Dienstag, Oktober 17, 2006

es is a wunda

Posted by Picasa
Ich habe heute Geburtstag und es ist ein Wunder, dass ich bei all den Gefahren, denen ich als Kind ausgesetzt war, überhaupt noch auf dieser Welt bin.
Es war lebensgefährlich für uns. Es gab nirgends Kindersicherungen. Weder an Kästen und Türen noch an Fenstern oder vor steilen Treppen.
Es gab keine speziellen Verschlüsse auf Hustensäften und anderen Medikamenten. Wasch- und Spülmittel standen im Kasten unterhalb der Abwasch und waren ganz einfach zu erreichen. Es gab keine Abdeckungen auf Steckdosen, kein Schutzgitter am Herd und keine abgerundeten Kanten.
Wir konnten Fahrrad fahren wann und wie wir wollten. Egal, ob es das große Waffenrad der Oma oder das zusammenklappbare, alte Minirad war. Wir fuhren ohne Helm und Knieschutz, nur mit Sandalen und kurzer Hose.
Wir durften im Auto mitfahren obwohl es weder Gurt noch Nackenstütze gab und manchmal durften wir sogar vorne sitzen. Wir konnten das Autofenster von innen öffnen und während der Fahrt den Kopf hinausstrecken.
Wir gingen allein zur Schule oder fuhren mit dem Rad. Sogar im Winter. Und wenn wir am Nachmittag mit der Klasse Schi fahren gingen, dann hatten wir nicht nur die Schultasche mit sondern auch die Schier und die Schischuhe an den Füßen.
Viele meiner Klassenkameraden mussten zu Fuß in die Schule gehen weil sie oben am Berg wohnten und es keinen Bus gab. Wir kamen im Winter erst nach Hause, wenn es schon dunkel war. Zu Mittag waren wir allein zu Hause, weil die Eltern in der Arbeit waren und wärmten uns Essen auf.
Wir durften alles essen und trinken und wurden nicht dick. Wir tranken gemeinsam aus einer Flasche oder bissen vom Jausenbrot der Freundin ab. Wir tranken Wasser aus der Regentonne, aßen Sauerampfer vom Feld und bekamen weder Durchfall noch Magenkrämpfe.
Wir schlugen die Kerne der Marillen auf und aßen deren Inhalt ohne eine Vergiftung zu bekommen.
Wir sahen zu, wie ein Schwein geschlachtet wurde und hatten dadurch keinen seelischen Schaden.
Wir hatten jeden Sommer Zecken am Kopf oder an den Beinen, ohne an Borreolose oder Gehirnhautentzündung zu erkranken. Unsere Knie waren ständig aufgeschlagen, wir traten uns rostige Nägel in den Fuß und bekamen niemals Blutvergiftung.
Wir waren jeden Nachmittag im Freien und blieben so lange draußen bis es dunkel wurde. Die Eltern wussten nicht wo wir waren und es war ihnen egal.
Trotzdem gingen wir nicht verloren und kamen immer wieder nach Hause.
Wir hatten keine Playstation und keine Videospiele. Wir hatten keine 60 Fernsehkanäle, keinen Videorekorder, kein Handy, keinen iPod, keine Computer und kein Internet. Wir gingen hinaus, trafen uns mit den Nachbarkindern und freundeten uns an. Wir hatten Springseile, und Bälle, Murmeln und Drachen.
Wir kraxelten auf Bäume und fielen herunter. Wir bauten Dämme am Bach und fielen hinein. Wir ließen Drachen steigen neben der Stromleitung. Wir kletterten auf hohe Mauern und fielen in die Brennnesseln. Wir schliefen in Heustadeln, machten Lagerfeuer und brannten nicht ab.
Wir hatten Raufereien und stritten mit unseren Freunden aber unsere Eltern erfuhren nichts davon.
Wir veranstalteten Doktorspiele im Schuppen, wir spielten Heiraten, Schule, Mama und Papa und niemanden störte das.
Wir waren frech zu den Lehrern, bekamen Strafaufgaben und erledigten sie, ohne die Eltern zu informieren.

Wie unterschiedlich doch mein Leben als Kind war im Vergleich zu dem meiner Söhne.
Sie kennen nur ein Deutschland.
Sie kennen Bob Geldof nicht.
Sie kennen die Mondlandung aus Geschichtsbüchern.
Cds gab es schon bevor sie geboren wurden.
Sie kennen kein Leben ohne Aids.
Sie kennen Michael Jackson als Weißen.
Sie kennen kein Schwarzweißfernsehen.
Sie können sich nicht vorstellen, dass man den Fernsehapparat ohne Fernbedienung einschalten musste.
Sie können sich nicht vorstellen, wie man ohne Handy das Haus verlassen konnte.

Das eigenartige dabei ist, dass ich selbst meine, nicht alt zu sein.
Und da sehe ich, dass meine Söhne sich wundern über die heutigen Teenagers.
Und da sehe ich, dass mein achtjähriger Neffe den Computer besser beherrscht als ich.
Und da sehe ich, dass viele meiner Bekannten erwachsene Kinder haben oder geschieden sind.
Und da denke ich mir - Na ja, ganz jung bist du ja nicht mehr.
Und da sagt mein Sohn zu mir: Hey, Mum. Alex sagt, du stehst auf dieselbe Musik wie er.
Und da denke ich mir - So alt bist du doch wieder nicht.
Alex ist schließlich erst fünfundzwanzig.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag :-)Genauso bin ich aufgewachsen und habe überlebt wie du ;-)

Anonym hat gesagt…

zu ihrem blog und ihrem geburtstag
meinen ersten kommentar:
es ist schön bei ihnen
herzlichen glückwunsch

Anonym hat gesagt…

was, schon donnerstag und ich hab dir noch nicht gratuliert *schäm*. alles gute für die nächsten 25 jahre!

was waren wir doch für helden! oder besser: was durften wir doch für helden sein, ohne dass unsere eltern fürchten mussten, ein amerikanischer anwalt könnte sie auf verletzung der aufsichtspflicht klagen.

amadea's world hat gesagt…

smiley :-)und engraver - ich dank recht schön :-)

claus, danke - ja, wir durften wirklich fast alles - sogar beim nachbarn kirschen fladern!