Montag, Jänner 19, 2009

ich vermisse ihn


Heute Nacht im Traum tauchten Bilder aus vergangenen Tagen auf. Im Gras hockend am Bach, die Ärmel nass vom Eiswasser.
Der Großvater schweigsam im schwarzen Rock neben mir sitzend.
Die Perlmuttknöpfe seines Hemdes schillern in den Regenbogenfarben. Ich hab niemals herausgefunden, woher diese Knöpfe stammten.
Ich flocht ihm einen Kranz aus Gänseblümchen und legte ihn auf seinen Kopf. Er wurde verlegen, wenn ich das tat, hinderte mich jedoch niemals daran. Durch das weiße Haar schimmert die Kopfhaut, fettig und weiß,
adrig. Er riecht gut.
Noch heute hab ich den Geruch in der Nase. Etwas rauchig, weil der Ofen in seinem Zimmer nie richtig zog. Nach Seife und nach Holz.
Nach einer Weile nimmt er sein Taschenmesser und das weiße Taschentuch aus seinem Rock. Ein Apfel und ein Stück Schwarzbrot darin eingewickelt. Ich bekomme die Brotrinde
und die Apfelschalen. Welch ein Genuss. Man muss beides gleichzeitig essen. Das Sauer-Saftige des Apfels und das Trocken-Würzige des Brotes.
Er war groß und hager.
Wir gehen langsam. Meist schweigend. Er sagt nie viel. Manchmal meinen Namen, der derselbe war wie der seiner Frau. Ich kannte sie nicht. Sie war früh gestorben. Seine Stimme hab ich noch immer im Ohr. Er flocht Körbe und schnitzte Windräder.
Er war mein Urgroßvater und seine Tochter, meine Großmutter, war ungeduldig mit ihm.
Dabei tat er gar nichts. Saß nur auf seinem Platz auf der Küchenbank.
Wenn er müde wurde, legte er den Kopf auf seine Arme und schlief. Am Tisch lehnend.
Eines Tages war er tot. Eingeschlafen.
Am Morgen nicht aufgestanden zur üblichen Zeit.
Ich verstand nicht, warum Oma weinte. Sie hätte doch froh sein müssen.
Er war ihr nur im Weg gewesen.
Und heute Nacht träumte ich von ihm.
Ich vermisse ihn, meinen Uropa.

1 Kommentar:

alise hat gesagt…

Schoener Text.