Sonntag, Dezember 03, 2006

dieser schleimer schon wieder

Posted by Picasa
Erkältungen sind interessant und bewundernswert.
Meine jedenfalls.
Ich liebe es, meine Erkältung zu beobachten.
Sie beginnt von einem Tag auf den anderen mit ein oder zwei Hustern. Dann ist Ruhe für einige Tage. Auf einmal in der Früh kratzt es ein wenig im Hals. Aber nur etwas. Und nur kurz. Und nach einer oder zwei Stunden niest du dreimal hintereinander. Das fällt dir nicht auf. Weil du hast gerade an der Seife geschnuppert und dieser Zitronenduft kitzelte deine Nase.
Nach zwei Stunden niest du fünf Mal hintereinander. Und das war es dann.
Und dann gehst du ins Bett. Nichts ahnend.
Am nächsten Morgen ist sie da, die Erkältung. Wie ein plötzlicher Wintereinbruch. Alles ist anders als am Tag zuvor. Dein Kopf ist voll, der Druck nicht auszuhalten. Die Augen rinnen um die Wette. Die Nasenlöcher sind abwechselnd so verstopft, dass du glaubst, du hast nur Watte im Hirnkastl.
Du bist nur mehr zu zwanzig Prozent leistungsfähig, obwohl du kein Fieber hast. Aber du fühlst dich trotzdem krank. Du legst dich, weil Gott sei Dank Wochenende ist, sofort nach der Arbeit ins Bett mit Tee und Rotlichtlampe und einer Großpackung Taschentücher. Am Abend nimmst du ein Erkältungsbad, sprühst dir danach homöopathisches Schnupfenmittel in beide Nasenlöcher, reibst dir Wick auf Brust und Rücken, trinkst einen Liter heiße Zitrone und nimmst dir eine Wärmeflasche mit.
Zuvor stopfst du dir noch kleine Papiertaschentücherkügelchen in die Nasenlöcher, legst dich auf den Rücken, weil du so besser Luft bekommst und fällst in tiefen Schlaf. Für eine halbe Stunde. Nach kurzer Zeit bist du wieder wach, du hast von einem Wüstensandsturm geträumt. Dein Mund ist vollkommen ausgetrocknet weil dich die Papiertaschentücherkügelchen nicht durch die Nase atmen lassen. Also trinkst du zwei Liter Wasser und gehst wieder zu Bett. Nach kurzer Zeit bist du wieder wach weil dich deine Blase drückt. Die Wärmeflasche liegt kalt auf deiner Brust. Irgendwann schläfst du wieder ein.
Am nächsten Morgen ist es schon viel besser. Und du bist froh und freust dich, dass die Erkältung deinen Kopf und dich verlassen hat.
Nach dem Aufstehen Überraschung! Sie ist noch immer da!
Sie hat dich nur ein wenig um den Finger oder um sonst was gewickelt. Sie ist nicht mehr im Kopf. Sie ist in den Bronchien. Hurra! Nur ein wenig tiefer gerutscht ist sie. Und da schleimt sie sich nun weiter ein. Und du hustest und hustest. Einmal mit Schleim, einmal ohne, dann wieder drei Mal mit und zwei Mal ohne.
Ach ja, denkst du dir. Wie hab ich nur glauben können, dass die Erkältung nur drei Tage bei mir bleibt!
Nun fängst du an zu inhalieren und wiederum mit Rotlichtlampe Kopf und Brust zu bestrahlen. Du presst jeden Tag zwei Kilo Orangen aus weil Vitamin C ist ja so gut bei einer Erkältung. Und du trinkst literweise Tee. Dieses Mal den Halskratzertee.
Und nach zwei Tagen ist der Husten vorbei und du bist guter Dinge und gehst zur Weihnachtsfeier, trinkst sogar zwei Gläser Wein und danach gehst du noch in die Bar und trinkst wieder zwei Gläser Wein und dann tanzt du auch noch und singst laut und schwitzt und denkst gar nicht mehr an die Erkältung. Weil die ist nun endgültig weg. Endgültig herausgeschwitzt.
Und zu Hause duschst du und schläfst wie ein Murmeltier.
Nach dem Aufstehen schon wieder Überraschung. Hurra!
Die Stimme ist weg. Total weg. Du krächzt wie ein Rabe. Und du presst dir wieder Orangen aus, weil Vitamin C ist ja so gut und du holst wieder die Rotlichtlampe und du schmierst dir Brust und Rücken und dieses Mal auch Hals mit Wick ein und liegst auf der Couch. Den ganzen Nachmittag. Und du nimmst dir vor, nichts oder wenigstens nur das Notwendigste zu reden. Aber das ist natürlich schwierig wenn die Freundinnen zum Krankenbesuch kommen. Und du bist beeindruckt von deiner Erkältung und das erzählst du auch. Immer wieder. Jeder Freundin, die kommt, mindestens einmal. Du bist voll der Bewunderung für deine Erkältung, die es schafft, vom Kopf hinunter in die Nase, dann in den Rachen und wieder hinauf in den Kopf zu schleichen und da herumzuschleimen. Tagelang.
Und du erzählst, dass die Erkältung raffinierter ist als du. Was für eine Leistung ist. Ja wirklich. Und du erzählst, wie überrascht du bist, dass dich die Erkältung an der Nase herumführt, nicht nur an der Nase auch am Rachen, an der Stimme und am Hirn. Und wie sie dich niederhaut.
Ein wirklicher Schleimer, diese Erkältung, ein hinterlistiger. Aber irgendwie witzig, irgendwie interessant. Man könnte sich einiges abschauen. Es ist schon eine Leistung, so hartnäckig und beständig zu sein.
Ich bewundere meine Erkältung. Ja, ich bewundere sie.
Und die Freundin hört zu, gebannt, interessiert.
Und auf einmal, auf einmal hustet sie zwei Mal. Hintereinander. Und dann nichts mehr.
Und auf einmal niest sie. Drei Mal.
Das ist sicher diese Seife, die du da hast. Diese Zitronenseife. Sie kitzelt in der Nase.

7 Kommentare:

saxana hat gesagt…

Ja, genau so läuft es auch bei mir ab. Nur könnte ich das nicht so interessant erzählen wie du.

Anonym hat gesagt…

lol
sie können einem aber auch die mieseste laune verderben!
danke schön ;-)

Anonym hat gesagt…

... gute besserung!

Anonym hat gesagt…

wenn ich an erkältung denke, fällt mir als erstes großmutters schnapstee ein.
tee + schnaps + honig + ab ins bett.
dazu ein trikspruch:
rinne bauchwärts sonnenstrahl
feuchte meine dürre kehle
kommst du unten an im tal
jauchzt gen himmel meine seele
meine leber pocht alarm
lechtzt nach deinem kuss
du machst eisgefilde warm
heiliger schnapsissimus

amadea's world hat gesagt…

saxana, du erzählst so wie du erzählst und so ist das gut :-)

engraver, es freut mich, dass ich dir die die schlechte laune verderben konnte !
danke - geht schon wieder. ich krächze nur mehr.

haha, fliedermaus. des hob i no nia g'hert!

see you at the weekend - hopefully :-)

Anonym hat gesagt…

You have a distinct voice, and it gives me pleasure, even in your misery.

amadea's world hat gesagt…

jmh, you really surprise me that you get the meaning of my writing though English is not your native language and I am sort of writing in "Austrian" German which is quite different from the "German" German.
And my voice is back - more or less.

Gruß aus Österreich :-)