Samstag, März 03, 2007
die bordsteinkante kein pardon
Auf einmal krachte es. Die Katze hatte ich noch gesehen. Als sie über die Straße huschte. Die Engstelle nicht.
„Nun hab ich die Bordsteinkante erwischt. Da fahr ich nicht mehr, auf diesem blöden Schleichweg.“
„Das passierte mir auch mal, genau hier“, sagte Anna. „Danach war der Reifen hin.“
„ Meiner ist noch ganz“, wollte ich schon sagen, als das Auto auf einmal zu schaukeln begann wie ein Hutschpferd.
Halb fünf am Morgen.
Anna, Schneewittchen und ich in the middle of nowhere.
Wir waren aus gewesen. Ballermann-Stimmung im Stadl.
Das Testosteron konnte man riechen.
Männerüberschuss.
An unserem Tisch der Bursar, der Banker, der Gynäkologe. Was für eine Kombination!
So was gibt es nur einmal in hundert Jahren. Darüber könnte man ein Märchen schreiben.
Gegenüber der verzweifelte Versuch eines dicklichen Mannes mit Seehundschnauzer mit einer in die Jahre gekommenen Haufrau zu schmusen.
„Irgendwie rührend“, sagte Anna.
„Aber nur irgendwie, Anna. Kannst du dir vorstellen, mit einem Seehund zu schmusen? "
Kurze Zeit darauf verließen sie den Stadl. In angemessenem Abstand.
Nach einer halben Stunde waren sie wieder da.
Der Seehundbart silbrig-nass.
Die Seehundwangen rot.
Die Frisur der Hausfrau etwas zerwühlt. Man sah, dass sie versucht hatte, sich zu kämmen.
An ihrem Hals kleine, rote Flecken. Ihre Augen glänzten so wie die Augen der Kinder nach der Bescherung am Heiligen Abend.
Ich bin immer wieder erstaunt, dass es Frauen gibt, die sich überreden lassen.
Der Gynäkologe erzählte Anekdoten aus seinem Alltag.
„Was mir da so unterkommt, manchmal, ihr habt keine Ahnung. Da gibt es Frauen, die haben am Bauch einen Pfeil tätowiert, der nach unten zeigt. Und da steht dann - Nur für dich. Und all die entzündeten Piercings.“
Mir wurde auf einmal schlecht.
Mit dem Bursar spielte ich heiteres Berufe raten.
Vor wenigen Wochen hatte ich nicht mal gewusst, dass es so einen Beruf gibt. Aber da ich eine Flugbegleiterin als Nachbarin habe, weiß ich es seit kurzem.
Erraten habe ich seinen Beruf nicht. Obwohl er mir wirklich gute Hinweise gab.
Der Testosteronnebel wurde immer dichter. Und war auch ganz intensiv an unserem Tisch zu spüren.
„Ich bin heut so geil", sagte der Banker und starrte auf Annas Dekolletee. Wieder einmal.
„Anna, komm, wir gehen tanzen." Ich zog sie hinter mir her. „Das wird nun gefährlich."
Schneewittchen folgte uns.
Und gleich darauf waren sie auch da. Bursar, Banker und Gynäkologe.
Sie tanzten gut. Aber sie hatten ein Problem mit ihren Händen. Sie hatten ihre Hände einfach nicht unter Kontrolle.
Gut, dass Anna, Schneewittchen und ich hatten ihre Hände unter Kontrolle hatten. Die Band spielte Losing my Religion. Wie passend!
Wir sangen alle mit.
„Lass das Grapschen, rate lieber", sagte ich zum Bursar.
Er erriet nicht, dass ich Lehrerin bin. Ich bin gern Lehrerin, aber es ist gut, dass ich nicht aussehe wie eine.
Meistens meinen d’Leut, ich bin eine Sekretärin. Obwohl ich nie rote Fingernägel und auch keine platinblonden Haare habe. Und auch keine große Oberweite. Und auch keine Brille.
Oder sie meinen, ich bin Krankenschwester.
Einer glaubte mal, ich sei Ärztin. Das schmeichelte mir.
Der Banker starrte wiederum auf Annas Dekolletee.
Die Band machte Pause.
Wir gingen zurück zum Tisch.
Seehund und Hausfrau hatten sich mittlerweile festgesaugt. Aneinander.
Das Gewühl im Stadl wurde lichter.
Der Grossteil des Testorsterons hatte gemeinsam mit den Besoffenen den Stadl verlassen.
Über unserem Tisch schwebte es noch, das Testosteron und kontrollierte abwechselnd mit Anna, Schneewittchen und mir die Handbewegungen von Banker, Bursar und Gynäkologe. „Haben wir Vollmond?“ fragte Schneewittchen. „Oder was ist heute los mit den Männern?“
Anna, Schneewittchen und ich gingen.
Bursar, Gynäkologe und Banker blieben zurück. Im eigenen Testosteronsaft.
Und da standen wir nun.
In the middle of nowhere.
Beim kaputten Reifen.
Diese Bordsteinkante.
Diese verfluchte.
Sie hat mich erwischt.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
5 Kommentare:
ja, wir hatten wirklich glück, was uns da sonst noch alles verfluchte und verflixte versucht hat zu erwischen. bordsteinkanten haben zeit sich auf die lauer zu legen. tage, wochen, monate warten sie auf potentielle opfer: gestresste, abgelenkte oder testosteronflüchtige autofahrerinnen. sie hungern nach aufgeschlitzten reifen. heute ist sie satt, die bordsteinkante. der gynäkologe, der banker der bursar nicht. sie haben ihren hunger im bier ertränkt. nur ihre hände zucken manchmal noch ein bissl unkontrolliert....
morgen fahren sie heim zu ihren frauen......
annanym
... gut erholt mit aufgeladenen Batterien :-)
die geschichte fährt porsche.
500, das hast du schön gesagt :-)
- dabei stotterte die Geschichte zu Anfang wie ein Traktor.
Very nice photo.
Kommentar veröffentlichen