Donnerstag, Juni 15, 2006
pflanzen an bord
Ich bin noch nicht draufgekommen, warum so viele Leute diese Baby-an-Bord-Aufkleber auf ihren Autos haben. Vielleicht wollen die stolzen Eltern, dass man sie fragt ob man das Baby anschauen darf.
„Warum haben Sie mich aufgehalten?“
„Ich möchte gern ihr Baby ansehen.“
„Warum?“
"Weil Sie dieses Werbepickerl am Auto haben.“
Vielleicht sind die Gründe ganz andere.
Vielleicht gibt’s diese Aufkleber, damit der Fahrer dahinter nicht in das vordere Auto rein kracht.
„Schau, Hedwig. Siehst du das Auto vor uns mit dem Aufkleber? Eigentlich wollte ich ein bisschen anfahren. Aber sie haben ja ein Baby im Auto. Ich werde es doch lassen.“
Es ist komisch.
Ich meine, wer plant denn schon, in einer Autoschlange dem Vordermann oder der Vorderfrau aufzufahren, egal ob da ein Baby drin ist oder nicht.
Als ich diesen Aufkleber das erste Mal sah, dachte ich mir: „Aha, eine Warnung. Sehr aufmerksam. Ich muss nun besonders gut aufpassen, dass ich da ja nicht auffahre.Da ist ja ein Baby im Auto.“
Aber so kann es auch nicht sein. Weil wenn du so nahe an dem Auto bist, sodass du das lesen kannst, ist es eh schon zu spät. Der notwendige Sicherheitsabstand ist deutlich unterschritten und wenn der da vorn unmittelbar bremst, klebst du schon an der Stoßstange, sogar bei 30 km/h.
Vielleicht ist es auch so, dass Eltern, wenn sie ein Baby im Auto haben, eher gefährdet sind, einen Unfall zu verursachen, weil sie ja das Baby ständig ablenkt. Weil es vielleicht schreit, weil es Hunger hat oder die Hosen voll oder weil es gelangweilt ist oder Bauchweh hat. Und dann muss sich die Mama oder der Papa ständig umdrehen während des Fahrens, das Baby beruhigen, streicheln, ihm den Schnuller reinstecken, oder ihm „Alle meine Entchen“ vorsingen. Oder vielleicht das Flascherl geben oder füttern. Und das kann ganz schön ablenken beim Fahren. Man sollte also einen großen Bogen um solche Baby-an-Bord-Aufkleber-Autos machen, weil sie unberechenbar sind.
Es kann auch sein, dass so ein Aufkleber für einige Leute, vielleicht Frauen, die sich schon lange ein Baby wünschen, ein Signal ist.
„Hedwig, der Abstand zum Auto ist zu gering. Nicht so nahe ran, sonst kracht es noch!“„Aber ich will das Baby sehen, Fritz!“
Zu spät.
Es kracht bereits.
“Da, da ist es. Siehst es? Ich glaub, es schläft. Hat an Schnuller im Mund. Wieso hält es den Arm so verdreht?“
Der Grund für diese Aufkleber muss ein anderer sein. Ich glaube, dass die Eltern einfach nur stolz sind, ein Baby zu haben und es aller Welt mitteilen müssen.
„Hey, schaut mal. Nun haben wir auch ein Baby! Und ihr nicht!“
Und weil sie eben grad nicht mit dem Kinderwagerl unterwegs ist, in dem sie den Nachbarn und der ganzen Stadt ihr neues Baby zeigen können, sondern im Auto, wo das Baby niemand sieht, haben sie eben diesen Aufkleber hinten dran. So dass, wenn sie aussteigen, sich sofort eine Gruppe von Neugierigen und Interessierten um sie versammelt und das Baby bewundern können. „So liab, gonz da Papa.“
Ich würde mir mehr solche Aufklebern wünschen.
Schwangere an Bord, Fötus an Bord, Zwillinge an Bord. Adoptivkind an Bord, ADS-Kind an Bord.
Aber auch – Jungfrau an Bord, FemmeFatale on Bord, Fußballer an Board, Alkoholiker an Board.
Schwiegermutter an Bord, Hund an Bord, Computer an Bord, Waschmaschine an Bord, Fahrrad an Bord.
Es sollte für alle nur denkbaren Situationen so ein Pickerl geben.
Als ich das letzte Mal vor meinem Urlaub meine Grünpflanzen von Balkon und Wohnung zu meiner Freundin brachte, und ziemlich abgelenkt war von all den wippenden Ästen, und den im Wind sich wiegenden Blattwerk – ich hatte nämlich alle Seitenfenster offen, weil sonst hätte das opulente Grünzeug gar nicht reingepasst - hätte ich einen Aufkleber gebraucht.
Die riesigen Sonnenblumen nahmen mir den Blick auf die Straße, der Olivenbaum kitzelte mich im Gesicht, der Oleander verstellte mir die Sicht auf den Rückspiegel und die Fleisch fressende Pflanze verbiss sich in meinem Nacken. Erst als ich ihr ein Stück von meiner Wurstsemmel gab, ließ sie ab von mir.
Wie freute ich mich, als an der Kreuzung ein Radfahrer an mein Fenster klopfte, sich als passionierter Gärtner vorstellte und mir mit einem freundlichen Lächeln einen Aufkleber "Pflanzen an Bord" überreichte.
Als Dank überreichte ich ihm die Fleisch fressende Pflanze.
Ich war froh, dass ich sie los war.
Sie war in letzter Zeit ziemlich aggressiv geworden.
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