Sonntag, Juni 10, 2007

camping


Bin ich froh, dass die Zeiten des Campingurlaubs vorbei sind.
Jahrelang hab ich diese Tortur mitgemacht.
Als Kind mit meinen Eltern und meiner Schwester, später als Mama von zwei Söhnen.
Ein Urlaub am Meer war natürlich viel zu kostspielig. Bei uns ist es eh so schön, warum also anderswo hinfahren, war das Motto meines Vaters.
Der Renault 6, unser nagelneues Auto, wurde vollbepackt mit Zelt, Luftmatratzen, Schlauchboot, Alugeschirr, Dosen mit Bohnensuppe, Rindsgulasch und unzähligen Packerlsuppen. Dann ging es los - Richtung Wolfgangsee. Und der Papa stellte ständig Fragen nach Namen von Bergen, Seen und Flüssen. Ich hatte keine Ahnung und es interessierte mich auch nicht.
Mama stellte auch Fragen. An den Papa. Haben wir die Geschirrtücher mit? Wo hast du die Campingsessel verstaut? Haben wir nicht etwas vergessen?
Zu uns sagte sie: Schaut, wie schön die Landschaft ist! Ist es nicht wunderbar, in den Urlaub zu fahren?
Ich sagte nichts und stellte mich schlafend.
Kaum angekommen, wurden die Zelte aufgestellt. Es gab immer irgendwelche Zwischenfälle. Und Papa nervte.
Wo sind die Haken? Nein, diese Stange gehört nach hinten. Hilf mit, Amadea. Stell dich nicht so dumm an. Hausverstand hast du gar keinen. Das kommt davon weil du ständig bei deinen Büchern hockst und dich nicht nützlich machst. Ihr schlaft im kleinen Zelt.
Und damit begannen die Streitigkeiten. Wer schläft auf welcher Seite und auf welcher Luftmatratze? Ich war ohnehin grantig, die ganze Zeit. Zwei Wochen im Zelt mit meiner Schwester, dieser Nervensäge. Mama war auch grantig.
Papa, wir haben die Petroleumlampe nicht dabei.
Ich habe sie auf den Tisch gestellt, sagte Papa.
Auf dem Tisch war nur der Blasebalg.
Der Blasebalg war auf dem Küchentisch. Die Petroleumlampe stand auf dem Wohnzimmertisch. Ich stelle sie jedes Jahr auf den Wohnzimmertisch.
Na, da hab ich nicht geschaut, sagte Mama. Nun haben wir halt kein Licht.
Und wo ist der Hammer? fragte Papa.
Um den Hammer hab ich mich noch nie gekümmert.
Wie soll ich dann die Zelthaken einschlagen?
Nimm den Schnitzelklopfer.
Und wo ist der?
Ganz unten in der grünen Tasche.
Da ist keine grüne Tasche, da ist nur eine blaue.
Das ist die grüne Tasche, die blaue.
Es regnete immer wenn wir das Zelt aufstellten. Wenn es nicht regnete, dann begann es zu regnen, noch bevor es aufgestellt war. Regnen stimmt eigentlich nicht, es schüttete.
Papa war klatschnass. Er war auch klatschnass, wenn es nicht regnete. Weil er so schwitzte.
Und endlich stand das Zelt. Mitten im Bach, der sich gebildet hatte und nicht weit weg vom Klo.
In der Nähe des Waschraumes ist es kommot, sagte Mama. Da habt ihr nicht weit zur Abwasch. Heuer wasche ich nicht ab, sagte die Schwester. Heuer wäscht Amadea ab. Ich habe voriges jahr abgewaschen.
Das reichte mir dann vollends.
Die ersten Tage hatten wir immer Regen.
Die einzige Abwechslung war das Beobachten des Baches. Würde er durch das Zelt der Eltern fließen oder durch das unsrige? Er floss meistens durch das Zelt der Eltern. Und dann flüchteten wir immer ins Auto, dessen Fenster anliefen. Da saßen wir und warteten. Auf besseres Wetter. Meine Schwester nervte wie immer.
Nervt nicht, sagte Mama.
Ich nerv nicht, sagte ich. Sie nervt.
Spielt halt Mensch ärgere dich nicht. Und ich spielte halt.
Amadea schwindelt immer, raunzte meine Schwester.
Streitet nicht, genießt den Urlaub.
Und Papa machte dann auf Abenteuerurlaub und wurde übermütig. Vor Stress vermutlich. Kommt, Kinder, raus in den Regen. Das tut gut. Da wachsen die Haare.
Und schon ging’s raus in den Regen und ich musste mit, obwohl ich nicht wollte. Ich wollte nur meine Ruhe haben und lesen. Aber Lesen im Auto war auch unmöglich weil Mama ständig jammerte und alle paar Minuten das Autofenster runterkurbelte besorgt zum Himmel schaute und sagte: So ein Regen. So einen Regen hatten wir noch nie.
Mama, so einen Regen hatten wir letztes Jahr auch und das Jahr zuvor. Wir hatten immer Regen, wenn wir zelten fuhren. Wir hatten Regen solange ich denken kann.
Red nicht so einen Blödsinn, sagte Mama. Willst ein Schmalzbrot?
Ich wollte nicht.
Und dann spielten wir Fangen mit Papa. Im Matsch. Und wenn ich ihn erwischte, packte er mich und kitzelte mich. Wie ich das hasste, gekitzelt zu werden.
Und Papa wurde immer übermütiger.
Und Mama kurbelte das Fenster runter und rief: Bis eine weint.
Und schon weinte eine. Meine Schwester. Wie immer.
Sie weinte, weil ich sie erwischt hatte. Lass sie halt gewinnen, sagte Mama.
Scheiß Zelteln, schrie ich.
Und Mama schimpfte, Das Kind hat Manieren. Von mir hat sie das nicht.

Dann kam der Tag, an dem schwor, niemals mehr Campingurlaub zu machen. In meinem ganzen Leben nicht mehr.
Das war der Tag, als unser Zelt vom Regenbach weggeschwemmt wurde gemeinsam mit meiner Kassettensammlung von Eric Clapton, Bob Dylan und der Rolling Stones. Auch mein Tagebuch war weg und meine Bücher.
Aber wie das halt so ist mit den Schwüren, die man in seinem Leben so macht. Irgendwann sind sie vergessen oder man wird überrumpelt mit Argumenten, die keine sind.
Das geschah, als ich Familie hatte.
Mein Exmann, ein Naturbursche, der ebenfalls, so wie mein Vater der Meinung war: Bei uns ist es eh so schön und wir sind keine Familie wie jede andere, und deshalb fahren wir nach Kärnten an den Millstättersee.
Meine Bedenken, dass Zelten anstrengend sei und nur Arbeit und ungemütlich, wurden in den Wind geschlagen. Vor allem dadurch, dass wir via Zeitungsannonce einen Zeltanhänger erstanden.
Eine feine Sache, so ein Zeltanhänger, sagte der Exmann, du bist nicht auf dem Boden, du bist weg vom Boden. Eben auf einem Anhänger. Da fließt der Bach unten durch falls es mal regnen sollte, und du bist da fein im Trockenen. Eine feine Sache.
Der Zeltanhänger war wirklich etwas Tolles. Ein russisches Modell. Ich war ein wenig skeptisch ob der vielen Ösen. Die Reißverschlüsse waren aus Metall.
Das ist russische Qualität, versicherte mir der Exmann, da kann kein Reißverschluss reißen, das ist alles ordentlich gemacht.
Er riss nicht, der Reißverschluss, aber er war undicht. Undicht war auch das Zelt. Und da half auch nicht das vorsichtige Entfernen der Wasserlachen, die sich an verschiedensten Stellen des Zeltdaches angesammelt hatten.
Das Geheimnis ist, sagte der Exmann, dass du das Zelt nicht berühren darfst wenn du das Wasser abschüttelst.
Ich berührte nichts, trotzdem tropfte es. Herein in unser Zelt. Auf die Tuchenten und Polster, auf die Kleidung.
Der Bach rauschte unter dem Zeltanhänger durch und hinein ins Vorzelt. Aber das war egal. Weil im Vorzelt waren wir nicht. Wir waren alle im Schlafzelt im Zeltanhänger. Die Kinder quengelten, der Exmann war in Abenteuerstimmung.
Ist das nicht toll? Draußen regnet es und wir haben es hier herinnen so richtig gemütlich.
Die Uno-Karten wurden zum zwanzigsten Mal ausgeteilt nachdem ich die Geschichte vom Räuber Hotzenplotz zehnmal vorgelesen hatte.
Wenn ich dann manchmal doch das Zelt verließ, weil Mutter Natur ihr Recht forderte und ich die Waschanlage aufsuchte, verging mir die Lust am Zelten vollends.
Die Waschanlage stank zum Himmel, es gab weder Klopapier noch Papierhandtücher und der Blick auf die Zeltstadt glich einem Flüchtlingscamp.
Die männlichen Bewohner der Zeltstadt sahen ebenfalls aus wie Flüchtlinge. Abgekämpft vom ständigen Wasserschöpfen und Regenbachumleiten, mit grimmigen Mienen und nass-struppigen Haaren. Ihre Frauen saßen gelangweilt und genervt in den Vorzelten und beobachteten den Regen und ihre Ehemänner beim Wasserschöpfen und Regenbachumleiten.
Wenn wir Glück hatten, kam an den letzten beiden Tagen unseres Urlaubs die Sonne zum Vorschein und wir verbrachten die Tage mit dem Trocknen der Kleidung.
Es dampfte im Zelt. Die Kleidung dampfte auch und stank wie ein nasser Putzfetzen. Am letzten Tag wurde dann alles zusammengepackt.
Alles war feucht und stank.
Ich stank auch.
Der Exmann war nach wie vor in Abenteuerstimmung und gutgelaunt. Wie schön und erholsam das doch war.
Und wir fuhren wieder heim. Ich war fix und fertig. Die Kinder quengelten.
Der Exmann war guter Dinge.
Wie schön, dass wir wieder nach Hause fahren. Nun haben wir noch ein paar Tage zum Entspannen, bevor die Arbeit wieder beginnt.
Ja, wunderbar,
sagte ich und dachte an die viele Arbeit, die vor mir lag – auspacken, verstauen, Wäsche waschen.
Gestern Abend kam der Lover.
Überraschung, Überraschung! Wir fahren im Sommer nach Spanien.
Wie schön,
sagte ich. Spanien kenn ich nicht gut. Da war ich erst einmal. An's Meer?
Ja, an's Meer. Wir fahren mit Motorrad und Zelt, ist das nicht wunderbar?

Wunderbar, sagte ich.
Ich kann es kaum erwarten.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Packerlsuppen.

Ich würde sofort wieder losziehen ...

Anonym hat gesagt…

Wie gut ich dich verstehe, denn ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht. Um Zelte und Campingplätze mache ich einen riesigen Bogen. Mich kriegt auch mit Sicherheit kein Lover und mag er noch so toll sein, in eines dieser schrecklichen "Stoffhäuser" hinein.

Zechbauer hat gesagt…

ich hab' sehr gelacht...am besten ist die grüne Tasche, also die blaue.

amadea's world hat gesagt…

t.m. die beste ist die mit den kleinen fleischstückerln.

dodo - du hast recht. ich werde ihm das ohnehin ausreden. noch dazu mit motorrad!


die war mal grün - ist ausgebleicht :-)
da gibt es aber auch ein blaues tischtuch, das nun grün ist - auch ausgebleicht.

Anonym hat gesagt…

Kopf hoch, in Spanien regnet es selten.
Aber wenn, dann ordentlich. Z.B. letztes Jahr in Granada, ich sage dir ... da hätte ich nur ungern in einem Zelt gelegen.
P.S. Die Klimaerwärmung könnte ganz auf deiner Seite sein. Neben deinem Lover!
teacher

Anonym hat gesagt…

wir schlafen heute im garten. ich freu mich schon darauf.
wir haben das zelt aus dem keller geholt. für die nacht ist regen, donner, blitz und hagel angesagt.
sprichtwort: "wenn einer einen blödsinn macht, dann kann er was erzählen".
oder für die abenteuer im leben kann man selber sorgen....
annanym

Anonym hat gesagt…

wunderbar. hat mich an meine kindheit erinnert, wir sind auch immer zelten gefahren, allerdings in den süden, da hat's zwar nicht geregnet, aber es war so heiß, dass man draufging.
und mein vater war nicht übermütig, sondern übervorsichtig.-

na, ich mach heut noch gern camping.

amadea's world hat gesagt…

teach - es ist noch nichts entschieden. mich zieht es ja eher nach england oder irland.

anna - freu mich auf die geschichte.

500 - mich hat es nie wirklich gefreut. und diese quietschenden luftmatratzen - und die schnaxlgeräusche aus anderen zelten die ganze nacht...