Da ist dieser große Mercedes und dahinter der Chrysler, zwischen drinnen ich, der kleine Clio. Ich bekomm schon klaustrophobische Zustände.
Wie wird das nun enden, wenn sie mich da hinausmanövrieren muss?
Wie oft schon habe ich ihr zu verstehen gegeben, beim Rückwärts fahren in die Außenspiegel zu schauen.
Nein, sie schaut entweder in den Rückspiegel oder dreht sich halb um, Richtung Beifahrersitz, halb verrenkt, hat niemals meine linke Seite im Auge.
Bis jezt hab fast immer ausweichen können. Einmal nahm ich, eigentlich sie, an der Waschanlage den Schlauch mit. Er war in meinem linken Spiegel eingeklemmt, Ich hatte keine Chance, drehte und wand mich, quietschte, so laut ich konnte, als sie bremste. Das ging damals gerade noch gut.
Ich spüre es in meinen Felgen, dass heute was passiert. Ich sehe das schon kommen. Diese zwei Ungetüme an meiner rechten Seite. Sie starren mich an. Diese Straßenlaterne an meiner linken.
Eine Straßenlaterne ist ja größer als ein Randstein, oder? Eine Straßenlaterne ist groß. Die sieht doch jeder. Nur sie nicht.
Sie hat nur Augen für den Ami und den Deutschen da.
Und sie glaubt, ich werde das schon wieder hinkriegen. Mich gerade noch mal vorbeidrängeln am Laternenpfahl.
Sie startet, haut mir den Rückwärtsgang rein. So geht das nicht, Madame! So klein bin ich nun wieder auch nicht!
Siehst du denn nicht, dass sich das nicht ausgeht? Niemals!
Sie hat schon wieder ganz was anderes im Kopf. Wie immer! Nie bei der Sache, immer unkonzentriert. Kann sie nicht einmal etwas umsichtig sein?
Gott sei Dank, sie bremst mich ab.
Das wurde aber Zeit!
So, nun nach vor, schlag mich ein wenig nach links ein. Ich sagte, nach links, und vor!
Merde!
Was soll denn das?
Warum tut sie nie was ich sage?
Störrisches Weibsbild, störrisches.
Nach vor! Was machst du denn nun? Runter vom Gas und den ersten Gang rein!
Wieso machst du das Radio lauter? Du brauchst jetzt keine Musik! Pass lieber auf mich auf. Und auf die Laterne. Ich finde diese Laterne ja ganz nett. Aber ich will nicht mit ihr auf Tuchfühlung gehen!
Nein, das ist der falsche Gang. Der faaaaaaaalsche!
Quiiiiiiiiiiieuxiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiquiiiiiiiiiiiiizzzzzzzzzzchhhhhhhhhh!
Mon dieu!
Auaaaaaaaaaaaaahhhhh!
Fahr bitte nach vor, langsam. Ich bin zerkratzt, ordentlich. Ich habe eine Schramme. Ich spüre es genau. Sie ist groß, die Abschürfung. Sie tut weh!
Was tust du denn? Du kannst nicht noch weiter zurück fahren!
Nein!
Auaaaaahhhh!
Mein linke Seite ist hin. Ich spüre es. Alles eingedrückt.
Merde, tut das weh!
Ich muss zum Mechaniker. Auf der Stelle.
Fahr nun ja zum Mechaniker.
Auaaaaaaaaaaaaa!
Kannst du meine Tür nicht behutsam aufmachen?
Langsamer! Ich bin verletzt, zerschrammt, eingedrückt, aufgeschlagen.
Nun schau mich nicht so an. Tut dir irgendwas weh? Dir tut gar nichts weh.
Ich bin nicht schuld! Du hast nicht aufgepasst.
Und was sagte ich heute morgen?
Lass mich in der Garage, sagte ich.
Aber nein, du musstest ja unbedingt. Ich war heute sowieso nicht in Stimmung, herumzufahren. Auf mich wird ja nie Rücksicht genommen.
Schau mich nicht so an! Ich kenne diesen Blick.
So hast du meinen Vorgänger auch angesehen, bevor du dich seiner entledigt hast. Aber mit mir nicht, Madame.
Ich habe Schmerzen. Vielleicht könntest du mal an mich denken und nicht immer an dich.
Wir fahren nun sofort zum Mechaniker.
Und wehe, du bist knauserig. Ich will noch im Frühling wieder so aussehen wie heute morgen. Glänzend, frisch, glatt. Ohne Schrammen und Beulen.
Du brauchst diesen neuen Clio da drüben gar nicht so begehrlich anschauen. Rot ist sowieso nicht deine Farbe.
Ich war immer für dich da.
Habe ich je gejammert, wenn du mich im Schnee hast versinken lassen?
Habe ich dich je im Stich gelassen, wenn du wieder mal zu spät aufgestanden bist?
Ich bin immer angesprungen, immer!
Ich habe nie aufgemuckst, mich immer gefügt, mich dir immer untergeordnet.
Du hast dich für mich entschieden, und ich erwarte, dass du mir die Treue hältst. In guten wie in bösen Tagen.
Und heute ist für mich gar kein guter Tag.
So wie ich dir beistehe, wirst du nun mir beistehen. Klar? Und jammere nun nicht wegen der 1600 Euro, die du für mich bezahlen musst.
Dann fährst du halt in diesem Sommer mit mir weg. Ist nicht notwendig, dass du jedes Jahr mehrmals irgendwo hinfliegst.
Ich brauch auch mal Urlaub. Nach diesem langen Winter habe ich mir den Urlaub redlich verdient.
Wir fahren diesen Sommer in meine Heimat.
In den Süden, in die Wärme.
Wir machen das ganz gemütlich, bleiben, wo es uns gefällt, du darfst auf bei mir auf dem Rücksitz schlafen. Nur wir beide, sonst niemand. Wir werden durch die Wiesen fahren, entlang der Küste. Du wirst französischen Wein trinken und ich französische Luft atmen.
Wir können auch nach Paris, fahren, wenn du dir das zutraust. Auf dem Place de la Concorde die Runden drehen, oder durch die kleinen Gassen fahren.
Oh, wie schön!
Lass mich ein wenig träumen. Wenn ich träume, vergesse ich die Schrammen, die Beulen, die Schmerzen.
Und mach die Musik lauter. Ich liebe dieses Lied.
Non, rien de rien,
Non, je ne regrette rien
Ni le bien qu`on m`a fait,
Ni le maltout
Ca m`est bien egal
Non, rien de rien,
Non, je ne regrette rien
C`est paye,
Balaye, Oublie,
Je me fous du passe
Montag, April 24, 2006
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