Sonntag, Februar 26, 2006

trauma

Ich gehöre ja zu denjenigen, die sich gern verkleiden im Fasching, obwohl ich ein Trauma aus Kindheitstagen habe.
Mein Vater versuchte jedes Jahr im Fasching, seine Bastelkünste an mir zu verwirklichen. Seine Vorliebe waren vor allem Blumen der Alpenflora.
In einem Jahr war ich ein Enzian, im darauf folgenden ein Edelweiß und ein anderes Mal ein Türkenbund oder eine Alpenrose.
Mein sehnlichster Wunsch war es, einmal als Prinzessin zum alljährlichen Kindergartenfasching zu erscheinen.
Dieser Wunsch schien mit der Ankunft eines Päckchens von entfernten Verwandten aus den USA in Erfüllung zu gehen.
Unter all den gebrauchten Kleidungsstücken, die für mich und meine Schwester dabei waren, befand sich ein wunderschönes, gelbes Prinzessinnenkleid mit Spitzen, Rüschchen, Puffärmeln und schwarzen Samtbändern.
Mein größter Traum sollte sich endlich erfüllen.
Ganz stolz antwortete ich auf die Frage Reinholds, meines Angebeteten, den ich irgendwann heiraten wollte, was ich denn sei - Eine Prinzessin natürlich, siehst du das nicht?
Er starrte mich ungläubig an.
Erst nach Jahren verstand ich warum. Mein Vater hatte mein Gesicht schwarz bemalt und mir einen lustigen Hut aufgesetzt.
Ein Erlebnis, das ich nie verarbeitet habe, auch nicht in den unzähligen Gesprächen mit meinem Vater in all den Jahren.
Ich habe übrigens Reinhold nicht geheiratet.
Mit zwanzig verkleideten meine Freundin und ich uns als Clowns. Unkenntlich natürlich.
Die begehrteste Faschingsparty in Salzburg war damals das Psycho-Gschnas und unser größtes Vergnügen war es, dass keiner der angehenden Psychologen wussten, wer wir waren.
Natürlich keine Psychologie-Studentinnen.

In den Jahren danach verkleideten meine Freundinnen und ich uns als Hexen. Nein, nicht als zahnlose, zerlumpte Weiber, sondern als schöne, geheimnisvolle Hexen in grün oder gelb, mit spitzem Hut, Boa, schwarzem Tüll und hochhackigen Schuhen.
Danach gab ich die Gewohnheit, im Fasching zu den diversen Parties, Bällen, Gschnasen zu gehen, auf.
Erst im vorigen Jahr, anlässlich des Faschingsballs im Dorf packte mich wieder der Virus in Form eines Hiatatbuam mit Papas alter Lederhose, dem alten selbstg’strickten Röckei und den Schafwollsocken.
Es freute mich nicht sonderlich, und ich nahm mir vor, spätestens zu Mitternacht zu Hause zu sein.
Aber die Musik war toll, die Männer waren charmant und ich machte die ganze Nacht durch.
Gestern Abend war es wieder soweit. Unser heuriges Thema Lifeball.
Polizistinnen. Auch die beiden Männer.
In Netzstrümpfen, Korsett und engen Stiefeln. Mit Perücke, falschen Wimpern und langen, roten, aufgeklebten Fingernägeln.
Während der Mitternachtseinlage in Form eines Strip wurde aus dem S der Sittenpolizei ein T.
Natürlich blieb alles innerhalb der Norm.
Wir entledigten uns nur der Jacken und Kapperl.
Und wiederum kam ich erst um fünf früh heim.
Und wiederum war die Musik toll und die Männer charmant.
Ich weiß, ich schwimme mit der Masse.
Ich weiß, ich sollte den Fasching und das ganze Drumherum kritisch sehen, mich eher darüber lustig machen, so wie über den Rummel um Weihnachten.
Aber ich liebe den Fasching.
Und Weihnachten liebe ich auch.
Außerdem bin ich nach wie vor dabei, mein Kindheitstrauma aufzuarbeiten.
Und das ist ein Vorgang, der Jahre dauert.
Der Heilungsprozess ist vermutlich erst dann abgeschlossen, wenn ich mich als
Enzian oder Almrausch verkleide.
Aber so weit bin ich noch lang nicht.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich wollte als Kind im Fasching immer ich sein. Erst Jahre später sollte ich es schaffen.

Edith