Freitag, April 13, 2007

cappuccinos rache


Da gehe ich so dahin und da sehe ich vor mir auf dem Gehsteig drei weiße Kaffeetassen und zwei Untersetzer.
Gestern waren sie noch nicht da. Komisch.
Ich würde es ja noch eher verstehen, wenn da drei Tassen und drei Untersetzer liegen würden. Aber so passt das ja gar nicht zusammen.
Sie liegen da direkt vor mir. Nicht irgendwo in einer Ecke. Nein, direkt in der Mitte des Gehsteiges.
Es ist also kein Müll, der da herumliegt, so wie manchmal in einer Ecke irgendwo. Zwei Tassen liegen verkehrt da, eine mit der Öffnung nach oben. Das ist eigenartig. Hat da ein Kaffeekränzchen stattgefunden? Nein, das kann nicht sein. Da ist nur der Gehsteig und sonst nichts. Nur die Straße und auf der anderen Seite eine Hecke und dahinter ein Parkplatz.
Ich bin mir sicher, dass das Geschirr nicht einfach so aus Nächstenliebe hingelegt wurde. „Ich brauche diese Tassen und die Untersetzer nicht mehr, vielleicht brauchst du sie ja, du, der da gerade vorbeigeht.“ Wer braucht schon drei Kaffeetassen und zwei Untersetzer?
Vielleicht ist das ja ein Rätsel. Oder eine Botschaft. Eine Art Signal, ein Geheimzeichen einer Untergrundbewegung. Vielleicht hat ein Spion das Geschirr genau so angeordnet, um jemandem anderen eine Botschaft zu hinterlassen. Zwei Tassen verkehrt heißt vielleicht „Der Verdächtige gehört beseitigt“ oder „Auftrag erledigt“ oder „Mission nicht durchführbar“.
Ich muss wissen, was da los ist. Ich muss wissen, ob unter den beiden Kaffeetassen, die da verkehrt liegen, was versteckt ist. Die eine steht ganz normal da und ist leer. Sauber, ausgewaschen, nichts Auffälliges zu erkennen. Ich blicke mich um. Vorsichtig. Man weiß ja nie. Vielleicht beobachtet mich der Spion aus dem Hinterhalt. Vielleicht lauert jemand hinter der Hecke. Vielleicht ist irgendwo eine Kamera, die mich filmt und dann, wenn ich die entscheidende Bewegung mache und die Tasse berühre, schnappt die Falle zu.
Ich bücke mich ein wenig. Nichts passiert.
Ich bücke mich ein wenig tiefer. Wieder nichts.
Vielleicht sind die Tassen auch angeklebt am Gehsteig und wenn ich sie berühre, dann komm ich auch nicht mehr los und klebe auch fest. Und dann kommt vielleicht die Polizei und stellt Fragen oder verhaftet mich. Nicht auszudenken.
Ich stehe wieder gerade und gehe ein Stück weg. Aber ich schaffe es nicht. Ich drehe wieder um. Ich bücke mich schnell und berührte eine Tasse ganz leicht mit nur einem Finger. Für den Bruchteil einer Sekunde. Nichts passiert. Ein Auto fährt vorbei. Ich schaue gelangweilt die Hecke an. Kaum ist das Auto außer Sicht, berühre ich eine Tasse mit der ganzen Hand. Mein Herz klopft. Nichts. Es passiert nichts.
Nun aber!
Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und drehe eine Tasse um. Blitzschnell. Fast wäre sie umgefallen, aber ich schaffe es gerade noch, sie mit der Hand ins Gleichgewicht zu bringen. Leer. Sie ist leer. Gott sei Dank! Und rund um mich ist nichts Auffälliges zu sehen. Nicht auf der Straße, nicht hinter der Hecke. Und ich drehe die zweite Tasse um. Auch leer. Ich bin erleichtert.
Ich stehe auf und gehe weg. Ich drehe mich mehrmals um. Nichts passiert. Ich gehe weiter.
Zu Hause denke ich noch immer nach. Ich komme zu keinem Ergebnis. Ich habe keine Idee.
Am nächsten Tag auf meinem Weg in die Schule ist alles weg. Keine Anzeichen von Tassen oder Untersetzern. Nichts, gar nichts. Wie weg geblasen, wie nie da gewesen. Als ich nach Hause komme und die Treppe zu meiner Wohnung hinauf steige, stockt mir der Atem.
Da liegt etwas Weißes auf dem Fußabstreifer. Als ich näher komme, sehe ich es.
Eine Tasse steht da. Daneben ein Untersetzer.
Mich ergreift die Panik.
Die Vergangenheit holt mich ein. Es hat mit dem Cappuccino zu tun. Ich weiß das genau.
Das ist eine Warnung.
Weil ich zu oft Tee getrunken habe in letzter Zeit. Schnell gehe ich vor die Türe, hole Tasse und Untersetzer herein in die Wohnung. Ich mache Kaffee, fülle ihn in die Tasse und gieße Milch dazu. Beim ersten Schluck höre ich ein Raunen. Ganz leise. Ganz deutlich: Das war eine Warnung, Amadea. Du bist gerade noch mal davongekommen. Um Haaresbreite.

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