Heute sah ich sie wieder. Auf der Straße. Im Vorbeigehen. Auf dem Weg nach Hause.
Kurzer Augenkontakt. Angedeutetes Lächeln. Diese Frau.
Ich weiß nicht, wer sie ist.
Ich weiß nicht, wo sie lebt.
Ich weiß nicht, wo sie arbeitet.
Ich weiß nicht, wie es begann.
Ich weiß nicht, wie es endete.
Ich bin froh, dass sie weg ist.
Weg aus meinem Leben.
Und dass ich sie nun über ein Jahr nicht gesehen habe.
Ich ging fast jeden Tag in dieses Cafe. Auf einmal war sie da. Und von da an ständig.
Saß immer an demselben Tisch. Mir schräg gegenüber.
Das erste Mal sprach sie mich an, als ich mir auf der Toilette die Hände wusch.
Und ich dachte mir nichts dabei.
Eine kurze Begrüßung.
Dagegen ist nichts einzuwenden.
Doch dann wurde es unheimlich.
Jedes Mal wenn ich zur Toilette ging, stand sie da.
Während ich mir die Hände wusch, fing sie an zu fragen. Sie bombardierte mich mit Fragen.
Über mein Privatleben.
Über meine Familie.
Über meine Herkunft.
Über meine Kleidung.
Und ich merkte, wie ich mich anspannte.
Und ich merkte, wie ich nichts sagende Antworten gab.
Und ich merkte, wie ich versuchte, nichts preiszugeben.
Und wie ich mich beeilte, dass ich hinauskam.
Und wie ich danach die Tür im Auge behielt.
Und wie ich versuchte, unbefangen zu sein.
Was mir nicht gelang.
Und dann saß sie da wieder. Mir schräg gegenüber.
Sah mich unentwegt an. Bis ich ging.
Eines Tages, als ich aus der Toilette kam, stand sie da. In der Tür. Verstellte mir den Weg.
Mit ihrem Arm. Fragte mich aus.
Wie mein Tag gewesen sei.
Wie es mir gehe.
Was ich heute noch tun würde.
Ich war wie gelähmt. Rief die Kellnerin.
Als sie kam, stand sie da.
Diese Frau.
Lächelte.
So als ob nichts gewesen sei.
Ich bezahlte.
Und ging.
Mit klopfendem Herzen.
An einem anderen Tag war sie schon in der Toilette. So, als ob sie auf mich gewartet hätte.
Ich ging zum Waschbecken. Sie schaute mich an.
Ich spürte es. Dann fing sie wieder an. Mit ihren Fragen.
Ihre Jeans gefallen mir.
Danke.
Sie haben sie in dem kleinen Geschäft gekauft.
Ja.
Sie haben noch ein anderes Paar Jeans, etwas heller.
Auch aus diesem Geschäft.
Ja.
Sie trugen sie vergangenen Dienstag.
Das reichte mir. Ich lief hinaus. Nach Hause. Ohne mich umzusehen.
Von da an ging ich nicht mehr in dieses Cafe.
Ein Jahr lang.
Manchmal sah ich sie. Im Vorbeigehen.. Dann und wann.
Ich ignorierte sie. Schaute sie nicht an.
Blickte zu Boden wenn ich sie kommen sah. Sie versuchte manchmal, etwas zu sagen.
Ich sah sie nie mehr an. Nicht mal einen kurzen Augenblick.
Dann sah ich sie lang nicht. Über ein Jahr.
In mein Cafe gehe ich wieder. Regelmäßig. Sie ist nie mehr da.
Heute sah ich sie.
Auf der Straße. Im Vorbeigehen. Auf dem Weg nach Hause. Kurzer Augenkontakt.
Angedeutetes Lächeln.
Diese Frau.
Ob sie ein neues Opfer hat?
Wenn du sie siehst, schau sie nicht an.
Ignorier sie. Sie ist gefährlich.
Ich weiß es.
Glaub mir.
Montag, Mai 15, 2006
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