Sonntag, März 02, 2008

emma


Liebe Emma!
Es freut mich wahnsinnig, dass du endlich da bist. So kann ich dieses Wochenende wirklich faulenzen.
Faulenzen will gelernt sein.
Du kannst nicht einfach von einer Sekunde auf die andere faulenzen. Das richtige Faulenzen musst du genau planen.
Eine Stunde zuvor richtest du einiges her.
Zuerst ziehst du dich bequem an. Nimm den ältesten Pullover, den du hast, der, den du in der Schwangerschaft so gern getragen hast. Dann nimm die alte Trainingshose mit dem ausgelatschten Gummizug. Einen alten Pyjama kannst du auch anziehen. Und hol die dicken Wollsocken aus dem Schrank.
Sperr die Wohnungstür zu, schalte dein Handy aus, nimm die Pizza aus dem Tiefkühlfach und schieb sie in den Ofen.
Öffne die beste Flasche Rotwein, die du hast oder kühl Bier ein, falls du das lieber magst.
Sämtliches Obst und Frischgemüse räumst du weg. Es ist nicht geeignet zum Faulenzen. Schokolade und Knabbergebäck stellst du bereit.
Alles Essbare kommt auf den Couchtisch. Schieb den Couchtisch so nah an dein Sofa, dass du alles bequem erreichen kannst, ohne dich bewegen zu müssen.
Wenn du gerne fern schaust, schalt ihn ein, den Kasten.
Richte dir was zu lesen her. Nein, keine Bücher. Der Marcel Proust, den du schon seit deiner Studienzeit lesen willst, räumst du ins hinterste Eck. Du brauchst Zeitschriften. Solche, die beim Zahnarzt oder Friseur aufliegen. Solche, die viele bunte Seiten mit den berühmten und weniger berühmten Leuten haben.
Achte darauf, dass du allein bist. Du brauchst keine Gesellschaft. Andere Personen würden mit ihrem Herumgewusel und Gequatsche nur stören.
Zum richtigen Faulenzen musst du auf jeden Fall allein sein. Du kannst dich sonst nicht konzentrieren.
Richtig faulenzen heißt, nicht zu reden. Nicht mit einer anderen Person. Mit dir selber darfst schon.
Du kannst auch nichts tun. Nur träumen. Oder deine Zehennägel betrachten und dir vorstellen, wie es wäre, sie kosmetisch verlängern zu lassen. Du kannst dir auch vorstellen, wie es wäre, wenn du deine Finger so wie Fingerlinge hineinstecken könntest.
Du kannst dir alles Mögliche vorstellen.
Aber steigere dich nicht zu sehr hinein und versteif dich nicht auf eine Idee. Sie könnte dich nicht mehr loslassen und dem Faulenzen entgegen wirken.
Einmal entfaulenzt, immer entfaulenzt.
Du kannst auch vor dem Computer faulenzen, Emails lesen, im Internet surfen und drei Stunden lang die ägyptischen Hieroglyphen studieren und dann darüber nachzudenken, wie es wohl wäre, den nächsten Urlaub in Ägypten zu verbringen. Aber dann schaltest du den Fernseher ein. Und das Nachmittagsfernsehen macht dich aber innerhalb kürzester Zeit zu einer Person, die nachmittags fernsieht und sich für sonst gar nichts mehr interessiert.
Du kannst auch davon träumen, wie du faulenzen wirst, wenn du einmal pensioniert bist. Es gibt zwar Leute, die in der Pension mehr arbeiten, als sie je in ihrem Job gearbeitet haben, Beamte, sagt man.
Aber es gibt auch welche, die nur faulenzen.
Für die ist die Pensionierung ein tägliches Supergaufaulenzen.
Das kann dann so entspannend und schön sein, dass die gar nicht bemerken, dass sie ganz, ganz langsam sterben. So gemütlich kann das sein. Die sind dann hinübergefaulenzt in den ewigen Faulenzerhimmel. Falls es einen gibt.
Liebe Emma, es war schön mit dir. Doch nun hau ab. Ich komm heut auf so saublöde Gedanken.
Und – morgen ist Montag.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

wir verdrängen/dementieren es eher, als wir es zugeben würden. ja. ja.

(refer> 'Vom warmen Plaid bedeckt'.)

saxana hat gesagt…

Ja genau so ist es, das Faulenzen. Man wird unzufrieden und einsanm dabei.

amadea's world hat gesagt…

Du hast recht, roman. Klar verdrängen wir - und wie.

Ich hab heut so eine ähnliche Mail bekommen. Der will nicht mit mir unter einem Plaid sitzen, der will nur eine Firmenbeteiligung.

saxana - Du hast recht. Faulenzen ist nur schön, wenn man sich angestrengt hat. Ich kann die Leute nicht verstehen, die sich schon mit 40 von der Pensionierung reden.

solo hat gesagt…

-mit dem kochlöffel herumfuchtelt-
"ENTFAULENZIO!"

Das Faulenzen ist eine Rutsche in den Tod. Wenn man schnell genug rutscht, kriegt er einen aber nicht am Schlawickel. Perfektion ist gefragt. Keine Bewegung, kein Gedanke, träge starren und nur ganz wenig sabbern. Dann geht die Zeit so vorbei, da ist man schon wiedergeboren bevor man gestorben ist.

-K- hat gesagt…

Very nice picture but I'm glad I'm not there.