Mittwoch, März 21, 2007

yoga

Du bist so jung wie deine Wirbelsäule, heißt es doch immer.
Danach müsste ich sechsundneunzig sein, weil ich immer schon Probleme hatte, bei gestreckten Beinen meine Zehen zu berühren. Auch schon mit siebzehn. Meine Turnlehrerin sagte damals: Amadea, Amadea. Das wird ein schlimmes Ende nehmen mit dir. Sie prophezeite mir schreckliche Rückenschmerzen.
Ich musste mich damals mitten im Turnsaal auf den Bauch legen. Schaut mal alle her, sagte sie und zeigte meinen Mitschülerinnen meine Wirbelsäule, die damals vermutlich auch schon um die achtzig war. Seht ihr? Da im Kreuz ist alles verwachsen, verknöchert. Die wird sich noch anschauen, die Amadea.
Blödes Weib. Tat so, als ob ich schon im Rollstuhl sitzen würde. Dabei war ich sportlich wie eine Gazelle. Beim Laufen und Weitspringen war ich die beste und sehr gut im Geräteturnen. Gymnastik war halt nicht meine Stärke.
Und das letzte Mal beim Aerobic war die Trainerin krank. Also sprang ihr Mann ein, ein Kollege von mir.
Wir nennen ihn Ypsilon.
Wenn du nur sein Gesicht siehst, weißt du, dass er aus Muskeln besteht. Nur Muskeln, kein Gramm Fett.
Liebe Damen, sagte er, als wir uns abmühten, unsere Zehen zu erreichen. Ihr habt da hinten an den Beinen alle eine Muskelverkürzung. Das könnt ihr alles korrigieren durch Üben, Üben, Üben. Yoga wäre da ganz gut geeignet.
Meine Muskeln sind also hinten an den Beinen zu kurz. Komischerweise kommen sie mir nicht kürzer vor als vorne. Und eigentlich bin ich ganz zufrieden mit den Muskeln an meinen Beinen. Auch mit den hinteren.
Bewegen Sie sich langsam und sanft. Alles geht wie von selbst und ganz leicht. Der Yogalehrer auf der DVD, die ich mir besorgte, sieht irgendwie ungesund aus.
Viel zu dünn und bleich. Er hat einen stechenden Blick und erinnert mich ein wenig an eine Kobra, obwohl ich noch nie eine Kobra gesehen habe.
Da steht er mit weiter, weißer Jogginghose und gefalteten Händen.
Männern mit gefalteten Händen traue ich nicht.
Die sieht man manchmal in Diskussionen. Sehr oft haben sie ein Stecktuch im Ausschnitt und fast immer eine Glatze. Der Yogalehrer hat stattdessen einen nackten Oberkörper und eine lange, lockige Mähne. Er sieht nicht aus wie einer, der an irgendetwas Spaß hat. Aber vielleicht ist es ja so, dass man durch Yoga seine Emotionen so gut kontrollieren kann, dass niemand anderer sieht, wie man sich fühlt.
Mir sieht man es immer an, wie es mir geht. Wenn ich gestresst bin, dann sehe ich gestresst aus, wenn ich müde bin, sehe ich müde aus und wenn ich grantig bin, dann sehe ich grantig aus. Also ein Grund mehr, Yoga zu üben.
Wir beginnen mit dem Kamel. Beugen Sie sich nach vor. Richtung Knie. Strecken Sie ihre Arme zur Seite.
Ich Arme strecke meine Arme zur Seite.
Machen sie Ihren Mund nun breit wie ein Frosch und bewegen sie ihren Unterkiefer Richtung Nase.
Was?
Wie soll ich zum Bildschirm sehen können wenn ich gerade das Kamel mache?
Ich hebe kurz den Kopf, um zu sehen, was der Yogi da am Bildschirm macht. Da schießt mir das Blut ins Hirnkastl. Nun ist mir schwindelig. Ich taumle.
Die Wäschespinne, auf der meine Wäsche trocknet, fällt um und fast hätte ich es der Spinne gleich getan.
Ausgezeichnet, Sie machen das wunderbar, sagt er und schaut mich durchdringend an.
Ich hebe die Wäschespinne auf.
Wieso weißt du das, du Aff’? Kannst du mich sehen? Hör auf, mich zu erschrecken. Yogalehrer beruhigen und sind sanft. Du bist wohl einer von der harten Sorte?
Das Telefon läutet. Ich kämpfe mich durch den Berg Wäsche. Zu spät. Aufgelegt.
Als ich zurückkomme, macht der Yogalehrer gerade den Pfau. Er steht da – mit erhobenem Kopf - und hält mit einer Hand seinen Fuß, das Bein durchgestreckt.
Ich mache also den Pfau. Da verfängt sich mein Haar in der Wäschespinne, sie fällt wiederum um und ich auf sie drauf. Nun lasse ich Wäschespinne und mich liegen.
Nun kommen wir zum Krokodil, sagt der Yogi. Krokodil geht gut liegend, denke ich mir. Ich muss mich dabei auf den Rücken legen, Beine anheben, Knie abwinkeln und dann strecken. Es fällt mir schwer, auf den Bildschirm zu schauen. Ich tue es dennoch und schon passiert es. Ein stechender Schmerz im Nacken. Es kracht. Der Blumenstock liegt auf der toten Wäschespinne, die Blumenerde auf meiner noch nassen Wäsche.
Gut dass ich den Kopf nicht drehen kann. Das ist sicher kein schöner Anblick.
Wir kommen nun zum halben Skorpion, säuselt der Yogi. Diese Übung trainiert das Gleichgewicht, dehnt Arme und Beine und macht den Rücken beweglich.
Ich habe nun genug. Ich habe Kopfweh, mein Hals ist verrenkt und die Wohnung ein Staustall.
Ich lege mich auf die Couch. Ich bin geschafft.
Und nun kommen die fünf Tibeter, höre ich aus dem Fernseher.
Fünf Tibeter? In meiner kleinen Wohnung?
Das lasse ich auf keinen Fall zu. Was glaubt der eigentlich?
Mit dem Yogi, der Spinne, dem Kamel, Pfau, dem Krokodil und dem halben Skorpion sind wir dann elf. Wenn ich mich dazu zähle, zwölf!
Das geht nicht!
Viel zu klein - meine Wohnung.
Aber die Tibeter – die könnten da aufräumen, während ich mich ausruhe.
Wenn die flott sind, haben sie das in einer halben Stunde.
Zu fünft ist das ein Klacks.

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