Samstag, August 19, 2006

jeder mensch ist ein abgrund

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Jedes Mal wenn ich mit dem Rad den Berg hinauf fahre, sehe, höre oder rieche ich etwas Neues.
Etwas Schönes.
Etwas, das ich am Vortag noch nicht gesehen habe, obwohl ich meistens um dieselbe Zeit fahre.
Einmal ein Lichtfleck in Form einer Violine am dunklen Waldboden.
Ein anderes Mal gluckst der Bach auf eine besondere Art.
So, als ob er mich auslachen würde.
Und dann ein eigenartiges Wischen. Wie von einer Sense.
Es ist eine Kuh, die unsichtbar zwischen Bäumen frisst.
Manchmal rieche ich frisch geschnittenes Gras und der Bauer hebt die Hand und lächelt.
Manchmal fahre ich vom dunklen Tal hinauf in die Sonne.
Und es ist einen kurzen Augenblick lang warm und das Licht leuchtet sanft.
Gestern war es anders.
Da lag ein großer Stein mitten am Weg. Ich sah ihn schon von weitem.
Und als ich ganz nahe war, sah ich das Grauen.
Eine Blindschleiche, erschlagen mit dem Stein.
Ein Gemetzel.
Eine Hinrichtung.
Das war nicht zufällig, das war absichtlich geschehen.
Später zu Hause in den Nachrichten höre ich.
Im Nachbardorf hat man Jugendliche ausgeforscht.
Sie haben jahrelang Tiere misshandelt.
Kühe auf der Weide.
Schafe auf der Wiese.
Mit Steinen geschlagen und verletzt bis sie geblutet haben.
Einfach so.
Aus Spaß.
Zum Zeitvertreib.
Ich weiß nicht ob ich heute auf den Berg fahre.
Der Stein liegt sicher noch immer dort.

"Jeder Mensch ist ein Abgrund;
es schwindelt einem, wenn man hinabsieht."

Georg Büchner - Woyzeck

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