
Es schneite noch immer. Schon den zweiten Tag und die Nacht zuvor.
Bevor ich mich zurecht machte, schaufelte ich mein Auto frei, kratzte das Eis von den Scheiben und holte die Schneeketten aus dem Keller – für alle Fälle.
Es dauerte eine Weile, bis ich in meinen high heels von der Haustür zum Auto gelangte. Danach wartete ich, ließ Heizung und Gebläse auf höchster Stufe laufen und drehte die Musik so laut, dass Blas- und Heizgeräusche übertönt wurden. Ich sang laut mit ..there is something on your mind…
In dem Moment war nicht viel anderes in meinem Kopf als der Gedanke an die Fahrt nach Salzburg.
Etta James hörte auf zu singen.
Stau auf der Tauernautobahn in beiden Richtungen nach einem Verkehrsunfall.
In solchen Momenten hasse ich den Winter. Und vor allem den Schnee.
..if you ever think about me…
Ein Blick in den Spiegel genügte, um zu sehen, dass ich mich mit meiner Frisur nicht so viel Mühe hätte machen müssen. Der kurze Weg zum Auto hatte genügt.
Es war schwierig, mit den high heels die Pedale zu bedienen, doch die Moonboots lagen im Kofferraum und ich wollte nicht aussteigen. Es schneite stärker als zuvor.
Ich kam nicht mal auf die Autobahn. Die Auffahrt war geblockt. Und zwar von einem deutschen Urlauber, der vor seinem Mercedes kniete und versuchte, die Schneeketten zu montieren. Vergeblich. Bis sich endlich der Autofahrer hinter mir sich seiner erbarmte und ihm half.
Ich war schon etwas spät dran.
.....if someone is rocking your cradle better than you do…
Wieder die Meldung - Stau auf der Autobahn.
Ich muss abfahren.
..please don’t try to tell me because …
Ich fuhr also ab.
Keine gute Idee.
Es war wenig Verkehr. Nur manchmal kam mir langsam ein Auto entgegen. Unheimlich.
Es schneite nach wie vor. In dicken Flocken.
Als ich zum Pass kam, vor mir ein Auto. Die Alarmanlage blinkte nervös.
Ein Kleinbus aus Zagreb. der Fahrer kam zu mir und fragte mich irgendwas. Ich verstand gar nichts. Er verstand nicht Englisch.
Ich zuckte mit den Schultern.
Resignierend ging er zu seinem Auto, rutschte aus, und stieg dann ein.
Sorry, rief ich ihm nach.
Da stand ich nun. Und kam nicht vorwärts. Die Reifen drehten durch.
Ich rutschte nach hinten, als ich versuchte, zurück zu fahren.
Es dauerte ewig lange, bis ich die Schneeketten montiert hatte. Die Moonboots hatte ich inzwischen angezogen. Meine Finger waren blaugrün gefroren, ich fluchte, schrie, weinte. Die Schneeketten wollten nicht rauf.
Wütend stieß ich mit dem Fuß gegen die Felgen, mit dem Ergebnis, dass mir der große Zeh höllisch weh tat, was mich noch wütender machte. Es wurde dämmerig, kein einziges Auto kam vorbei und der Fahrer aus Zagreb war auch nicht mehr da. Zu Fuß war er gegangen, um Hilfe zu holen oder was auch immer. Er hätte mir ohnehin nicht helfen können.
Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis die Schneeketten endlich montiert waren. Ich drehte um und fuhr heim. Kurz darauf ein Anruf. Wo bleibst du denn, wir warten schon. Die Vorstellung fängt gleich an. Ich verstand sie fast nicht, weil die Ketten so laut rasselten. Nur ihr Kichern hörte ich.
Etta James sang …stormy weather…
Und ich fuhr nach Hause.
Klatschnass, durchgefroren, fluchend und weinend.
Etta James sang nicht mehr.
Es schneit immer noch, die Schneeketten sind noch am Auto und die high heels liegen im Kofferraum.

Ich werde mir nun einen Kamillentee kochen und mich vor den Fernseher hocken.
In eine Vorstellung nach Salzburg fahre ich vor April nicht mehr.
Der Winter hier ist Theater genug.
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