Freitag, Februar 03, 2006

just so sad

Manchmal blicke ich in das Gesicht eines Kindes und sehe nur Traurigkeit


Sie kommt mir entgegen, in ihren hautengen Jeans, der Bauch frei.
Sie schwankt, droht umzufallen.
Sie geht in die vierte Klasse.
Ich bin grad auf dem Weg, für die Gruppe, die ich betreue, heißen Tee zu holen.
Ich schnappe sie, lege sie auf die Bank vor dem Schulgebäude.
Hebe ihre Beine hoch.
Die Startnummer ist verrutscht. Bist du schon gelaufen?
Ja, wir haben uns aufgewärmt. Danach wurde mir schwindlig.
Was hast du gegessen?
Nichts, sagt sie.
Sie habe Probleme mit dem Kreislauf, ihr wird immer leicht schlecht.
Ich frage mich, wie es möglich ist, dass eine Mutter ihr Kind mit nichts im Magen und so gekleidet zum Langlaufbewerb schickt?
Ich rufe dieMutter an.
Sie hat keine Ahnung, dass heute dieser Bewerb ist.
Sie weiß nicht, dass ihre Tochter nicht gefrühstückt hat.
Sie will sie sofort abholen.
Und ihr die Kreislauftropfen mitbringen.
Ich sage, dass ihre Tochter mit dem Bus wie gewohnt heimkommen wird, dass sie ein Frühstück bekommt und sich in der Bücherei ausruhen wird.


Tropfen anstatt eines Frühstücks.
In was für einer Welt leben wir nur?



Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch.
Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie Euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht Eure Gedanken.
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen.
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein; aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit, und er spannt euch mit seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Lasst euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein.
Denn so wie er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.

Khalil Gibran

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