Freitag, Mai 19, 2006

ungeduld

Ich bin ungeduldig.
Auch wenn ich daran arbeite, es nicht zu sein. Es gelingt mir nicht.
Wenn ich vor einer Ampel stehe, die rot ist, dann drücke ich den Knopf nicht einmal, sondern zehn Mal.
Und wenn ich sehe, dass der Lift sich noch im 5. Stock oben befindet, gehe ich sowieso zu Fuß.
Was ohnehin gesünder ist.
Wenn ich den Computer einschalte, dann warte ich nicht, bis er ganz hochgefahren ist, sondern drücke gleichzeitig den Email –Mediaplayer- und Internet-button, mit dem Ergebnis, dass der Rechner zu stöhnen anfängt oder sich aufhängt.
Sehr ungeduldig bin ich, wenn Leute erzählen und erzählen.
Irgendwas. Einfach um des Redens willen, vollkommen Uninteressantes.
Es gibt solche Leute. Sie reden und reden und merken gar nicht, dass du nicht zuhörst. Sie reden, sagen aber nichts. Sie kommen nicht zum Punkt. Bei vielen von diesen Erzählungen gibt es auch gar keinen Punkt.
Wie unlängst der derzeitige Chef von mir.
Er ist gottlob nur ein Übergangs-Chef.
So lange, bis wir einen neuen Chef oder eine neue Chefin haben.
Er ist ein Fall für sich. Er redet viel und gerne. Und unnützes Zeug. Das, was er in zehn Minuten sagt, könnte man in einem Satz sagen. Ich jedenfalls.
Außerdem hat er diese Angewohnheit, nach jedem dritten Wort die hübsche Phrase „Ich meine“ einzustreuen, und das im Dialekt.
Das hört sich dann ungefähr so an.
Waßt, i hob donn die Heidi troffn, i man, und hob des mit ihr besprochen, i man, und sie hot gsogt, i man, i moch des scho richtig, i man, obwohl, i man, i bin in so an Stress, derzeit, i man, i waß scho nimmer, i man, wo mir da Kopf steht, i man. You man. Stop it!
Nun musste ich unlängst mit ihm zu dem Meeting fahren. Er nahm mich in seinem Auto mit und da saß ich nun. Ihm und seinen unendlichen Geschichten vollkommen ausgeliefert.
Auf dem Beifahrersitz. Und er redete und redete.
Die Chemie zwischen uns ist nicht die beste. Lo meinte unlängst, er habe Respekt vor mir, was mir ziemlich gefällt, muss ich zugeben.
Ich kann ihn nicht riechen. Ich meine, ich kann ihn nicht gut riechen.
Er ist nicht einer jener Zeitgenossen, die ein Problem mit körperlicher Hygiene haben. Er wirkt immer recht adrett und nett.
Aber er riecht einfach nicht gut. Ich sitze also da im heißen Auto, die Sonne brennt durch das Fenster. Ich öffne das Seitenfenster.
Ich meine, es genügt, wenn einen jemand nervt wegen seines Gelabers, oder? Zusätzlich Atem anhalten auch noch ist zu viel.
Drum das offene Fenster.
Kaum mache ich den ersten tiefen Atemzug, ist das Fenster schon wieder zu.
Und gleich darauf die Erklärung.
I man, es zieht do a bissl, i man, ich will mir da keine Augenentzündung holen, i man.
Fast hätte ich ihn gefragt, weißt du, dass Iman mit David Bowie verheiratet ist?
Ich unterließ es.
Es gibt auch geduldige Leute, ich merke das schon. Es gibt welche, die sich niemals aus der Ruhe bringen lassen.
Nicht jeder geht durch’s Leben als stünde er permanent unter dem Einfluss von Red Bull.
Am nächsten Tag schickte ich ihm - also meinem derzeitigen Chef auf Zeit - eine wichtige Email. Und erhielt nach drei Wochen die Antwort mit dem Hinweis „Dringend – Sofort weiterleiten“.
Unglaublich.
Ich versuchte es wirklich.
Ernsthaft.
Ich nahm mir vor, drei Wochen zu warten bevor ich die Email weiterleiten würde.
Ich wartete eine Stunde. Dann hielt ich es nicht mehr aus.
Und leitete weiter.
Ich wünsche mir manchmal, ich wäre anders programmiert.
So, als ob ich unter dem Einfluss eines Beruhigungsmittels stünde.
Ich wünsche mir manchmal, ich würde verschiedene Dinge mit Verspätung oder gar nicht erledigen.
Und ich wäre easy und relaxed. Und nichts würde mich nerven.
Ich wäre die Ruhe selbst. Kein Anflug von Ungeduld.
Kann es sein, dass der Übergang zwischen Geduld und Gleichgültigkeit fließend ist?
Ich glaubte viele Jahre lang, dass mein Exmann die Geduld in Person ist. Was stimmt. Er war geduldig. Aber vieles war ihm eigentlich egal. Gleichgültig.
Es ist gut so, wie ich bin.
Ich bin lieber ungeduldig als gleichgültig.

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