Gestern Nacht, beim Einschlafen tauchten Bilder aus vergangenen Tagen auf.
Im Gras hockend am Bach, die Ärmel nass vom Eiswasser.
Er, schweigsam im schwarzen Rock neben mir sitzend.
Die Perlmuttknöpfe seines Hemdes schillern in den Regenbogenfarben. Ich hab niemals herausgefunden, woher diese Knöpfe stammten.
Damals flocht ich ihm einen Kranz aus Gänseblümchen und legte ihn ihm um den Kopf.
Er wurde verlegen, wenn ich das tat, hinderte mich jedoch nicht daran. Durch das weiße Haar schimmerte die Kopfhaut, etwas fettig und weiß, adrig. Er roch gut.
Noch heute habe ich diesen Geruch in der Nase. Etwas rauchig, weil der Ofen in seinem Zimmer nie richtig zog. Nach Seife und nach Holz.
Nach einer Weile nahm er sein Taschenmesser und das weiße Taschentuch aus seinem Rock. Ein Apfel und ein Stück Schwarzbrot darin eingewickelt. Ich bekam die Brotrinde und die Apfelschale. Welch ein Genuss. Beides gleichzeitig musste man essen. Das sauer Saftige des Apfels und das trocken Würzige des Brotes.
Er war groß und dünn.
Wir gingen ganz langsam. Meist schweigend. Er sagte ganz wenig. Nannte nur manchmal meinen Namen, der derselbe ist wie der seiner Frau, die ich nie gekannt hatte.
An seine Stimme kann ich mich nicht erinnern.
Er flocht Körbe und schnitzte Windräder. Körbe in allen Formen. Windräder für die Wiese hinter dem Haus.
Er war mein Urgroßvater und meine Großmutter war ungeduldig mit ihm.
Dabei tat er gar nichts. Saß nur auf der Küchenbank und wenn er müde wurde, legte er seinen Kopf auf die Arme und schlief. Am Tisch lehnend.
Eines Tages war er tot. Eingeschlafen. Am Morgen nicht aufgestanden zur üblichen Zeit.
Ich verstand nicht, warum alle weinten. Oma hätte doch froh sein müssen. Er war ihr nur im Weg gewesen.
Manchmal träume ich von ihm. Er läuft über die Wiese, ich auf seinen Schultern. Lachend. Wir beide.
Montag, Februar 13, 2006
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