Freitag, April 28, 2006
how embarrassing
Jeder hatte schon seine peinlichen Momente.
Ich hatte einige ziemlich peinliche.
Das Peinlichste war für mich, als ich – ich lebte damals in London – zum Frisör round the corner sagte, „I’d like to have a haircut and a blowjob“ - anstatt „blowdry“.
Wirklich peinlich war mir, dass ich danach, als der Friseur den blowing job ausführte, nur daran dachte: „Der glaubt nun ich denke den ganzen Tag an nix anderes als an blowjobs."
Es war auch peinlich, dass er jeder Kundschaft, die ins Geschäft kam, meinen Fauxpas erzählte, zur Heiterkeit aller Anwesenden außer mir.
Warum ist es einem eigentlich peinlich, wenn uns vor fremden Leuten ein Missgeschick passiert? Es kennt einen doch keiner, und es sollte einem eigentlich wurscht sein.
Ich meine, es ist klar, dass es es peinlich ist, wenn man von der Toilette kommt und der Rock ist eingeklemmt in der Strumpfhose, wie es einer ehemaligen Kollegin, deren Hinterteil der Venus von Willendorf ähnelte, passierte. Ich konnte es mir damals nicht verkneifen, und das war kein Mitleid, sie lautstark darauf hinzuweisen, hatte sie mir doch einige Wochen zuvor den Lockenwickler, der zwischen meinen Schulterblättern am Mohair-Pullover kleben geblieben war entfernt und lautstark gerufen: „Hattest du es eilig heute morgen?“
Ich beobachtete ganz genau ihre Mimik und sah, wie blankes Entsetzen ihren Lippenstiftmund verzerrte, ihre Bewegungen fahrig wurden und sie blitzschnell ihr Hinterteil an die Wand drückte und den Rock aus Strumpfhose herauszog. Und während dies alles wie in Zeitlupe ablief, herrschte Grabesstille im Raum.
Meine Mutter erzählte mir von einer Begebenheit, die mich betraf, aber nur für sie peinlich war.
Es war meine Erstkommunion. Wir hatten wenig Geld und mein Erstkommunionkleid samt Schleier und Schuhen hatte ich von der Cousine aus Frankfurt übernommen.
Den Abend zuvor waren Mama, beide Omas und Tanten zur Generalanprobe versammelt. Das Kleid passte wunderbar. Ich fühlte mich wie eine Prinzessin. Nur mit dem Schleier kamen sie nicht gut zurecht. Er wollte einfach nicht richtig passen. Ich war ungeduldig und genervt, weil alle an meinem Kopf herumzupften, mir Haare ausrissen, mich mit Spangerln und Haarnadeln stachen und durcheinander redeten. Zufrieden waren sie nicht mit dem Schleier.
Am nächsten Tag saß ich in der Kirche. Andächtig, mit Kerze und Schleier. Reinhold, mein Verehrer schaute mich immer wieder an. Ich war so stolz auf meine langen Locken und den schönen Schleier. Hatte er mich doch zuvor immer wieder gefragt, ob ich wohl einen Schleier hätte, was ich stolz bejahte.
Jedenfalls litt meine Mutter während der ganzen Zeremonie. Weil ihr, als sie die anderen Mädchen mit ihren schönen, langen Schleiern vor ihr sitzen sah, es wie Schuppen vor die Augen fiel. Mein Schleier war zwar ein Schleier, Aber keiner, den man auf den Kopf setzt, sondern auf die Kerze steckt. Ich trug also einen Schleier, der nicht einmal meine Ohren bedeckte.
So weit so gut.
Für mich war das kein peinlicher Moment. Ich fühlte mich trotz Kerzenschleiers auf dem Kopf fromm und heilig.
Eine weitere Peinlichkeit passierte einer Freundin.
Es war vor einigen Jahren. Bei uns gibt es einen Kunsthandwerk-Markt der immer am letzten Samstag im Oktober stattfindet.
So lang ich denken kann, ist es an diesem Tag immer kalt und regnerisch oder es schneit überhaupt schon.
Jedenfalls hatte die Freundin am Tag zuvor das erste mal eine Strumpfhose unter den Jeans getragen. Am Tag des Marktes hatte sie es eilig, zog schnell Strumpfhose und Jeans drüber und machte sich auf den Weg zum Markt. Nun ist es so, dass auf diesem Markt einfach jeder da ist. Nicht nur Leute vom Ort, sondern auch die Einwohner der Nachbargemeinden.
Und die Freundin zog ihre Runden. Von einem Stand zum anderen. Blieb stehen, redete mit Leuten, die sie kannte, trank da und dort was, und war guter Dinge. Es war ihr nicht kalt, sie trug ja Strumpfhose und Jeans, einen warmen Pullover und eine Winterjacke. Sie kaufte auch einiges. Glaskugeln in verschiedenen Rottönen, eine Glasschale und ein Windspiel.
Sie war schon unterwegs zu ihrem Auto nach einem Nachmittag kurzweiliger Unterhaltung, als ihr eine Bekannte zurief, sie solle kurz warten.
Und sie wartete. Was sie dann erfuhr, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
„Dir hängt da hinten eine Strumpfhose raus“, sagte die Bekannte.
Da hinten hing eine Strumpfhose nicht nur ein klein wenig raus. Da hinten hing ein brauner Strumpfhosenschlauch lang wie eine Königspython wie eine Schleppe aus ihrem Hosenbein. Mittlerweile durchfeuchtet und dreckig von all dem Regen.
Es war die Strumpfhose, die sie am Vortag unter den Jeans getragen hatte.
Die Freundin schnappte blitzschnell den Nylonschleier, verstaute das Ende in ihrer Winterjacke und lief wortlos und geschockt zu zum Auto.
Zu Hause dann der Anruf.
„Hallo, ich bin’s. Ich hab gesehen, wie du aus dem Auto gestiegen bist und hab dir zugerufen. Du hast mich aber nicht gehört. Wollte dir nur sagen, dass dir hinten die Strumpfhose raushängt!"
Das Peinlichstes, das ich je gesehen habe, passierte in einem italienischen Lokal in St.Albans.
Ich war mit Cedric, einem Kollegen dort. Neben uns saß die Belegschaft, vermutlich eines Büros, mit einer schicken, blonden, toll gestylten Lady um die vierzig.
Sie stand auf, ging zur Toilette, ihre high heels rhythmisch klappernd, Kopf hoch, selbstbewusst, die Tasche lässig am Arm, die Blicke der Männer hinter sich herziehend.
So kam sie auch wieder zurück. Ever so cool.
Nur dass sie nun statt der Blicke der Männer ein weißes Band hinter sich herzog. Das Ende einer Klopapierrolle hatte sich in ihrem Höschen oder sonst wo verfangen.
Ich saß da wie gelähmt. Ich weiß gar nicht mehr, ob ich lachte oder nicht. Ich sehe noch immer dieses weiße Band. Ein weißes Band quer durch das ganze Lokal,
Die ganze Belegschaft sprachlos. Erst als der Kellner herbei eilte und ihr etwas ins Ohr flüsterte, schrie sie, „How embarrassing!“ Sie verlor fast das Gleichgewicht, als sie sich das Klopapier herunter riss.
Nach einigen Minuten merkte man, dass alle Anwesenden nur über das eine Thema redeten. Die Lady war nicht mehr da. Sie hatte sofort das Restaurant verlassen. DenKopf etwas weniger hoch, die Tasche etwas weniger lässig, ihr high heels hektisch klappernd, die Blicke der Männer hinter sich lassend. Nur das weiße Band erinnerte an ihre Anwesenheit.
Leitet sich das Wort embarrassing eigentlich von bare ass ab?
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