Sonntag, November 26, 2006

ausweis

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Ich stehe an der Kassa mit einem Packerl Milch.
Ein junger Bursch mit seiner Freundin vor mir. Als der dran ist, stellt er eine Flasche Wodka auf das Laufband. Das Mädchen legt zwei Packerl Kaugummi drauf.
Ausweis, sagt die Verkäuferin. Sie schaut den Burschen gelangweilt und müde an.
Ich bin einundzwanzig, sagt dieser.
Trotzdem, Ausweis.
Ich bin einundzwanzig, hab ich gerade gesagt, bellt der Bursch.
Alles klar, zeig mir deinen Ausweis. Das ist Vorschrift.
Dann nur die Kaugummis. Ich stell den Wodka wieder zurück.
Nein, sagt die Verkäuferin, und will nach der Flasche greifen.
Ich stell sie zurück, habe ich gesagt, schreit der Bursch.
Die Verkäuferin hält die Flasche mit beiden Händen fest. Sie grinst. Ich mach das.
Nun reicht es dem Burschen.
Er schmeißt die Kaugummis auf den Boden und schreit: Dann brauch ich das auch nicht.
Die Verkäuferin weicht zurück. Der Bursch packt seine Freundin an der Hand und beide laufen hinaus.
Diese Jugendlichen heutzutage. Glauben wohl, dass sie da so ungeschoren an mir vorbei kommen. Was glauben die eigentlich?
Naja, a bissl frustiert halt, der Bursch, sage ich und stell die Milch auf das Laufband.
Die Verkäuferin schaut mich an.
Ihr Haar ist grau und glanzlos so wie ihre Augen. Die Haut grau.
Ich mag sie nicht. Sie ist manchmal an der Kassa. Sie ist wahnsinnig langsam. Sie ist immer schlecht gelaunt, sie lächelt niemals. Sie braucht ewig lang, bis sie den Preis eintippt. Manchmal scheint es mir, als mache sie absichtlich langsam. Sie erinnert mich an jene Leute, die man manchmal sieht und die immer nur schlecht gelaunt sind. Immer und überall. So als ob sie ihren Ärger, ihre Frustration jedem Menschen mitteilen wollten und immer aufs Neue frustriert sind weil niemand sie wahrnimmt. So als ob alles gegen sie gerichtet sei, die ganze Welt.
Ich scheiß auf die Jugendlichen, sagt sie. Ich bin verantwortlich für dieses Geschäft und an mir kommt keiner vorbei wenn ich nicht will.
Gut zu wissen, sage ich.
Und wie sie daherkommen. Sollen arbeiten. Wo die nur das Geld herhaben für Alkohol. Und ich bin dann schuld wenn sie irgendwo liegen und die Polizei draufkommt, dass sie das Zeug bei uns gekauft haben.
Ich sage nichts. Ihr Gesichtsausdruck sagt mir, es ist besser nichts zu sagen. Ich will nur meine Milch bezahlen.
Wissen’S, sagt sie.
Wir haben einen Wisch unterschreiben müssen. Wir haben unterschreiben müssen, dass wir Minderjährigen keinen Alkohol verkaufen.
Alle, die wir bei der Kassa arbeiten, haben das unterschreiben müssen. Dabei müsst ich gar nicht an der Kassa arbeiten. Aber das Lehrmädchen ist krank, und zwei Verkäuferinnen im Urlaub. und dann mach ich meine Pflicht und mehr noch und dann wirst nur blöd angeredet und beschimpft.
Plötzlich tut sie mir leid.
Ich habe keine Ahnung, wie ihr Leben aussieht. Vielleicht hat sie einen kranken Mann zu Hause oder gar keinen. Vielleicht ist sie einsam, vielleicht ist sie von ihren Kindern enttäuscht, oder von ihrem Leben. Vielleicht ist sie überfordert mit allem, vielleicht reicht das Geld nicht, vielleicht, vielleicht…
Wollen sie eine Tasche?
Nein, danke.
Sie gibt mir das Wechselgeld, sieht mich an und sagt stolz: Kein einziger kommt auch nur mit einem Tröpfchen Alkohol aus diesem Geschäft. Nicht, so lange ich hier Dienst tue. Soll sie alle der Teufel holen.
Ich bedanke mich und gehe.
Und auf einmal bin ich traurig.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wenn man traurig ist, ist es umso schöner, wenn genau in dem Augenblick jemand auf die Idee kommt, einen mit einem Lied zu erfreuen.

Anonym hat gesagt…

Ich bin ganz auf der Seite der alten Hexe, äh, Kassierin. Keine illegalen Drogen!

amadea's world hat gesagt…

Das hab ich gern gemacht, fusserl :-)

teacher, ich ja auch :-)