Sonntag, März 19, 2006

those eyes

Sie betrat die Bar.
Sie war zu früh da. Viel zu früh. Sie hatte mit ihrer Freundin eine Zeit ausgemacht. Aber dann war das Wetter so schön, und sie wollte früher los und spazieren gehen und die Sonne, die sich in diesem Frühling so selten gezeigt hatte, spüren.
Sie war so lange gewandert bis sie müde war. Und dann ging sie in die erste Bar, die auf dem Weg in die Stadt lag.
Es waren noch keine Leute da, es war ja noch früh. Sie setzte sich an den Tisch am Fenster.
Und als sie sich umblickte, sah sie dort drüben einen Mann stehen.
Der sie anblickte.
Immerfort.
Er hatte blaue Augen. So genau sah sie es nicht, aber sie schienen blau zu sein.
Sie wandte den Blick ab und war froh, dass die Kellnerin kam um die Bestellung aufzunehmen.
Gleich darauf blickte sie wieder hinüber. Noch immer sah er sie an. Durchdringend. Er lächelte und es schien ihr, als habe er leicht mit einem Auge gezwinkert.
Er war groß und kräftig. Sein Haar war etwas lockig und halblang.
Sie wusste, dass er gleich zu ihr kommen würde.
Wandte den Blick ab. Schaute wie teilnahmslos aus dem Fenster. Sie war nervös. Sie richtete sich ihren Schal, fuhr sich ins Haar.
Als sie aufblickte, stand er vor ihr.
Du hast schöne Augen, sagte er und lächelte.
Darf ich mich zu dir gesellen?
Ja, stammelte sie.
Wie er da vor ihr stand.
Den Kopf erhoben.
Die Schultern nach hinten gezogen.
Er schaute sie noch immer an.
Mit seinen hellblauen Augen.
So wie sein Hemd.
Seine Zähne auffallend weiß.
Du hast schöne Augen, sagte er.
Du erinnerst mich an diesen Film. Wie hieß er noch?
Du meinst La Strada.
Ich weiß, ich sehe aus wie Gelsomina, jedenfalls sah ich so aus als ich neunzehn war.
Ja, wie Gelsomina, diese Augen.
Damals, als sie den Film das erste Mal gesehen hatte, war ihr diese verblüffende Ähnlichkeit unheimlich gewesen. Es hatte sie erschrocken, sich selbst auf der Leinwand zu sehen.
Und es hatte ihr gar nicht gefallen, so auszusehen wie sie. Naiv, unbeholfen, plump.
Sie war nicht naiv und unbeholfen. Nicht mal mit neunzehn.
Sie hatte den Kaffee zu schnell ausgetrunken, wohl aus Unsicherheit.
Er ging hinüber zur Theke und kam mit zwei Gläsern Rotwein und einer Karaffe Wasser zurück.
In deinen Augen könnte man versinken, sagte er.
Sie wurde verlegen und wusste nicht, was sie sagen sollte.
Er gab ihr das Glas in die Hand, hob seines leicht und trank. Und immerfort sah er sie an.
Du bist schön, sagte er.
Sag das nicht, bitte.
Du machst mich verlegen.
Und du riechst gut, sagte er.
Das ist mein Parfüm.
Nein, das meine ich nicht.
Ich meine dich.
Sie war überfordert mit dem, was er sagte.
Sie war überfordert mit all den Komplimenten, die er ihr machte.
Sie war überfordert mit seiner Anwesenheit, seiner Stärke, seinem Lächeln, seiner Leichtigkeit, seiner Präsenz.
Als die Freundin kam, schickte er sich an zu gehen.
Sie tauschten Telefonnummern aus.
Sie konnte auf die Fragen ihrer Freundin gar nichts sagen. War wortkarg. Erzählte nichts.
Gleich darauf erhielt sie eine Message. Du fehlst mir, las sie.
Und - Ich lasse einen Teil meines Herzens bei dir zurück. Bitte achte darauf. Du bist ein Schatz für mich.
Am nächsten Tag rief er sie an.
Und sie redeten fast zwei Stunden.
Und nach zehn Minuten rief er wieder an. Und sie redeten wieder fast zwei Stunden.

Und dann hatte sie das Gefühl, dies könnte ein Mann sein, der ihr gut tun würde.

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