersten einspänner getrunken. in der festung hatte ich mal zu tun und im schloß mirabell hatte ich, 1 jahr später, einen kleinen auftritt ...
gibt's noch die galerie wels?

amadea's world hat gesagt…

Konrad. was du immer für erlebnisse hast ! haha....


roman, omar sharif...kennst den ?

jmh - for a warm meal i'll show you all ;-)

engraver, wenn du wieder mal einen auftritt hast im mirabell - ob klein oder groß - lemme know :-)
die galerie welz gibt es noch. die gab es schon, als ich noch in sbg. lebte.