Samstag, Mai 06, 2006

einen kleinen braunen, bitte

Ich bin fast nie schlecht gelaunt, und ich ärgere mich auch selten über die alltäglichen Widrigkeiten, die mir so unterkommen. Na ja, vielleicht ärgere ich mich ein wenig, aber wenn, dann nur kurz und mein Ärger ist schnell verflogen.
Ich jammere nicht tage- und wochenlang herum wegen irgendwelcher Kleinigkeiten, die ich nicht verändern kann.
Ich bin eine Person, die eher handelt als jammert.
Wenn mich jemand ärgert oder nervt, dann sage ich es und die Sache ist erledigt. Schon vergessen im nächsten Moment. Aber dieser eine Vorfall im Kaffeehaus ist doch eine Erwähnung wert.
Wenn ich in einem Cafe sitze und meinen Verlängerten oder kleinen Braunen trinke, dann benehme ich mich so, wie es sich eben gehört. Ich suche mir einen Platz aus, setze mich hin, warte, bis die Kellnerin kommt und bestelle meinen Kaffee. Sie bringt mir auch gleich die Zeitung mit. Und damit hat sich’s. Von nun an bin ich ruhig. Ich lese, nippe am köstlichen Getränk und bin ruhig.
Unlängst war es ein wenig anders.
Da war diese neue Angestellte, aus Leipzig. Die Kellnerin, die genau weiß, wie ich den Kaffee will und wo ich immer sitze, hatte Urlaub.
Ich steuerte auf meinen Stammplatz zu, der nun, da alle Touristen sich anderweitig herumtreiben als auf unseren Schipisten, nicht besetzt war. Die Kellnerin hatte gerade den Tisch abgewischt, was ich nicht gesehen hatte. Ich meinte also, sie wartete auf mich und sagte: „Guadn Moagn, an Valängat'n, bitte.“
Ich gab also die die Bestellung im Stehen auf. Was ihr wohl nicht gefiel.
Ich wollte mich gerade hinsetzen, als sie sagte: „Wir bestellen im Sitzen.“
Sie sagte tatsächlich „wir“! Das ärgerte mich kurz.
Ich bin weder Kindergarten- noch im Greisenalter. Wie kommt diese Frau dazu, mich in der Wir-Form anzureden?
Sehe ich aus, als sei ich entmündigt?
Ich konnte mich nicht beherrschen und antwortete: „Bitt schö, Se derf’n Sie gern hinsetz’n“.
Keine Antwort. Entweder sie war noch nicht an den Soizbuaga Dialekt gewohnt, oder sie war so perplex, dass es ihr die Sprache verschlagen hatte.
So weit, so gut.
Meine Manieren im Kaffeehaus sind meistens sehr gut bis ausgezeichnet.
Ich lasse an der Kuchentheke anderen Leuten den Vortritt.
Ich betreibe smalltalk mit dem Personal.
Ich hinterlasse keine Kuchenkrümel auf dem Tisch.
Ich stelle den Sessel hinein, wenn ich das Cafe verlasse.
Ich hinterlasse die Toilette so, wie ich sie betreten habe.
Ich bleibe auch nicht stundenlang bei meinem kleinen Braunen sitzen, sondern bin meist nach zwanzig Minuten wieder weg.
Ich versitze also nicht unnötig Platz, sondern nur so lang, wie ich brauche, meinen Kaffee zu trinken ohne mir die Zunge zu verbrennen.
Ich bin also eine angenehme Kaffeehaussitzerin.
Freundlich, nett, höflich, ruhig.
Vorige Woche war ich in der Stadt.
Da gibt es dieses neue Kaffeehaus. Mit allen möglichen Kaffeevariationen, die ich nun nicht aufzähle, weil sie mir wurscht sind.
Dieses neue Cafe ist eines neuen jungen Sorte.
Trendig - schönes Ambiente, angenehmes Lichtdesign, riesige, weiche Sofas.
Als ich mich hin setzte und ganz zurücklehnte, berührten meine Füße den Boden nicht mehr und ich fühlte mich zurückversetzt in die Zeit des Füßebaumelnlassens.
Es war sehr bequem, da zu sitzen, wenn auch ein wenig umständlich.
Weil wenn ich an meinem Kaffee nippen wollte, musste ich ganz vorrutschen und mich tief nach vor beugen, weil der Tisch die Höhe des Sofas hatte. Ich musste den Kaffee fast schlürfen. Leise natürlich. Weil es war schwierig, die Kaffeetasse hochzuheben. Es konnte dann ganz leicht passieren, und fast wäre es so weit gewesen, dass ich in dem wunderbar weichen, gefederten Sitz irgendwie das Gleichgewicht verlieren und vor lauter Anstrengung, den Kaffee elegant zu trinken, ich mich und das Sofa unter mir bekleckern würde.
Es sah also nicht sehr elegant aus, wie ich meinen Kaffee trank.
Aber ich gab mein Bestes.
Jedenfalls fiel ich nicht auf. Die anderen Gäste schauten nicht auffällig zu mir herüber.
Dem Mann an der Bar, der mich mehrmals ansah, gefiel vermutlich die Farbe des Sofas.
Ich war froh, dass ich Jeans und die schwarze Jacke trug.
Nach jedem erfolgreichen Nippen sank ich dankbar in die weichen Polster.
Aber zurück zum eigentlichen Thema.
Ich lag da also mehr oder weniger auf dem Sofa, als mir die Kellnerin den Kaffee brachte. Wollte es mir gerade gemütlich machen und die Zeitung lesen.
Als sie meine Tasse am Tisch abstellte, sah sie zum Nebentisch hinüber und ich gleichzeitig mit ihr. Ich hatte nur aus den Augenwinkeln gesehen, dass da Leute saßen.
Und sie sah und ich mit ihr, dass auf dem Tisch ein McDonalds Plastikbecher Größe XX-large stand.
„Ist das Ihr Cola?“ fragte sie das Mädchen, das da wie ein Wollschal am Hals ihres Freundes hing, die Beine am Sofa, die Schuhe ausgezogen unterm Tisch.
„Jo, owa i trink’s eh nit do herinn, ehrlich nit“, sagte sie. „I hob nua mein Freind b’suacht. I geh eh glei wieder. Ehrlich!“
Und schon hing der sprechende Schal wieder küssend am Hals des Freundes.
Die Kellnerin hatte anscheinend keine Lust, sich auf eine Diskussion einzulassen und zog von dannen.
Zehn Minuten später verließ der Bursch das Kaffeehaus.
Sie blieb sitzen, nahm den XX-large Colabecher, legte sich auf das Sofa, Beine am Tisch und fing an zu schlürfen.
Sie trank nicht, nein – sie schlürfte das Cola lautstark mittels Strohalm in sich hinein. Und das sehr laut.
Ich ging. Meinen Kaffee hatte ich ausgetrunken, was sollte ich also noch da.
Ich behaupte nicht, dass ich die perfekte Kaffeehauskundschaft bin.
Ich helfe der Kellnerin nicht, den Tisch abzuräumen und frage auch nicht nach dem Besen, wenn ich auf den Boden gebröselt habe.
Ich habe auch schon manchmal heimlich vom Brezerl, das ich beim Bäcker gekauft hatte, abgebissen und in Zeiten, als ich Studentin war, regelmäßig Zuckersackerl – ich glaub, die heißen Zucker-Sachets – mitgehen lassen.
Aber ich habe Manieren.
Die hatte ich auch als ich so alt war wie dieses Mädchen.
Ich esse manchmal einen Topfenstrudel, dann und wann ein Punschkrapferl, ich gebe immer Trinkgeld, es sei, die Bedienung ist unfreundlich.
Was selten bis gar nicht der Fall ist.
Aber ich kaufe etwas in einem Kaffeehaus.
Wenigstens einen Kaffee.

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