Montag, Mai 08, 2006

the making of ... photos

Fotos in Lokalzeitungen sind eine Sache für sich.
Sie sind einfach lächerlich.
Mir tun Fotografen, die für Bezirkszeitungen und Gemeindeblätter arbeiten, wirklich leid.
Vermutlich ist so ein Fotograf ja wahnsinnig gut ausgebildet, kennt bestimmt die neueste Dunkelraumtechnik, die Möglichkeiten und Grenzen der digitalen Fotografie und Bildbearbeitung, investiert in seine Ausbildung wahnsinnig viel Geld und besitzt die beste digitale sowie analoge Spiegelreflexkamera.
Dann, nach Jahren des Studiums an einer Lehranstalt oder einem Art-College, in der er sich mit den Techniken des visuellen Mediendesigns, Aufnahmen von Personen, Gegenständen, Tieren, Architekturen sowie Landschaften, dem Herstellen und Bearbeiten von multimedialen Produkten in Foto- und Mediendesign, Laborarbeiten und Reproduktionen beschäftigt hat, darf er zum Abschluss all das in einer Ausstellung präsentieren. Die Materialien dafür bezahlt er natürlich aus der eigenen Tasche.
Seine Zukunft hängt davon ab, mit welchem Fuß der Prüfer am entscheidenden Morgen aufgestanden ist.
Hat er nun das Kolleg abgeschlossen, darf er endlich offiziell fotografieren. Für die Lokalzeitung.
Seine Themengebiete umfassen Maturafeiern, Eröffnungen von Brücken und Straßen, Bieranstiche, Maifeiern, Ehrungen von lang verheirateten Ehepaaren, Jubiläumsfeier des örtlichen Fischzuchtvereines, und ähnlichem.
Dann gibt es auch Fots von alten Damen, die grimmigen Blickes auf das Abflussgitter vor ihrem Haus starren, weil der Enkel gestern da eine tote Ratte gefunden hat. Es gibt den Bürgermeister, der stolz mit dem Gemeinderat samt Ehefrauen das neue Biotop, das am Rande des Müllabladeplatzes entstanden ist, einweiht und die Familie, die von einem Tag auf den anderen von der Umwelt abgeschnitten wurde, weil der neue Telefonmasten nicht gebaut werden durfte.
Es gibt auch ein Foto von dem Rentner, der seinen eigenen Urin trinken muss, weil er die Wasserrechung, die innerhalb eines Monats um das Doppelte erhöht wurde, nicht mehr bezahlen kann und ihm deshalb der Wasserhahn abgedreht wurde.
Das wichtigste sind natürlich die Fotos der Fußballspiele des Bezirkes am Wochenende. Dienten versus Lend: 14:9
Die interessantesten Fotos sind von jenen Leuten, die sich über irgendetwas aufregen oder beschweren.
Sie werden meist in ihren Wohnungen fotografiert, böse in die Kamera starrend. Sehr oft, eigentlich immer, mit ausgestrecktem Arm. Eine Frau zeigt auf die Tür, durch die die Katze der Nachbarin die tote Maus hereingeschleppt hat. Die Leute, die sich beschweren, werden aber auch häufig vor ihrem Haus oder in ihrem Garten abgebildet, und zeigen – ebenfalls mit ausgestrecktem Arm – auf die Ursache ihres Zornes oder falls die Ursache nicht mehr zu sehen ist, auf die ehemals vorhandene Ursache. Alle mit dem Gesichtsausdruck: „Mein Leben hat keinen Sinn mehr.“
Die Witwe, die nachts ihrer Perücke beraubt wurde, wird ihres Lebens nicht mehr froh. Sie vermutet, dass der Dieb der Transvestit war, der in der Wohnung unter ihr wohnt und zeigt auf dessen Schlafzimmerfenster.
Die Hausfrau, die der unerträglichen Lautstärke am Kinderspielplatz den Kampf angesagt hat und eine Selbsthilfegruppe „Kinder ins Haus“ gegründet hat, zeigt auf die noch wippende Schaukel.
Glücklicherweise gibt es auch die glücklich Lächelnden.
Die goldenen, diamantenen und platinenen Brautpaare, die auf dem Sofa sitzen, gemeinsam mit dem Bürgermeister, der ihnen einen Strauß Nelken und einen Geschenkskorb überreicht.
Der junge Mann, der seiner Nachbarin jedes Wochenende die schwere Einkaufstasche nach Hause bringt und vom Gemeinderat die Tapferkeitsmedaille erhält.
Der junge BMW-Fahrer, der eine Katze nicht überfahren hat, sondern ausstieg und sie an den Straßenrand setzte, erhält vom Verein „Vier Pfoten, ein Schwanz“ eine Jahresration Katzenfutter.
Ich war ja auch schon ein paar Mal in der Lokalzeitung. Einmal, als ich im Rahmen der Aktion „Fit for life“ einen Fitness-Check-Gutschein gewann und gemeinsam mit Hunderten anderen Gewinnern auf der Tartanbahn meine Runden lief.
Das Foto war eine Klasse für sich. Man sah, dass der Fotograf sich die allergrößte Mühe gemacht hatte, das schlechteste Foto zu machen. Ich sah aus wie meine eigene Großmutter. Dabei ist das nun schon einige Jahre her.
Vor kurzem rief die Dame von der Lokalzeitung an.
Die Handballmannschaft unserer Schule hatte gewonnen und man wollte ein Foto.
Mein Frage – Soll ich ein Foto machen und es mailen – wurde mit dem Satz – Wir haben unseren eigenen Fotograf – abgetan.
Zwei Tage später hing das Foto an der Pinnwand im Konferenzzimmer.
Ich gemeinsam mit der Handballmannschaft, dem Direktor, dem Sportlehrer, dem örtlichen Sportvereinsobmann vor dem Schuleingang, auf Seite 6, auf den Ball zeigend, breit grinsend.
Als eine Kollegin fragte: „Wer ist denn die, die so blöd auf den Ball zeigt?“, verließ ich das Zimmer und dankte dem Fotografen insgeheim für seine Fähigkeit, mich dieses Mal wie meine Urgroßmutter aussehen zu lassen.

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