Donnerstag, September 28, 2006

keine private bohrinsel

Posted by Picasa
Ich genieße es wenn ich nicht selbst Auto fahren muss sondern als Beifahrer daneben sitzen kann.
Weil da hab ich dann Zeit, mir alles genau anzusehen.
Am besten ist es wenn du in einem Bus sitzt.
Weil du schaust von oben in ein Auto hinein – durch die Windschutzscheibe - und der Fahrer merkt nicht, dass du ihn beobachtest. Er kommt gar nicht auf die Idee, hinaufzuschauen. Er schaut gerade aus. Du hast also Einblick in seine Privatsphäre weil er sicht unbeobachtet fühlt.
Komisch ist das. Weil eigentlich müsste er sich doch bewusst sein, dass er in einem Glaskasten sitzt und ihn jeder sehen kann weil er ja auch jeden sehen kann. Aber irgendwie ist das nicht der Fall.
Man sieht so viel wenn man nicht selbst fahren muss. Ich lese die Nummernschilder auf Autos und die Werbung für den neuesten Film auf öffentlichen Bussen. Ich schaue die Schaufenster an, die Fußgänger. Und vor allem die Leute in den Autos wenn die Ampel rot ist. Und da passiert so viel.
Jeder fühlt sich im Auto beschützt und unbeobachtet und verhält sich wie in seinen eigenen vier Wänden.
Als ich das letzte Mal im Bus saß – vor zwei Wochen in einem Doubledecker-Bus in London – an der roten Ampel ein großer Wagen direkt unter mir. Der Fahrer war ein gut gekleideter Mann im grauen Anzug mit Krawatte. Er sah vertrauenswürdig aus. Wie ein Banker mittleren Alters. Und auf einmal – ich traute meinen Augen nicht - fing er an, in der Nase zu bohren. Er bohrte nicht mit einem Finger sondern mit mehreren. Sogar mit dem Daumen! Und dann geschah das Unglaubliche! Er steckte den Finger in den Mund und leckte genüsslich seine Finger ab.
Fast hätte ich gegen die Scheibe gehämmert. Ich tat es nicht. Er hätte mich vermutlich nicht gehört. Und vielleicht wollte ich ihm auch die Peinlichkeit ersparen, dass ich seine nasalen Bohrungen beobachtet habe.
“Sag mal, spinnst du? Wie kannst du nur? Bist du fünf?”, hätte ich ihn gern gefragt, und “Wie komme ich dazu das ansehen zu müssen? Dein Auto ist keine private Bohrinsel!”
Ihr lieben Leute!
Vergesst nicht, dass ein Auto Fenster hat, die durchsichtig sind!
Bohrt eure Nase zu Hause im stillen Kämmerlein!
Vergewissert euch, dass euch niemand sieht!
Und wenn, dann verwendet um Himmels willen ein Taschentuch! Man darf auch Taschentücher verwenden wenn man keinen Schnupfen hat! Dazu sind sie da.
Untersteht euch, in der Öffentlichkeit zu bohren und euren Finger samt Naseninhalt irgendwo an einem Stuhl oder Tisch abzuwischen! Ich will nicht, dass irgendwo auf meiner Hose, meiner Bluse oder meinem Notizblock ein klebriges schleimiges grüngelbes Etwas hängt!
Setzt euch zu Hause in einen bequemen Sessel, legt die Beine hoch und bohrt in eurer Nase so lange ihr wollt. Genießt diese Momente der nasalen Tiefenreinigung. Und vergewissert euch, dass die Vorhänge geschlossen sind. Legt euch ein Taschentuch parat.
Und wascht gefälligst eure Hände!

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