Freitag, Juli 11, 2008

as time goes by


Da schreibst Hunderte von Geschichten aber über uns hast noch nie geschrieben. Dabei sind wir deine ältesten Freundinnen, sagt Gerda.
Was soll ich über euch schreiben ohne beleidigend zu sein? sage ich. Ich mein, schaut euch an. Kaum gegessen, liegt ihr alle drei auf der Couch, und das um halb zehn. Außerdem hab ich derzeit Schreibblockade.
Wir feiern wieder einmal Geburtstag. Dieses mal Tinas Geburtstag. Der wird immer bei mir gefeiert.
Natürlich gibt es einiges zu schreiben über meine Freundinnen, aber wo soll man da anfangen?

Tina, die älteste, hat sechs Kinder. Alle erwachsen. Tina ist die Kreative. Sie kann alles. Sie kocht wunderbar, sie ist künstlerisch begabt, sie ist musikalisch, sie ist ein Ass in Mathematik. Sie hat damals, als mein Exmann und ich unser Haus planten, mein Badezimmer entworfen.
Sie spielt Harfe und Klavier, sie malt zeichnet und töpfert. Sie hat für alle ihr sechs Kinder genäht und gestrickt was man sich nur vorstellen kann. Alles vom Schianzug bis zum Abendkleid. Und sie war ständig schwanger.
Ich sag euch, sagte sie immer, kaum bügle ich die Unterhose von meinem Mann, schon bin ich schwanger.
Sie ist sehr intelligent, die Tina, aber sie schaffte es nicht, die gefährlichen Tage auszurechnen. Tina, diese Woche dürft ihr nicht, sagte ich zu ihr. Und wenn, dann nur mit Kondom.
Die Woche war vorbei und sie war schwanger.
Es war grad so gemütlich, sagte sie, aber wir haben eh das Kondom verwendet. Ich versteh auch nicht, warum ich schon wieder schwanger bin.
Ich besuchte sie manchmal am späten Vormittag. Da saß sie im Nachthemd vor dem Kamin und beobachtete das Feuer obwohl in der Wohnung das Chaos herrschte.
Tina, räum auf, der Gerald kommt gleich von der Arbeit heim. Es ist elf. Zieh dich an und fang an, zu kochen.
Gerald, ihr Ehemann, ist das Gegenteil von Tina, organisiert, genau, penibel. Er schrieb Listen für Tina. To-do-listen. Mit Uhrzeit.
7.30: Aufstehen und frühstücken.
8.00: Kinder anziehen.
8.30 : Staubsaugen.
9.00: Bügeln.
10.00: Mit Kindern spielen.
10.30 Wäsche in die Waschmaschine.
11.00: Kochen.
Die Listen waren umsonst. Tina stand um zehn auf.
Tina schaffte es nicht obwohl Gerald mehr im Haushalt arbeitete als sie. Der kam von der Arbeit heim und erledigte all das, was sie Vormittag nicht erledigt hatte. Manchmal, wenn es ganz schlimm war und sie nur getrödelt hatte, räumte sie gebügelte Wäsche aus dem Schrank und legte sie auf das Bügelbrett, sodass Gerald sah, was sie alles getan hatte.
Wenn du zu Besuch warst, egal wie viel Arbeit anstand, nahm sich Tina immer Zeit für dich, kochte Kaffee, holte ein Stück Kuchen aus der Küche – Kuchen war immer im Haus – und dann sagte sie: So nun machen wir es uns gemütlich. Freunde sind wichtiger als Hausarbeit. Schön, dass du da bist.
Da konnte die Wohnung unter Wasser stehen, Tina hatte immer Zeit. Sie hat diese verzaubernde Art, Menschen durch ihre offene und einnehmende Art für sich zu gewinnen. Eine charmante Unwiderstehlichkeit. Und dann redeten und philosophierten wir über Gott und die Welt während unsere acht Kinder die Wohnung weiter verwüsteten.

Dann ist da noch Gerda. Gerda die Intellektuelle.
Gerda kennt alle Bücher, die je geschrieben wurden auf dieser Erde. Gerda hat eine Tochter. Christiana. Christiana ist hochbegabt. Sie studiert Altgriechisch und Latein. Sie wollte eigentlich Deutsch studieren, ist aber der Meinung, dass die Professoren an österreichischen Universitäten die deutsche Sprache nicht beherrschen. Als Kind war Christiana ein Wildfang. Sie war unfolgsam und vorlaut. Sie tat nie, was Gerda wollte.
Gerda sagte immer zu mir: Meine Tochter gehorcht deinem Sohn mehr als mir. So war es auch. Bernd, der nur ein Jahr älter war, hatte mehr Einfluss auf Christiana als ihre Mutter.
So ist das eben mit den Intellektuellen. Sie erklären alles und besprechen alles mit ihren Kindern. Das funktioniert nicht. Ein einfaches Nein, das tun wir nicht, sonst gibt es heute Abend nichts zu essen, funktioniert weit besser.
Gerda kochte immer die ungewöhnlichsten Dinge. Palatschinkentorte zum Beispiel. Und Brot in einem Blumentopf. In ihrer Wohnung standen auf dem Fensterbrett zwanzig verschieden Kräutertöpfe, dazwischen fünf Sorten verschiedenster exotischer Marmelade und daneben die gesammelten Werke von Proust und Hegel.
Sie kochte alles mögliche aber es schmeckte alles ähnlich. Ein wenig fad halt. Das hat sich geändert in den letzten Jahren, aber nachwürzen muss man immer noch.

Und da ist dann noch Marie, die Schöne. Sie will das zwar nicht hören, aber sie ist wirklich die Schönste. Ein Sandra-Bullock-Typ und immer toll gekleidet. Sie ist auch unsere sanfte. Wenn sie redet, legt sie oft ihre Finger an den Mund, mit einer Anmut, die ihresgleichen sucht. Sie ist Therapeutin. Ihre Wohnung ist so schön wie sie selbst. Da passt das Doserl zum Kastl und das Kastl zur Couch. Da findest nirgends ein Futzerl Staub.
Am Klo riecht es so gut wie in einer Parfümerie.
Sie hat einen Raum zum Meditieren.
Therapeuten brauchen so was, sonst können sie andere nimmer therapieren.
Vermutlich würden wir alle keine Therapeuten brauchen wenn wir einen Raum zum Meditieren hätten.
Marie war immer die von uns, die alles gleichzeitig machte und das perfekt. Sie wäre ins Guinnessbuch der Rekorde gekommen in Bezug auf Multitasking.
Aber eines Tages kam sie drauf, als sie im Meditierraum meditierte, dass das nicht gesund ist, alles gleichzeitig zu tun. Und nun macht sie alles hintereinander.

Und dann bin da noch ich. Die Wahnsinnige. Wahnsinnig im positiven Sinn natürlich. Wahnsinnig direkt bist nicht, sagen Tina, Gerda und Marie. Durchgeknallt passt besser, aber auf eine sympathische Art.
Und da liegen sie nun, meine drei Freundinnen. Auf der Couch. Wie hin gegossen. So endet das jedes Mal wenn wir einen unserer Geburtstage feiern. Eine liegt immer auf der Couch. Und heute liegen alle drei. Gut, dass ich die Nachspeise noch nicht serviert habe.
Nun hab ich trotz meiner Schreibblockade über meine drei Freundinnen geschrieben. Eine Stunde lang. Dabei wollt ich auf den Berg gehen. Auf den Hausberg. Und wehe – wenn die keinen Kommentar abgeben zur Geschichte. Dann gibt’s keine Nachspeise das nächste Mal.

6 Kommentare:

saxana hat gesagt…

Beneidenswert drei Freundinnen zu haben,, die so unterhaltend und genussfähig sind. Jetzt aber den Nachtisch hinstellen!

amadea's world hat gesagt…

saxana - Ja, sie sind wirklich unterhaltsam und genussfähig. Ist schon was Besonderes.


Nachtisch gibt es immer !

Anonym hat gesagt…

am meisten beeindruckt mich als mann natürlich die tina mit den gebügelten unterhosen. wahnsinn, sechs kinder, einfach so hergebügelt, peng! und dann aber genauso natürlich noch die gerda, die marie und vor allem die gastgeberin, logisch! wie wärs denn mal mit einem kinofilm?

amadea's world hat gesagt…

schneckerl - Das waren noch Zeiten, als des Mannes Unterhosen noch nicht bügelfrei waren.

Ok, ich reservier 2 Plätze -
Welcher Film?

http://www.daskino.at/programm_13_7_2008

Wenn du frühmorgens losfährst, schaffst es. Und schlaf mir ja nicht ein mittendrin im Film.

Anonym hat gesagt…

liebe amadea, alsofolgendermaßen:

"Als der 78-jährige Witwer Alfredo in ein kleines Apartment zieht, bricht seine 82-jährige temperamentvolle Nachbarin Elsa wie ein Wirbelwind in sein Leben. Der zurückhaltende Hypochonder kann sich der jugendlichen Verrücktheit und extrovertierten Art von Elsa nicht lange erwehren. Sie lehrt ihn, die ihm verbleibenden Jahre zu genießen."

das wär eigentlich doch DER film gewesen, oder? leider wirds morgen nichts, da ich schon verabredet bin für "HÄNGT IHN HÖHER!" mit clint eastwood in der OF mit albanischen UT. aber dann vielleicht ja mal ein anderes mal?

beste grüße, du kaschperl ;-)

solo hat gesagt…

Ach solche Geschichten aus dem Leben sind mir die liebsten.
Die todo listen sind echt heiss!
vielleicht sollte sie noch IST kommentare daneben schreiben:
7:30 den wecker aus und rumgedreht
8:00 traumlos tiefer Schlaf
9:00 von listen geträumt
usw.