Freitag, September 29, 2006

astacus astacus

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„Ach", seufzt Lo. „Nun ist Hoppel gestorben. Trotz des Antibiotikum, das er bekam.“
Gott sei Dank war das Wetter schlecht, als Hoppel sterbenskrank war und Lo und Familie waren nicht in den Urlaub gefahren. Weil sonst hätte ich Schuld an seinem Tod.
Und Los Kind hätte vermutlich nie mehr mit mir geredet.
Hoppel bekam natürlich ein Hasenbegräbnis mit allem drum und dran. Der Grabstein in Form einer Karotte aus Marmor. Spezialanfertigung vom örtlichen Steinmetz nach Los Entwurf.
Nun ist es so, dass das Kind von Lo eine Vorliebe für Getier hat. Nicht nur für Säugegetier.
Sondern Getier aller Art.
Seit kurzem besitzt Los Kind zwei Flusskrebse. Sie leben am Waldrand in einem Tümpel. Genau weiß ich nicht, woher die Flusskrebse stammen. Sie waren ein Geschenk vom Onkel des Kindes. Der hat sie aus einem Bach oder Tümpel in der Nähe. Vermutlich vom Böndlsee. Das ist eine kleine, braune Lacke, in der ich mit meinen Söhnen, als sie noch klein waren und sich auch für Getier interessierten, baden war. Da sind Hunderte von Flusskrebsen drinnen. Drum war ich damals nie im Wasser.
Los Kind hat die Flusskrebse so wie andere Kinder eine Katze haben. Diese Flusskrebse werden weder gedünstet noch gebraten sondern ausgesetzt. In einem Tümpel am Waldrand.
Seitdem die Flusskrebse Familienanschluss haben, dreht sich alles um diese Tiere. Vermutlich eine Art Beschäftigungstherapie. Damit das Kind Hoppels Tod leichter überwindet.
Lo weiß alles über Flusskrebse und deren Verwandten. Ich bin beeindruckt.
„Weißt du“, sagte sie. „Auf lateinisch heißt der Flusskrebs Astacus Astacus.“
„Ich bin nicht schwerhörig. Brauchst nicht zu wiederholen.“
„Ich wiederhole nicht. Der heißt so. So wie Beriberi. Das sagt man auch zweimal.“
„So wie Shakira Shakira?“
„Was ist das, ein Tier?“
„Nein, ein nerviges Lied. Vergiss es. Red weiter.“
„Flusskrebse gehören zu den Gliederfüßern.
„Aha“, sage ich. „Sehr interessant.“
„Es gibt nicht mehr viele. Sie sind fast ausgestorben. Und wir haben welche!“
„Toll“, sage ich.
„Sind es Weibchen oder Männchen?“
„Das weiß ich nicht. Es ist egal“, sagt Lo.
„Es ist nicht egal. Weil wenn ihr ein Pärchen habt, dann könnt ihr vielleicht eine Flusskrebszucht aufmachen und die Viecher am Bauernmarkt verkaufen. Ich glaub, Flusskrebse kann man essen und sind sicher gesund.“
„Wir essen die nicht“, sagt Lo. „Wir haben sie nur.“
„Warum?“
„Na so halt. Dass das Kind sie kennen lernt.“
„Aha“, sage ich. Das ist pädagogisch sehr wertvoll.“
Nun ist das Kind von Lo sehr ehrgeizig. Und das Kind von Lo ist auch gut in der Schule.
Und das Kind von Lo hatte vor zwei Tagen ein Referat in Naturgeschichte.
Mit zehn Jahren Referat! Wo gibt es denn das?
Das Kind wird sicher mal ein Biologe.
„Das Kind wird sicher mal ein Biologe“, sage ich zu Lo.
„So weit sind wir noch nicht. Ich bin froh, dass das Kind das Referat hinter sich hat. Ich denke noch nicht daran, was es einmal werden will.“
Ich kann das verstehen, das Kind ist zehn.
„Ich war gestern mit dem Rad am Berg“, sage ich zu Lo.
“Toll”, sagt Lo. Ich war gestern mit den Flusskrebsen am Berg.“
„Wie lief das Referat?“ frage ich.
„Sehr gut“, sagt Lo. Die Lehrerin vom Kind hat mir gratuliert.
Ich traf sie heute. Sie sagte, das Kind wird sicher mal ein Biologe.“
„Aha“, sage ich.
„Wieso warst du mit den Flusskrebsen am Berg? Sind sie gekrabbelt? Krabbeln Flusskrebse?“ frage ich.
„Lenk nicht ab. Sie krabbeln nicht, sie kriechen.“
„Bist du sicher, dass man kriechen sagt?“
„Du nervst mit deiner Fragerei.“
Lo haut sich auf die Couch.
„Ich stapfte gestern mit dem Kind und den Flusskrebsen den Berg hinauf. Hinauf zum Tümpel. Die Flusskrebse im Kübel mit Wasser. Das Kind hat sie vorgestern in der Schule mitgehabt.Und nun mussten sie wir wieder zurück bringen.
Und da beim Tümpel stand unser Pferd.“
„Ihr habt ein Pferd?“
„Das Pferd meiner Eltern. Der Haflinger. Der Hugo.“
„Hugo hieß mein Biologielehrer – Hugo Krebs.“
„Wie originell“, sagt Lo.
„Egal, erzähl weiter.“
„Und Hugo steht da und sieht uns kommen mit dem Kübel und den Flusskrebsen drin. Und er meint, wir haben da was für ihn. Hafer oder so. Und er wiehert. Laut. Immer wieder. Und geht auf und ab vor dem Tor. Ganz unruhig. Und ich sage zum Kind -Jag den Hugo ein Stückerl weg. Sonst frisst er noch unsere Flusskrebse-.
Und das Kind jagt den Hugo weg. Hin zum Tümpel. Da sollten eigentlich die Flusskrebse hin.
-Nicht zum Tümpel, Kind! Jag ihn zum Wald hinauf!- schrei ich.
Und das Kind jagt ihn zum Wald hinauf, den Hugo.
Und ich saus schnell zum Tümpel und schütte das Wasser mit den Flusskrebsen hinein. Und Hugo sieht das. Und saust herunter vom Waldrand wie vom Hafer gestochen und hüpft hinein in den Tümpel. Und trampelt herum da drin. Wie gibt es das, dass das Pferd genau in den Tümpel steigt?“
„Ganz blöd ist ein Pferd nicht“, sage ich. „Es hat die Flusskrebse gerochen.“
„Ach was, gerochen“, sagt Lo. „Das war Zufall“,
„Vielleicht Schicksal. Glaubst du, die sind tot? Vielleicht ist Hugo daneben getrampelt.“
„Du hättest sehen sollen, wie der Hugo da herumgehüpft ist. Wie ein Wildpferd. Hin und her. Und gewiehert. Und das Kind hat geschrieen. Und ich hab geschrieen –Schrei nicht so, das hilft nun auch nichts.-
„Alle tot nun?“ frage ich.
„Einen haben wir noch gesehen.“ Lo seufzt.
„Jeden Monat ein Todesfall“, sage ich.
Ich auf einmal tieftraurig.
„Eigentlich wollte ich heute essen gehen. Ich bin eingeladen.“
„Wohin?“ fragt Lo.
„Ins Toro Toro. Kennst du das?“
„Ich hab gehört davon. Soll toll sein.“
„Ja, ein spanisches Restaurant. Fisch und so und Verwandte der…
weißt eh…“
„Verwandte von wem?“
„Na, Verwandte der Flusskrebse. Hummer, Langusten und Garnelen. Aber mir ist der Appetit vergangen. Ich glaub, ich sag das ab.“
Heimlich wische ich mir eine Träne aus dem Augenwinkel.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

kommentar des kindes: na bitte, "hugo" nennt`s is pferdl...
musste herzlich lachen!
morgen werden wir sehen, ob astacus 1 und astacus 2 noch unter den lebenden weilen...
bist morgen mit joggen beschäftigt?
dicken astakuss, schlaf gut!
floh