Samstag, Jänner 24, 2009

labskaus


Nach meiner letzten Fortbildung hab ich mir geschworen, nie mehr an einer teilzunehmen.
Aber da man ja als LehrerIn sich zwei Mal im Jahr fortbilden sollte, hab ich mich halt wieder angemeldet.
Für einen Kurs. Thema – Stressbewältigung.
Das bräuchte ich jetzt eh nimmer, weil ich heuer keinen Stress habe. Ich habe keinen Stress, weil ich nicht mehr Klassenvorstand bin.
Aber angemeldet ist angemeldet. Also fuhr ich heute.
Stressbewältigung durch BSFF hieß der Kurs. BSFF klingt nicht gut. BSFF klingt nach BSE.
Den ganzen Freitag Fortbildung bis fünf Uhr, wo ich nur bis ein Uhr Schule hätte. Ich war etwas zu spät, was aber wurscht war, wie sich im Laufe der Fortbildung heraus stellte.
Wir sitzen im Kreis. Vorne die Ffrau Doktor. Rechts neben mir ein ruhiger Typ mit Brille, der wie ein Werbegrafiker aussieht und nicht wie ein Lehrer.
Links von mir ein Falco-Typ, nur blond und ohne Pomade. Er kramt ständig in seinem rosa-orange farbenen Rucksack und steckt sich alle fünf Minuten ein Zuckerl in den Mund.
Die Frau Doktor vorne sitzend am Overhead-Projektor. Sie entschuldigt sich gleich und sagt, dass es heute nur Frontalunterricht gibt und auch, dass es üblich ist einander zu duzen. Und wenn wir was dagegen haben, sollen wir uns melden. Sie würde diejenigen dann siezen.
Es ist wurscht, wie sich im Laufe der Fortbildung heraus stellen wird, weil es redet eh nur sie.
Die Methode ist einfach toll. Dich ärgert was, du denkst daran, sagst dann im Geist den Code, eine Art Zauberwort und der Ärger ist verflogen. Ja, so einfach ist das.
Ihr dürft‘s euch von dem, was ich vorlese, irritieren lassen. Da sind ganz lange und schwierige Sätze drin. Aber das macht nix. Lest einfach mit. Auch wenn ihr das nicht kapiert, euer Unbewusstes kapiert das in jedem Fall. Wissenschaftler haben zwar heraus gefunden, dass unser Unbewusstes auf der Stufe eines Sechsjährigen steht, aber ich glaube das nicht.
Ich glaube das auch nicht. Weil wenn ich das schon nicht kapiere in meinem fortgeschrittenen Alter, dann würd das mein sechsjähriges Unbewusstes erst recht nicht kapieren.
Die Frau Doktor legt eine Folie nach der anderen auf den Projektor und liest und liest. Und wir lesen alle mit.
Es heißt Unbewusstes, gell? sagt sie, nicht Unterbewusstes. Tut’s das ja nicht verwechseln. Unter hat so was Negatives, nicht wahr? Und der Freud ist eh überholt. Der hat das vom Unterbewussten gesagt.
Vor mir ein großer gelber Zettel mit den wichtigsten Lehrsätzen, daneben ein kleines Zetterl mit den superwichtigsten Lehrsätzen – Das kleine Zetterl legt’s ihr euch ins Geldbörsel - und auch noch ein Buch, das sie geschrieben hat. Der Kurs kostet nur 35 Euro.
Ein Schnäppchen, denke ich.
Das einzige Buch, das je über BSFF geschrieben wurde, hat sie geschrieben. Der Larry, ein Ami, hat es erfunden, das BSFF. Und der kann nicht g‘scheit schreiben, sagt sie.
Drum hat sie eins geschrieben.
Ich war vor einigen Jahren mit meiner Großmutter in Ägypten und da war mir immer so fad am Strand und da hab ich dann immer die BSFF Übung gemacht und und ständig das Codewort gesagt und der Schnupfen war weg in einer Woche.
No, na – eh kloar. Wenn der Schnupfen in Ägypten nicht verschwindet, wo dann? Stellt‘s euch das mal vor!
Folie acht. Sie liest weiter.
Ich schaue in die Runde. Alle sitzen da, müde, gelangweilt, Arme verschränkt. Der Werbegrafiker neben mir schnauft laut und Falco raschelt mittlerweile alle zwei Minuten im Rucksack herum.
Ich bin kurz vorm Explodieren.
Die Tür geht auf. Eine Kursteilnehmerin, die sich verspätet hat. Kurze Unterbrechung.
Frau Doktor zitiert sie zu sich und erzählt ihrem Unbewussten die Kurzfassung von BSFF.
Ich gehe hinaus. Vor der Tür steht eine Teilnehmerin. Was ist denn das für ein Kas? frage ich. Gefällt dir das? Du musst das einfach auf dich zukommen lassen, öffne dich, sagt sie.
Wir sitzen wieder und ich versuche, mich zu öffnen. Frau Doktor liest meinem und den anderen Unbewussten vor. Alle lesen mit. Ich nicht. Ich mache mir Notizen. Für diese Geschichte.
Ja, der Larry, sagt die Frau Doktor, das ist schon einer. Dieses BSFF ist einfach super. Da kommen die negativen Gefühle gar nicht hoch, jedenfalls nicht bei uns Europäern. Bei den Amis schon, weil die weinen immer gleich.
Eine Kursteilnehmerin zeigt auf und fragt: Wie mach ich das dann, wenn es mich nervt, dass meine Kinder ihr Zimmer nie aufräumen?
Ganz einfach, sagt die Frau Doktor. Den Saustall anschauen und das Codewort sagen. dann ist der Ärger weg.
Die, die gefragt hat, versteht das. Ich auch. Der Saustall auf meinem Schreibtisch ist mir ab sofort wurscht. Ich muss nur wurscht denken und Labskaus. Labskaus ist mein Zauberwort. Das hab ich mir ausgedacht. Ich weiß zwar nicht genau, was das ist – ein norddeutscher Eintopf, oder so – aber es klingt so nett.
Wenn mich der Kollege nervt, denke ich Labskaus und schon fall ich ihm um den Hals.
Ihr kennt ja eh das mit dem Klopfen, nicht wahr? fragt die Frau Doktor.
Ja, das Klopfen. Das hab ich schon mal gehört. Du klopfst auf deinem Kopf herum und schon ist der Schmerz weg. Oder der Ärger oder was weiß ich.
Ich bin ein esoterischen Nackerbazerl und kenn mich nicht gut aus mit all dem Zeugs. Jedenfalls, ich hab schon mal gehört vom Klopfen. Immerhin.
Aber - sagt die Frau Doktor - Klopfen kannst nur bei dir selber und nur wenn du allein bist. Wenn du willst, dass jemand anderer sich nicht ärgert, dann kannst nicht an ihm herum klopfen. Dann machst du das BSFF.
Oder stellt euch vor, ihr steht an der roten Ampel und ihr habe es eilig und die rote Ampel nervt euch. Ihr könnt dann nicht herum klopfen an euch. Wie das ausschaut. Und außerdem ist es gefährlich, gell?
Ach wie schön. Ich steh an der roten Ampel, sie nervt mich, ich denk Labskaus und schon hab ich einen Freud‘ mit ihr. Ich liebe diese warme, helle rot der Ampel, ich kann mich gar nicht satt sehen an dem Rot. Und ich ärgere mich dann sogar, wenn die Ampel grün wird. Aber dann denke ich einfach wieder Labskaus.
Nun machen wir eine Lockerungsübung, sagt die Frau Doktor.
Falco schläft. Der Werbegrafiker geht hinaus. Vermutlich auf’s Klo. Seine Aktentasche steht noch da.
Alle anderen rollen die Augen und legen eine Hand auf die Stirn, die zweite auf’s Genick. Ich auch. Alle machen brav mit. Ich aucn. Dann atmen wir tief und schon redet die Frau Doktor wieder mit unserem Unbewussten.
Es ist viertel nach zwölf.
Die Frau Doktor schaut auf die Uhr: Vor der Mittagspause wollen wir noch ein wenig jonglieren.
Sie nimmt einen Korb aus der Ecke, ich nehme gelben großen Zettel, gelben kleinen Zettel, das Buch, das sie geschrieben hat, gehe zu ihr, übergebe ihr alles und sage: Liebe Frau Doktor, mein Bewusstes sagt mir, dass mein Unbewusstes demnächst durchdreht, es will auch nicht jonglieren, es will nur raus da. Nach Hause. Auf Wiederschau‘n.
Seither liege ich auf der Couch, weil ich Kopfweh hab und obwohl ich schon hundert Mal Labskaus gedacht habe und auch gesagt und geschrien, geht es nicht weg. Ich muss halt doch warten, bis der Föhn vorbei ist.
Ich esoterisches Nackerbazerl.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich saß mal neben einer Dame im Zug. Die war s um die 50 und las ein Buch, dachte ich, aber dann sah ich, daß in dem Buch ein handgeschriebener Zettel lag, so groß wie das Buch selbst, und sie las eigentlich den Zettel, immer und immer wieder. Darauf standen nun - ich weiß, ich bin ein Flegel, aber ich konnte nicht wegsehen - lauter so Codewörter, genaugenommen ganze Codesätze wie "Du schaffst es!" oder "Du bist großartig!" - das stand da, "Du bist großartig!", und noch ein ganzer Haufen weiterer solcher Sätze. Und sie las immer zwei, drei davon und blickte dann auf und sah aus dem Fenster, mit einem seligen Blick ...

Ich will mich darüber nicht lustig machen. Ich staune nur, daß ein so einfaches, fast primitives Prinzip, Codewörter oder -sätze, tatsächlich etwas bringen soll oder wahrscheinlich sogar kann. Es hilft offenbar, irgendwie, niemand kann es erklären, aber manchen Leuten, die dafür offen sind, geht es besser damit.

Anonym hat gesagt…

Köstlich geschrieben, sehr zum Lachen. Ich liebe sie auch nicht, diese Fortbildungsveranstaltungen. Zum Glück brauch ich auch nicht mehr.

amadea's world hat gesagt…

T.M. - heut sag ich mir schon den ganzen Vormittag vor - ich bin müde. Und stell dir vor, ich BIN müde.

april - Freut mich, dass ich dich zum Lachen gebracht hab.