Montag, April 09, 2007

urbi et orbi


Feiertage in unserem Haus waren anstrengend.
Es begann schon am Aschermittwoch.
Da mussten wir in aller Herrgottsfrühe aus den Federn. Sieben Uhr Frühmesse. Das muss sein. Weil da bekommst du ein Aschenkreuz auf die Stirn. Das ist gut gegen Kopfweh. Du hast ja eh immer Kopfweh, Amadea. Ich hatte oft Kopfschmerzen als Kind, und das Aschenkreuz nutzte nichts. Im Winder steckte ich oft meinen Kopf in den Schnee. Heute würde ich vermutlich der Psychologin vorgeführt werden und die würde die Eltern vorladen und ihnen die Leviten lesen. Eh klar, dass sie Kopfweh hat, die Amadea. Steht zu sehr unter Druck bei dem strengen Vater. Das arme Kind. Ich mag diese verbrannte Butter nicht, und den Stinkerkäse auch nicht. Dann isst du halt Polenta mit Preiselbeermarmelade drauf.
Kaum hatte ich mich von den Strapazen des Weihnachtsputzes erholt, ging es dann in der Karwoche los mit dem Osterputz. Und dieses Mal ordentlich und gründlich. Mit System.
Mama in ständiger Anspannung und umgebundener Schürze und Kopftuch, mit Putzlappen und Kübel im Haus herumwuselnd.
Papa in der Blauen, musste die Vorhänge abmachen, Matratzen raus tragen und Teppiche klopfen. Gut gelaunt waren beide nicht. Sie waren grantig.
Vermutlich hing das damit zusammen, dass die ganze Karwoche gefastet wurde. Wir fasteten nicht, um abzunehmen, es gab nichts abzunehmen. Wir waren eh alle spindeldürr.
Fasten reinigt Körper und Geist, sagte Mama. Und wir erinnern uns an das Leiden Christi, sagte Mama, als sie gerade den Ofen kehrte. Dabei dachte sie aber nicht an den Christi, sondern daran, ob sie mit der Schmierseife wohl den Ruß, der sich überall in der Küche verteilt hatte, wieder wegbekommen würde. Ich sah das an ihrem verbissenen Gesichtsausdruck.
Ich nieste die ganze Zeit, nicht wegen des Rußes, sondern weil es saukalt war im ganzen Haus. Die Fenster waren ständig offen, und endlich, als Mama den Ofen fertig gekehrt hatte und mit der Schmierseife den Ruß beseitigt hatte, wurde eingeheizt. Aber gleich darauf wurden die Fenster wieder aufgerissen, weil es in der ganzen Küche rauchte und stank. Mama hatte die Oberfläche des Küchenherdes mit Öl bestrichen. Das glänzt schön, sagte sie.
Mama, das mit dem Öl, das ist ein Blödsinn, einmal Einheizen das ganze Öl ist verbrannt und dann glänzt gar nichts mehr.
Aber es musste sein. Mama hörte gar nicht, was ich sagte. Vermutlich weil mein Magenknurren lauter war als meine Stimme.
Das hat schon die Uroma so gemacht. Basta.
Am Gründonnerstag fing der Stress so richtig an. Wehe, du warst die letzte, die aufstand am Morgen. Da kam Papa ins Zimmer gestürmt, im Schlepptau Mama und kleine Schwester und machten einen Riesenlärm und riefen Dontlersgohn, Dontlersgohn. Und Papa riss mich aus dem Bett.
Was eine Dontlersgohn genau ist, weiß ich nicht. Eine Gohn ist ein Wagen mit Holzrädern. Und Dontlers heißt vielleicht Donnerstag.
Der Stress dauerte bis zum Ostersonntag. Lang Schlafen war nicht drin, aber das wäre wegen des Osterputzes eh nicht möglich gewesen.
Außerdem musste man am Donnerstag die ersten Kräuter sammeln, Eier wurden in unserem Hause immer mit Zwiebelschalen und Kräutern gefärbt. Selbst gesucht und gepflückt. Von mir. Meine Schwester war nicht zu gebrauchen. Sie war zu klein und nervte mich ohnehin ständig. Zu essen gab es Spinat mit Spiegelei.
Und am Abend in die Messe. Zu Christis Leidensweg.
Am Freitag war ich dann die Karfreitagsratsch. Ich war wieder die letzte beim Aufstehen.
Die Glocken sind nach Rom geflogen, sagte Oma, gestern schon. Und sie kommen erst zu Ostern wieder zurück. Heute hörst du nur die Ratschen. Und die hörten wir dann am Nachmittag. Um punkt drei Uhr in der Kirche. Um punkt drei Uhr ist Jesus gestorben und da muss man ruhig sein und sich besinnen.
Und da saß ich dann in der Kirche, hungrig und müde und der Pfarrer wollte und wollte nicht aufhören. Mit der ganzen Schar der Ministranten blieb er an jedem Bild des Kreuzweges stehen und betete und erzählte die ganze Leidensgeschichte und je länger er erzählte umso übler wurde mir.
Und ich betete brav das Jesusderfürunsamkreuzgestorbenist mit. Schlecht war mir, weil ich nur ein wenig Grießbrei gegessen hatte.
Und die Ministranten schwangen die Ratschen, dass es nur so klapperte. Endlich war der Leidensweg zu Ende. Heim, Osterlamm backen. Ich musste die Butter rühren und die Osterlammformen ausschmieren und kostete heimlich vom süßen Teig. Hungrig wie ich war.
Samstag früh wieder das Übliche.
Feuerhund, Feuerhund, Amadea. Gejohle. Und Papa zerrte mich wieder aus dem Bett. Karsamstag Vormittag. Einkaufen. Noch immer nichts Ordentliches zu essen. Am Nachmittag war das Schlimmste überstanden. Ausgelaugt und müde saßen wir alle herum und warteten auf den Abend.
Weil am Abend war das Hochamt in der Kirche. Um acht.
Zieh was ordentliches an, Amadea. Die weiße Bluse und den karierten Rock. Und nimm das rote Kapperl.
Dieses blöde rote Kapperl. Und Papa zupfte herum und setzte es mir schief auf und ich hielt den Kopf schief damit es nicht herunter fiel und Mama gab mir die Osterkerze und sagte, Halt den Kopf nicht so schief, und halt die Kerze gerade und lass das heilige Feuer später ja nicht ausgehen.
Um sieben Uhr Feuerweihe. Ich mit geweihter Kerze in die Kirche. Und das war dann ein Singen und Klingen und Weihräuchern. Und die Glocken waren mittlerweile wieder zurück aus Rom und läuteten, dass einem die Ohren nur so klingelten. Und alle hatten eine Freude und den Osterfrieden und waren froh. Ich war müde und hielt meinen Kopf wegen dem Kapperl noch immer schief und auch die Kerze mit der heiligen Flamme war schief und das Wachs tropfte auf den karierten Rock und die weiße Bluse.
Aber dann zu Hause gab es was zu essen. Aufschnitt und roten Paprikasalat und Schinken und Eier. Und alle hauten rein, der Papa und die Mama und die Oma. Ich nicht so. Ich war zu schwach, die Gabel zu halten. Und mir war schlecht. Und dann vor dem Schlafengehen die Kerze in die Abwasch. Die Osterkerze mit der heiligen Flamme.
Und tu den Vorhang weg, Papa, sonst fängt der noch Feuer.
Und dann am Ostersonntag wieder der Stress mit dem Aufstehen. Weil wenn du am Ostersonntag die letzte warst beim Aufstehen, war das das Schlimmste, das passieren kann. Da warst du dann die Osterblo. Blo ist ein ein Kuhfladen. Ich war immer die Osterblo.
Und wieder in die Kirche. Mit dem Korb zur Speisenweihe. Schinken, Eier, Osterlamm, Butter. Ich musste den Korb tragen und ganz vorn vor den Altar stellen. Und das Hochamt dauerte drei Stunden und danach mussten wir das heilige Zeug essen. Zumindest ein Ei. Ein heiliges.
Und dann um zwöfl Uhr im Radio Urbi et Orbi vom Papst. Und alle hörten zu. Andächtig.
Und am Nachmittag dann das Osternestsuchen und ich fand es immer sofort aber ich durfte das nicht zeigen wegen der Kleinen. Weil es war ja die ganze Großfamilie versammelt. Alle Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen da. Und die Cousins und Cousinen waren alle jünger als ich. Und ich hatte das Feischtougsgwond – Feiertagskleidung – an.
Und fiel jedes Mal in die Wiese und alles war dreckig. Und Mama schimpfte, Amadea, alles für die Katz. Es ist ein Kreuz mit dir.
Der Ostermontag war ruhig. Es war der einzige Tag, an dem ich lang schlafen konnte, ohne dass Papa mich aus dem Bett riss. Mein einziger Feiertag. Und mein Magen hatte sich auch wieder gewohnt an das normale Essen.
Die Dinge haben sich geändert.
Ostern ist nicht mehr das, was es war.
Ich kann schlafen, so lange ich will.
Ich muss nicht mehr in die Kirche, nicht mal mehr zum Hochamt. Und ich bekomm auch kein Aschenkreuz mehr auf die Stirn, und trotzdem habe ich fast nie Kopfweh.
Und das Feiertagsgwand ist auch nicht mehr für die Katz. Ich fall nie mehr in die Wiese. Und es ist kein Kreuz mehr mit mir. Ein Problem habe ich aber noch immer.
Wo schneide ich das Osterlamm an?

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Unglaublich, Amadea. 500Beine ist und bleibt ein Ungeheuer! (Wie sonst hätte er mich erst heute hier her führen können, kommt doch das R. in meinem [wirklichen] Namen genau da her: Amadea liebt Reinhold.)
Heute ist Ostermontag. Nachmittag. Und das zynisch-menschenverachtende Wie Tote leben des engl. Gross-Schriftstellers Will Self fliegt umgehend und endgültig in die Ecke hinterm eh ausgekühlten Ofen, denn: ich muss Archive lesen. Hier.
Immer noch fassungslos. Nun aber ran, Err. Ein unerwartete späte feiertägliche Überraschung!

Herzlichen Dank! (Okay: auch an dich, Gullm!)
Ettore Schmitz

Anonym hat gesagt…

Wir brauchten fast einen Tag bis sich jemand an das Lamm traute. Es war mein Bruder der unabsichtlich den Kopf ab riss und es dann längs der Backnaht einfach aufschnitt.

Anonym hat gesagt…

Ein Bild mit dem rotem Kapperl wäre allerliebst gewesen.

amadea's world hat gesagt…

ettore - danke erstmal. welche ehre, dass du mein blog einem engl. großsschriftsteller vorziehst (das wort großschrifsteller hab ich gerade gelernt). aber ehrlich g'sagt, gar so lustig klingt er inhalt des buches nicht. drum - viell. eh gscheiter, dass du da a bisserl liest.

roman -
dieser bruder - schaut lammfromm drein und dann das!

t.m. ich habe das so gehasst, dieses kapperl, davon gibt's kein foto. da hab ich mich einmal gegen meinen vater durchsetzen können. das war sehr schwierig!