Freitag, September 08, 2006
i c Q
Genau neun Wochen beobachte ich sie nun schon. Die zwei Kühe. Da auf der Wiese gegenüber. Sie stehen immer zwischen den beiden Häusern. Ich sehe sie von meinem Balkon aus. Sie schauen immer in dieselbe Richtung. Nach links. Und fressen auch immer in dieselbe Richtung. Nach links.
Ich sehe sie jeden Tag. Heute sind sie genervt. Gerade eben war ich am Balkon. Sie schauten vorwurfsvoll zu mir und machten Muh. Zwei Mal.
Es klang wie „Glotz nicht so blöd.“
Neun Wochen auf einer Wiese.
Das stelle man sich mal vor. Der Höhepunkt des Tages ist, wenn der Bauer am Abend kommt und sie abholt.
Das ist immer so um sieben. Da stehen sie dann nicht mehr zwischen den beiden Häusern. Da gehen sie dann zum Törl und warten auf ihn. Ich sehe sie dann nicht, weil das Törl hinter einem der beiden Häuser ist. Aber ich höre sie. Sie machen dann ununterbrochen Muh. Es klingt wie, „Beeil dich, du Aff`. Du bist heute fünf Minuten später dran.“
Ich stelle es mir ziemlich hart vor, eine Kuh zu sein.
In aller Herrgottsfrüh weckt dich der Bauer, treibt dich auf die Wiese, auf der du jeden Grashalm kennst und geht dann. Und da bist du dann.
Und niemand anderer da als diese andere Kuh, die dich schon nervt weil sie den ganzen Tag nichts anderes zu sagen hat als Muh.
Ws sollst du anderes tun als fressen? Obwohl du den Fraß eh nicht mehr sehen, geschweige denn fressen kannst.
Einmal gab es ein besonderes Ereignis in den neun Wochen.
Ein Schwein hatte sich auf die Wiese verirrt. Lo und ich standen am Balkon und beobachteten das Treiben.
Das Schwein stand zwischen den Kühen. Zuerst. Und grunzte. Es klang wie, „Seid ihr total verblödet ihr zwei? Wie könnt ihr nur hier den ganzen Tag herumstehen?“
Lo und ich fragten uns, wie das Schwein da zu den Kühen auf die Wiese gekommen war. War es dem Bauer heimlich gefolgt? War es aus dem Schweinestall in einem unbeobachteten Augenblick abgehauen?
Jedenfalls machte das Schwein einen Wirbel.
Ein Gegrunze war das.
„Ihr könnt euch doch das nicht gefallen lassen. Ihr müsst euch wehren. Das ist doch kein Leben, das ihr da habt! Ihr müsst etwas verändern!“
Und dann ging es los. Das Schwein fing an zu laufen. Im Kreis. Wie eine wild gewordene Sau lief das Schwein. Und auf einmal fingen die Kühe auch an zu laufen. Hinter dem Schwein her. Das Schwein grunzte laut. Und auf einmal muhten die Kühe auch laut.
Schwein und Kühe grunzend und muhend im Kreis.
Und dann waren alle drei verschwunden. Sie waren alle drei nicht mehr zwischen den zwei Häusern. Sie waren beim Törl und warteten auf den Bauern. Das war am frühen Nachmittag. wir sahen zwar nicht, weil das Törl hinter einem der beiden Häuser ist. Aber wir hörten sie. Sie machten ununterbrochen Muh und Grunz. Es klang böse und ungeduldig, Vorwurfsvoll, aggressiv.
Irgendwann war dann Schluss. Der Bauer musste gekommen sein.
Am nächsten Tag war alles wie immer.
Die zwei Kühe standen wieder zwischen den beiden Häusern. Sie grasten wie immer. Nach links.
Dann und wann ein Muh.
Es klang wie, „Endlich wieder Ruhe. Da haben wir aber Schwein gehabt.“
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
2 Kommentare:
Amadea, wunderbar.
Danke, Meister.
Kommentar veröffentlichen