Montag, August 07, 2006

my caravan is my castle

Auf dem Rückflug saß ich neben Frau Pölzner aus Pöham, die mir erzählte, dass sie heuer erstmals in Irland gewesen seien. Sie und Herr Pölzner, auch aus Pöheim. „Gefallen hat es uns nicht. Die Tochter hat uns die Reise geschenkt. Zum Hochzeitsjubiläum.
Wissen’S, wir sind nun fünfzig Jahre verheiratet. Jo mei, a longe Zeit.
Sie hat g’sagt, wir sollen uns mal was gönnen. Wir sind ja sonst jeden Sommer in Strobl. Am Wolfgangsee.
Wissen Sie, ich bin ja mit Mann hier. Aber der sitzt da hinten.
Wissen’S, ich hab g’sagt, Bertl, hab ich g’sagt, wir sind eh immer zamm sonst, heute sitzen wir mal nicht nebeneinander.
Wir sind ja schon in der Pension. Ich hab g’sagt zu meinem Mann, wir sitzen uns heut auseinander. Da kommen wir mal mit anderen Leuten ins Gespräch.“
Frau Pölzner aus Pöham redete und redete. Ich konnte es irgendwie verstehen, dass Herr Pölzner nichts dagegen hatte, wo anders zu sitzen. Ich könnte es sogar verstehen, wenn er ein anderes Flugzeug genommen hätte.
„Wissen’S, mir ham am Wolfgangsee unseren Wohnwagen stehen.
Wissen’s, mia foahr’n schon seit vierzig Jahren an den Wolfgangsee.
Immer auf den gleichen Campingplatz. Das ist so kammot. Der Wohnwagen steht schon drunten. Und wir freuen uns schon das ganze Jahr auf den Urlaub. Aber heuer wird’s wohl nix werden.“ Sie seufzte.
Vor diesem Flug wusste ich über Wohnwägen nur soviel, dass man sie an das Auto hängt, irgendwo hinfährt, ihn dort abhängt und dann eine gewisse Zeit an dem Ort verbringt.
Nun wusste ich viel über das Wohnen in Wohnwägen und würde noch einiges erfahren. Über eine Stunde Flugzeit lag noch vor mir und vor Frau Pölzner aus Pöham.
Und bereits jetzt schon wusste ich mehr über Wohnwägen als ich eigentlich wissen wollte.
Wissen’S, mir ham’s so gemütlich in Strobl. Auf dem Campingplatz kennen’s uns ja schon. Wir sind ja Langzeitcamper.
Und wir treffen uns immer wieder jedes Jahr, wie eine Familie ist das. Wissen’S, und mein Mann, der mäht den Rasen und der schaut auch, dass die Mittagsruhe eingehalten wird. Und er geht sogar abwaschen und hilft mir beim Kochen.
Wir bleiben da immer sechs Wochen. Am Wolfgangsee. Unser zweites Zuhause. Schaun’s, ich hab a paar Fotos.“
Sie winkte die Stewardess herbei. „Helfen’s mir mal da mit dem Fach da. Ich bring das nicht auf.“
Und schon kramte sie eine Tasche heraus, und aus der Tasche ein Fotoalbum.
„Das war 1970. da war unsere Tochter noch ganz klein.
Und der Campingplatz auch.
Jetzt ist ja alles anders. Jetzt ham’s an großen Supermarkt, an Tennissplatz, an Fitnessraum. Ich brauch das ja nicht. Wir haben alles selber mit. Und ich hab eh genug Arbeit im Wohnwagen, da brauch ich kan Sport.“
Frau Pölzner und Herr Pölzner aus Pöham haben also die letzten vierzig Jahre nirgendwo anders als in Strobl am Wolfgangsee den Urlaub verbracht.
Außer in diesem Jahr. Da waren sie in Irland.
Strobl ist schön. Ich habe nichts gegen Strobl. Ganz im Gegenteil. Der Wolfgangsee ist auch schön. Die Leute sind freundlich, der See sauber, die Landschaft wunderbar.
Aber sechs Wochen jedes Jahr?
„Wissen’S“, sagte sie zu dem Mann, der auf der anderes Seite von ihr saß, und nicht aus Pöham war, sondern vermutlich aus Dublin oder sonst irgendwo aus Irland, und der sie vermutlich nicht verstand - er lächelte verlegen, „Man will sich ja nix abgehen lassen im Urlaub, drum sparen wir das ganze Jahr und freuen uns auch das ganze Jahr drauf.“
Sechsundvierzig Wochen des Jahres in Pöham und die restlichen sechs Wochen am Wolfgangsee.
Ich war einmal in Pöham. Unabsichtlich. Ich hatte mich verfahren. Pöham ist ein Dorf.
Eigentlich ist Pöham weniger als ein Dorf, es ist eine Ansammlung von einigen Häusern. Es ist also kein Ort, in dem man das genze Jahr über – abgesehen von den sechs Wochen am Wolfgangsee – leben möchte. In Pöham ist nichts. Gar nichts. Ein paar Häuser und eine Straße. Das ist alles. Berge halt. Aber die zählen nicht. Weil die sind eh überall bei uns.
Frau Pölzner und Herr Pölzner aus Pöham haben also eintausendachthundertvierzig Wochen ihres Lebens in Pöham und zweihundertvierzig Wochen ihres Lebens am Wolfgangsee verbracht.
Sonst gibt es nichts für sie.
Ach ja.
In diesem Urlaub gab es Irland.
Zwei Wochen lang.
„Wissen’S, es war anstrengend. Das Fliegen allein schon.
Und verstanden hab ich auch nix. Und das Essen.
Grauslich.
Zum Früstück schon Bratwürschtl. Des is nix für mich.
Ich mag meinen Kaffee und mein Butterbrot.
Den Kaffee kannst ja auch nicht trinken. Gut, dass ich noch die Kaffeemaschin’ einpackt hab und die Filtertüten. An Kaffee hab ich sowieso immer bei mir.
Wir sind meistens im Hotel geblieben und haben gelesen. Fernsehen hamma auch nicht können. Ham wir ja auch nix verstanden.“
Sie redete weiter.
Vom neuen Griller, den sie sich gekauft hatten und dass sie im Winter neue Vorhänge nähen würde passend zum Eckbanküberzug. Kirsche, die Eckbank. „Die hamma letztes Jahr vom Tischler einbauen lassen.“ Und dass sie jedes Jahr neue Pflanzen einsetzt.
Irgendwann schlief ich ein. Ich hatte es nicht bemerkt. Ich bemerkte erst, dass ich geschlafen hatte, als mich Frau Pölzner aus Pöham in die Seite stieß. „Schaun’s, is der nit liab? Den hab ich gekauft. Für den Garten”.
Fast hätte ich gefragt, „Für den am Wolfgangsee?“, besann mich aber noch im letzten Moment.
„Mia ham ja schon viele. Aber der is liab, gell?
A nette Erinnerung an Irland. Wenn schon der Urlaub nix war.“
Die Maschine setzte zur Landung an.
„Schaun’S.“ Sie stubste mich wieder und sie drehte den Gartenzwerg um.
„Da, schaun’S „Made in Germany“
Ich sagte nur, „Nett, sehr nett“. Wir sind gelandet.“
„Du Papa“, rief Frau Pölzner aus Pöham Herrn Pölzner aus Pöham beim Aussteigen zu. “Vielleicht fahren wir nächste Woche doch noch zum Wolfgangsee. Schau’n, wie sich der Zwerg macht.“

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich war noch nicht am Wolfgangssee, hab mir aber sagen lassen, dass unser --also der deutsche-- Ex-Bundeskanzler dort immer hingefahren ist mit seiner Hannelore. Vielleicht jetzt nicht grad 240 Wochen seines anstrendgenden Bundeskanzlerlebens, aber oft schon auch, jedes Jahr.

Ich war aber schon mal am Millstädter See. Zweimal sogar schon. Insgeasmt waren das zwar auch nur vier Wochen, aber immerhin.

Warum ich das alles erzähle? (Weil ich es nicht übers Herz bring, einfach so herein zu platzen und zu sagen, hallo Amadea, also da hast einmal aus Versehen aus dem Wolfgangs- den Millstädter See gemacht.)

amadea's world hat gesagt…

Ich danke dir, liebe Schickse, für aufmerksames Lesen. Hatte zuerst den Text über den Millstättersee, aber kein Foto davon.

Gruß aus Salzburg

Anonym hat gesagt…

Ich lese hier wirklich sehr gerne, auch wenn ich mal das eine oder andere verpasse. Aber wenn, dann lese ich dich aufmerksam. Weil es sich lohnt, finde ich.