Montag, Juli 28, 2008

alles was zählt


Mittwoch. Tag zwei der Tour de Mur. Strömender Regen und Gegenwind.
Wir fahren auf der Bundesstraße. Die Laster brausen vorbei, dass es nur so sprüht. Am liebsten würde ich das Radl hinschmeißen, in’s nächste Gasthaus gehen und da bleiben.
Vor mir radelt Batgirl im grauen Regenponcho.
Lo, mein Radl klemmt, schrei ich.
Pause.
Wir fahren in eine Ausfahrt. Ein Gasthaus, etwas heruntergekommen, ein Bushäuschen. Vor uns biegt ein Geländewagen mit Viehanhänger ab.
Schau, ein Anhänger, schreit Lo.
Ja und? Was hat sie nun? Will sie nun die Kühe anschauen?
Ich frag, ob wir mitfahren können, ruft Lo. Schon ist sie am Fenster des Autos und redet auf den Fahrer ein. Da brüllt die Kuh im Anhänger.
Ei biein auf’m Weig nouch Nieideröisterrieich, sagt der Bauer.
Na, dann können wir nicht mitfahren, sagt Lo. Sie sagt es so, als hätte sie gerade einen guten Witz gehört.
Bei mir geht nun gar nichts mehr. Die Schaltung klemmt.
Ich bin klatschnass. Im Wartehäuschen ziehe ich mich um.
Der Fahrer nimmt mein Rad und kurvt herum. Die Schaltung knarrt und quietscht.
Der macht mir das Radl noch ganz hin, sage ich.
Weißt du, sagt Lo, immer wenn ich mit dem Rad fahre, dann stelle ich mir vor, ich trete auf der Stelle und der Boden unter mir bewegt sich. So wie ein Rollband. Einmal schneller, einmal langsamer.
Fang nun ja nicht an, zu philosophieren, Lo. Ich stell mir vor, ich träume das alles und wache gleich auf.
Mit nasser Hose, fragt Lo grinsend? Mir fällt keine Antwort ein.
Sou, deis Raudl geiht wieider, sagt der Bauer im steirischen Dialekt, der der schlimmste Dialekt Österreichs ist.
Ich bedanke mich wieder und wieder und sage: Das hat der liebe Gott sicher gesehen. Der liebe Gott hat das nicht gesehen, sagt Lo. Weil wenn der grad schauen würde, dann würde er die Wolken wegschieben. Wenn der sehen würde, wie wir uns da plagen, dann würd der uns helfen. Wir fahren weiter.
Meine Schulter ist verspannt, meine Hände schlafen ein. Es regnet. Das Rad klemmt nun nicht mehr, aber es funktionieren nur mehr drei Gänge. Die kleinen. Es geht gerade aus. Das Rollband unter mir steht. Ich trete in die Pedale und komm nicht vorwärts.
Batgirl verschwindet aus meinem Blickfeld.
Es geht bergab. Es ist nach zwölf.
Mittagspause im Cafe gleich neben dem Sportgeschäft. Welche Wohltat. Das Sportgeschäft sperrt um halb drei auf. Wie schön!
Lo jammert: Wir kommen heut nicht nach Leoben.
Das ist mir egal, denke ich. Ich will nur sitzen.
Endlich Sonne. Wir sitzen im Freien und dampfen.
Der Kellner ist überfreundlich und setzt sich an unseren Tisch. Er kommt nicht viel zum Reden. Wir reden. Eigentlich jammern wir. Wie anstrengend es ist, wie fertig wir sind. Und vom Schweinehund erzählen wir. Der, der im Nacken sitzt und auf den Oberschenkeln.
Dabei wollten wir ganz anders erzählen. Wir wollten nur Wörter wie zügig, flott, toll, abenteuerlich, lustig verwenden. Alles vergessen.
Und der Kellner bewundert unsere Kondition, unsere Ausdauer und gibt uns Tipps.
Aom beisten fouahrt’s die läeingere Tour. Dou ieis diei Loundschouft vieil schöina.
Gegenüber eine ältere Frau mit guter Figur aber ledriger Sonnenbankhaut und strohigem, rotblondem Haar.
Sie hat falsche Zähne, sage ich zu Lo.
Des is mia wurscht, sagt Lo. Red’ nicht so laut!
Die hört das nicht, die ist nur mit sich selber beschäftigt, sage ich, während die Lady in ihren hautengen Jeans und Stöckelschuhen ins Cafe stöckelt.
An ihrem Tisch ein unsicherer Sechzehnjähriger, der nicht weiß, wie er schauen soll. Er rutscht nervös auf dem Sessel hin und her und weiß nicht, wohin mit seinen Händen.
Wir genießen die Sonne, den Kaffee und den Apfelstrudel.
Wie einfach doch das Leben ist. Alles was zählt, ist sitzen, essen und schlafen. Ich freue mich, wenn es am Radweg bergab geht und ich bin grantig, wenn der Radweg ansteigt.
Ich freue mich, wenn die Sonne scheint, ich bin frustriert wenn es regnet.
Je länger wir mit dem Rad unterwegs sind, desto weniger kümmern wir uns um unsere Frisur, um das Make-up. Das spielt auch keine Rolle, wenn du drei Stunden im Regen mit Helm unterwegs bist, verschwitzt, verdreckt und ausgelaugt.
Es ist halb drei. Lady und Bub stehen auf und sperren das Sportgeschäft auf.
Oje, Lo. Der Bub kann meine Schaltung nicht reparieren, ich seh das.
Und so ist es auch. Er gibt sich zwar Mühe, schaltet herum, zieht da und dort eine Schraube an.
Nach wie vor nur drei Gänge.
An dem Tag radeln wir bis halb sieben. Wir sind in Leoben im Gasthof Zum Greif. Das Zimmer kostet sechzig Euro.
Zu teuer, sagt Lo.
Lo, ich rühr mich nicht mehr von der Stelle, ich brauch einen Kaffee und fahr keinen Meter mehr.
Während Lo geht, sitze ich in der Gaststube am Tresen. Der Mann neben mir baggert mich an. Er hat zu viel getrunken.
Wollen’S an Schnaps, fragt er mich.
Nein, ich will keinen Schnaps, ich will meine Ruh’.
Oder ein Glaserl Wein vielleicht?
Er nervt. Ich setze mich ins Freie direkt neben das gekippte Fenster der Küche. Ich höre Geschirrklappern und rieche Gebratenes.
Lo kommt.
Hast du was gefunden?
Ja, sagt sie, ein Studio für fünfundreißig Euro. Aber nun essen wir zuerst.
Wir setzen uns in die hinterste Ecke des Gastzimmers und bestellen Grillteller mit Pommes und als Nachtisch Besoffenen Kapuziner. Innerhalb kürzester Zeit haben wir alles weggeputzt.
Weißt du, sagt Lo, das ist das Beste an dieser Radtour. Wir können so richtig viel essen.
Ja, sage ich. Wir können richtig fressen. Grillteller mit Pommes hab ich seit meiner Kindheit nicht mehr gegessen.
Der Kellner hat eine Freud mit uns.
Wollen’S noch ein Cordon Bleu, fragt er uns, als wir mit dem Nachtisch fertig sind. Ha, sage ich zu Lo, er ist witzig.
Ich lege mich auf die Bank.
Amadea, die Leut’ schauen schon.
Des ist mir wurscht, die schauen sowieso, so wie wir ausschauen, außerdem kennt uns keiner.
Nach dem Essen beziehen wir das Studio im Zentrum Leobens, das Lo für uns gefunden hat.
Hundert Quadratmeter Wohnung.
Aber das ist uns egal. Auch die Riesencouch vor dem Fernseher beeindruckt uns nicht.
Alles was zählt, sind Dusche und Bett.
Im acht Uhr liegen wir.
Um acht ging ich das letzte Mal ins Bett, als ich zwölf war.
Wie einfach doch das Leben ist.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

nettes g'schichterl ..
woas issen oan b'soffner kapuziner ?
~:O}
wie gehts .. weiter ?

drückerl einst_weilen,
kapuZiner afferl
PeT

amadea's world hat gesagt…

danke petzi - freut mich besonders, ein kompliment von dir.
also - besoffener kapuziner (auch durstige nonne genannt) = schokoladekuchen warm mit wein übergossen...also alles warm...serviert..und dazu schlagobers..eine große sünde ist das, ich sag's dir.


danke für's verlinken.

du kapuzinerafferl :-)